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Outdoor Erste-Hilfe-Kurse
Besser auf Notfälle vorbereitet

Was macht man fernab der Zivilisation, wenn es einen Notfall gibt und Stunden dauern kann, bis Hilfe kommt? Für die Betroffenen ist eine solche Situation ein absoluter Albtraum. In Mölln in der Nähe von Hamburg kann man lernen, was zu tun ist, wenn ein Krankenwagen erst in Stunden da sein kann.

Von Astrid Wulf | 16.11.2017
    Ein Manns steht außerhalb von Fairbanks/Alaska am Lagerfeuer und beobachtet das Polarlicht.
    Aus einem nächtlichen Lagerfeuer im Schnee kann schnell ein Ernstfall werden. Gut, wenn jemand dabei ist, der weiß, wie man Erste Hilfe leitet (imago/Nature Picture Library)
    "Aaaaah! Auaaaaa! Scheiße, mein Arm"
    Aus einem Ausflug mitten in die Natur mit Camping am Lagerfeuer wird ein Horrortrip. Ein Mann, sportlich, attraktiv, etwa Mitte 30 dreht fast durch vor Schmerzen. Sein Arm ist vom Bizeps bis zu den Fingerspitzen von riesigen Brandwunden überzogen, das weiße Shirt ist blutverschmiert. Neben der Feuerstelle liegt eine kleine Flasche mit Brandbeschleuniger. Leute kommen angerannt, um zu helfen.
    "Kann mal jemand einen Notruf absetzen bitte?" "Was ist da passiert?" "Da hat sich eine Person verbrannt am Feuer, ziemlich stark – am Arm. Wir brauchen ziemlich dringend einen Notarzt."
    Der Mann zittert heftig und er wehrt sich. Die Ersthelfer wirken nervös. Sie kippen becherweise warmes Wasser auf den Arm und suchen hektisch die Wärmedecke.
    "Ist das kalt, scheiße!" "Wir müssen das verbinden." "Das war alles, was wir haben." "Haste noch was anderes Steriles?" "Nee."
    Die Brandblasen sind nur geschminkt
    Nach rund zehn Minuten steht der Verletzte grinsend auf und klopft den Helfern auf die Schultern. Marco Stelter ist Trainer für Outdoor Erste-Hilfe-Kurse, die Brandblasen sind nur geschminkt. Dirk Landmann aus Göttingen ist nach der Übung erleichtert. Er fühlte sich schlichtweg …
    "Überfordert. Erstmal gucken, was passiert ist und was man hat. Dann, was noch dazu kommt, dass das Schreien das verstärkt. Das macht es noch hektischer, die Situation noch anstrengender."
    Die Teilnehmer lernen in diesem Naturpark in Mölln in der Nähe von Hamburg an vier Tagen, was sie im Notfall tun können, wenn ein Krankenwagen vielleicht erst in Stunden da sein könnte – wenn überhaupt. Dirk Landmann musste bei Forschungsarbeiten in indischen Dörfern schon bei Kreislaufzusammenbrüchen helfen und war bisher ganz schön hilflos.
    "Zwei Vorfälle gab es schon – zwei Vorfälle, wo man sich die Frage stellt: Was mache ich jetzt. In Deutschland ist es relativ easy, aber da ist es etwas schwieriger. Weil die Strukturen einfach nicht da sind. Und da muss man dann anders klarkommen."
    Und am besten darüber Bescheid wissen, wie man in so einer Situation am geschicktesten einen Notruf absetzt kann. Anders als beim Herzinfarkt in der Kölner Fußgängerzone kann das bei einer Wanderung mitten in der Natur ganz schön kompliziert sein, sagt Trainer Marco Stelter.
    "Wenn ich beispielsweise jemanden losschicke, der sich dann verläuft, so geht halt wertvolle Zeit verloren. Also woran muss ich denken, was gebe ich für Informationen mit, vielleicht nehme ich ein Reservehandy mit, falls etwas passiert, vielleicht gehe ich zu zweit."
    "Welches Wasser soll ich nehmen? Natürlich das sauberste, das ihr habt. Aber im Zweifelsfall würde auch dieses Pfützenwasser hier gehen."
    Outdoor-Ersthelfer brauchen dringend Orientierungssinn
    Große Brandverletzungen mit schmutzigem Wasser kühlen: Wenn man beim Abenteuerurlaub nichts anderes parat hat, muss man als Ersthelfer nutzen, was man hat, sagt Trainer Marco Stelter. Auch, um einen Knochenbruch zu versorgen.
    "Indem wir Gliedmaßen ruhig stellen. Indem wir mit Immobilisierungstechniken – sei es mit Medizinbedarf oder improvisiert, mit Stöcken, Moos und Brettern, versuchen, die Schmerzen so gut es geht zu lindern."
    Orientierungssinn – auch etwas, das Outdoor-Ersthelfer dringend brauchen. Schließlich muss man auch mitten im Nationalpark beim Notruf beschreiben können, wohin die Rettungskräfte kommen sollen. Anhand markanter Punkte in der Landschaft zum Beispiel.
    "Spätestens am vierten Tag gehen die Leute ganz anders durch die Natur. Dass sie sagen: Jetzt habe ich mir die große Eiche gemerkt, oder die umgestürzte Buche, oder da war ein großer Stein."
    Dirk, der bald wieder in Indien forscht, Andreas, der nach Guatemala zieht und dort Touristen durch den Urwald führen will, und Hannah, die bald als Volonteer auf einem Erlebnishof in Lappland arbeiten wird – die Teilnehmer hier fühlen sich durch den Kurs besser auf Notfälle vorbereitet. Trainer Marco Stelter hat die Erfahrung gemacht, dass viele das, was sie hier lernen, irgendwann auch mal brauchen werden.
    "Es gibt nicht wenige, die berichten, sie waren auf dem Appalachian Trail unterwegs und haben dort eine bewusstlose Person aufgefunden und dank des Erste Hilfe-Kurses wussten sie, was sie tun können. Das ist sehr schön und Motivation für uns, dass es fruchtet."