Donnerstag, 28. März 2024

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Ozeanforschung
Friedfertige Vampire

Tintenfische wachsen schnell, haben einen enormen Stoffwechsel und gelten als Athleten der Ozeane. Gleich nach der ersten Fortpflanzung sterben die Weibchen, davon zumindest ist man bisher ausgegangen. Tatsächlich gibt es eine Art, die aus dem Rahmen fällt und ein sehr gemächliches Leben führt, wie Forscher im Fachmagazin "Current Biology" berichten.

Von Tomma Schröder | 21.04.2015
    Tintenfisch in der Tiefsee, fotografiert in 854 Metern Tiefe.
    Tintenfisch in der Tiefsee, fotografiert in 854 Metern Tiefe. (picture alliance / dpa / MBARI)
    Die Tiefen unserer Ozeane sind eine ziemlich unwirtliche Gegend: Es gibt kaum Sauerstoff, der Druck ist extrem hoch, und es ist stockdunkel. Dass sich in einer solchen Umgebung allenfalls finstere Gestalten tummeln müssen, ist eine ebenso alte wie langlebige Überzeugung. Als man Ende des 19. Jahrhunderts daher zum ersten Mal einen etwas merkwürdig aussehenden Tintenfisch aus der Tiefe zog, war ein Name schnell gefunden: "Vampirtintenfisch aus der Hölle".
    "Der Name kommt wahrscheinlich daher, dass die Vampirtintenfische so schwarz sind und diese mantelartige Schwimmhaut haben - fast wie Dracula."
    Tatsächlich sieht der Kopffüßer mit den Schwimmhäuten zwischen den acht Armen, den riesigen Augen und seinen Leuchtorganen auf den ersten Blick etwas unheimlich aus. Doch im Gegensatz zu anderen Tintenfischen, so hat der Meeresbiologe Henk-Jan Hoving bereits vor drei Jahren herausgefunden, ist er ein eher behäbiges, friedfertiges Wesen, das schon seit vielen Millionen Jahren bestens an seine Hölle angepasst ist.
    "Vampirtintenfische ernähren sich im Gegensatz zu anderen Kopffüßern, die alle lebende Beute jagen, von Zooplankton und den Resten von toten Tieren und Pflanzen, die als sogenannter "Meeresschnee” nach unten rieseln. Also eigentlich von kleinen Nahrungsteilchen mit einem niedrigen Nährwert."
    Sie scheinen gleich mehrere Leben zu haben
    Dass den Vampirtintenfischen diese kalorienarme Kost reicht, liegt auch daran, dass sie ihrem Futter eben nicht hinterherjagen, sondern sich eher gemächlich durch die Tiefsee treiben lassen und hier und dort auffangen, was von oben herunter rieselt. Dabei haben sie eine extrem niedrige Stoffwechselrate und scheinen auch ansonsten ein anderes Leben zu führen als ihre Artgenossen in flacheren Gewässern. Denn während bei allen anderen Tintenfischen das Leben nach der ersten Fortpflanzung zu Ende ist, scheinen die Vampire der Tiefsee diesbezüglich gleich mehrere Leben zu haben, wie Henk-Jan Hoving nun herausgefunden hat.
    "Nachdem Vampirtintenfische ihren Laich abgegeben haben, ist die Keimdrüse einige Zeit in einer Ruhephase. Danach beginnt alles von vorn: Sie essen und sammeln Energie, um die nächste Eiablage zu bewältigen."
    Sie bewegen sich langsamer, sie pflanzen sich über einen längeren Zeitraum fort und sie scheinen auch ein längeres Leben zu führen. Denn anhand ihrer Untersuchungen an älteren konservierten Vampirtintenfischen, konnten die Meeresbiologen um Henk-Jan Hoving zeigen, dass eines der untersuchten Weibchen schon über 38 Mal gelaicht hat und Eizellen für mindestens 65 weitere Laich-Episoden gehabt hätte. Damit müssen sie zwangsläufig länger leben als die ein bis zwei Jahre, die normalerweise bei Tintenfischen üblich sind. Zumindest soweit sie bekannt sind. Andere Tintenfisch-Arten in der Tiefsee könnten durchaus ähnliche Lebenszyklen aufweisen, schreiben die Meeresbiologen in ihrer Studie. Es gibt also noch viel zu entdecken und zu erforschen in dieser so gar nicht so höllenartigen Welt der Tiefsee.