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Pakistan
Behörden vermuten Taliban hinter Anschlag mit 60 Toten

Bewaffnete Extremisten haben in der Nacht eine Polizeischule in der pakistanischen Provinz Balutschistan angegriffen, mindestens 60 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. Die Behörden erklärten, eine Splittergruppe der pakistanischen Taliban sei verantwortlich. In der Region sind zahlreiche radikal-islamistische Gruppen aktiv.

Von Jürgen Webermann | 25.10.2016
    Sicherheitskräfte bewachen die Polizeischule in Quetta in der Provinz Balutschistan, nachdem sie von Extremisten attackiert wurde. Bei dem Anschlag starben 60 Menschen.
    Sicherheitskräfte bewachen die Polizeischule in Quetta in der Provinz Balutschistan, nachdem sie von Extremisten attackiert wurde. Bei dem Anschlag starben 60 Menschen. (picture alliance/dpa - Jamal Taraqai)
    Ein junger Kadett, sichtlich unter Schock, beschreibt den Überfall auf die Polizeischule.
    "Ich habe drei oder vier Angreifer gesehen. Sie trugen Masken und Kampfanzüge. Sie hatten Maschinenpistolen bei sich. Sie begannen sofort zu schießen, nachdem sie in unseren Schlafsaal gelangt sind. Wir schrien nur noch und flüchteten nach draußen, dort kletterten wir über eine Mauer und brachten uns in Sicherheit."
    Nach Angaben der lokalen Behörden waren es tatsächlich mindestens drei Männer, die in die Polizeischule gestürmt waren, am späten Abend, als die meisten Kadetten bereits schliefen. Demnach erschossen sie zunächst den Wachmann am Haupttor und drangen dann in die Schlafsäle ein. Sie nahmen einige der Kadetten als Geiseln.
    Kämpfe dauerten mehrere Stunden an
    Laut pakistanischen Medien befanden sich 700 junge Polizeianwärter auf dem Gelände der Schule. Die Sicherheitskräfte stürmten den Wohnkomplex, um die Geiseln zu befreien. Allerdings dauerten die Kämpfe mehrere Stunden an. Zwei der Angreifer hätten sich in die Luft gesprengt, einer sei vorher erschossen worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Die meisten Opfer seien durch die Bomben der Attentäter getötet worden.
    Die Spezialeinheiten, die in das Gebäude gestürmt seien, hätten Schwierigkeiten gehabt, Opfer und Täter zu unterscheiden. Bei dem erschossenen Extremisten handele es sich um einen sehr jungen Mann, so der Sprecher weiter. Der Innenminister der Provinz Balutschistan, deren Hauptstadt Quetta ist, präsentierte erste Ermittlungs-Erkenntnisse:
    "Es waren drei Selbstmordattentäter, und sie sprachen per Handy mit ihren Hintermännern in Afghanistan. Von dort bekamen sie Anweisungen."
    Behörden: Taliban-Splittergruppe operiert aus Afghanistan
    Die Behörden erklärten, sie vermuteten eine Splittergruppe der pakistanischen Taliban hinter dem Anschlag, die von der afghanischen Seite der Grenze operierten. Die pakistanischen Taliban sind ein loser Zusammenschluss von etwa 30 bis 50 Gruppen. Sie eint das Ziel, aus Pakistan einen islamistischen Staat zu machen.
    In Quetta sind aber auch Separatisten aktiv, die für eine Loslösung der Provinz Balutschistan von Pakistan kämpfen. Zudem erklärte ein angeblicher Kommandeur des so genannten Islamischen Staats, dass seine Gruppe hinter dem Angriff stecke. Pakistans Armee hatte vor wenigen Wochen einräumen müssen, dass der IS tatsächlich im Land aktiv sei.
    Extremisten haben in der Region einen Rückzugsraum
    In Quetta haben zudem noch die afghanischen Taliban ihre Basis. Quetta liegt nahe der afghanischen Grenze und bietet den afghanischen Extremisten Rückzugsräume. Dabei sollen sie immer wieder von pakistanischen Sicherheitskräften gedeckt werden.
    Der Anführer der afghanischen Taliban, Mullah Akhundzada hatte in der Stadt offen gepredigt, bevor er im vergangenen Mai die Extremistengruppe übernahm. Die Polizeiakademie am Stadtrand von Quetta war bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Auch in der Stadt selbst ist die Sicherheitslage prekär. Zuletzt hatte sich dort im August ein Selbstmordattentäter inmitten von Rechtsanwälten in die Luft gesprengt. Die Männer hatten um einen ermordeten Kollegen getrauert.