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Panama-Papiere
"Viele Bilder werden über Briefkastenfirmen gehandelt"

Die "Panama-Papiere" legen auch manche Spur in den globalen Kunstmarkt: "Der internationale Kunsthandel bedient sich derselben Strukturen, wie es große Banken und private Geldeigner tun", sagte Kunstexperte Stefan Koldehoff im DLF. So würden Geldwege verschleiert und Gemälde auf undurchsichtigen Wegen verkauft.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Dina Netz | 06.04.2016
    "Panama" steht auf einem weißen Briefkasten
    Die Enthüllungen der "Panama Papers" sind auch für den internationalen Kunsthandel von Bedeutung. (dpa/picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand)
    Dina Netz: In vielen Zeitungskulturteilen gibt es am Wochenende einen Extrateil zum Kunstmarkt. Klar: Die bildende Kunst, das ist der einzige Kulturbereich, in dem richtig Geld steckt. Sonderseiten zum Theater- oder Opern- oder Tanzmarkt braucht es eher nicht. Entsprechend ist es kein Wunder, dass jetzt im Zusammenhang mit den Panama-Papieren auch vom Kunstmarkt die Rede ist. In dem Buch der Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, das die Recherchen zu den Panama-Papieren zusammenfasst und das offiziell heute erschienen ist, gibt es auch ein Kapitel über die Kunstwelt. Titel: "Vom Fischen und Finden und von ganz großer Kunst". Stefan Koldehoff, welche Spuren verlaufen denn nun von den Panama-Papieren in den Kunstmarkt?
    Stefan Koldehoff: Na ja, aus diesen Papieren geht offensichtlich hervor - offensichtlich muss man sagen, weil die Originale ja nach wie vor niemand zu Gesicht bekommen hat, wir uns also auf das verlassen müssen, was die Kollegen da recherchiert haben und im Buch und in ihren Artikeln behaupten -, ganz offensichtlich werden viele Bilder über Briefkasten-, über Offshore-Firmen in Panama, aber auch auf den British Virgin Islands und auf den Cayman Islands gehandelt. Das heißt, die werden von Firma zu Firma weiterverkauft, dann wieder an Unterfirmen, an Unter-Unterfirmen, so lange, bis eigentlich überhaupt nicht mehr klar zu ersehen ist, wem so ein Bild denn eigentlich noch gehört. Denn auch das haben wir ja in den letzten Tagen erfahren: Oft sind es Strohleute, die dann als Geschäftsführer von Unter-Unter-Unter-Unterfirmen in Panama oder anderen Offshore-Ländern fungieren. Das ist ein Schluss, den man ganz klar ziehen kann: Der internationale Kunsthandel bedient sich derselben Strukturen, wie es große Banken tun, wie es große private Geldeigner tun, wie es aber zum Beispiel auch das organisierte Verbrechen tut.
    Netz: Das heißt, es geht ums Verschleiern von Spuren, von Geldwegen. Sind denn die Kunstwerke selbst auch in Panama?
    Koldehoff: Nein, das ist in aller Regel das Spannende. Die bleiben natürlich, weil man Kunstwerke nicht gerne bewegt, eher in Europa, in Asien oder in den Vereinigten Staaten, auf dem Kontinent der Vereinigten Staaten. Es werden tatsächlich nur die Buchwerte hin- und hergeschoben zwischen diesen Firmen beziehungsweise die Kaufverträge. Dazu muss man jetzt wissen, dass seit wenigen Jahren, seit faktisch das Bankengeheimnis in der Schweiz nicht mehr existiert, seit Länder wie Luxemburg die Zinserträge von Leuten, die Steuern sparen wollen, an die Herkunftsländer melden, seit der Immobilienmarkt sehr, sehr stark kontrolliert wird, die Kunst durchaus eine Möglichkeit ist, viel Geld sehr diskret anzulegen. Deswegen sind an einer Reihe von Flughäfen, beispielsweise in Zürich, beispielsweise in Genf, aber auch in Singapur oder in Hongkong, sogenannte Zollfreilager entstanden. Das sind hoch klimatisierte, hoch bewachte Hightech-Lagerhäuser, die speziell auf Kunst zum großen Teil ausgerichtet sind. Viele von denen gehören einem Unternehmer, Yves Bouvier heißt der, gegen den wird auch ermittelt. Er wehrt sich natürlich gegen Vorwürfe, dass er da bestimmte Unterschlagungen vorgenommen habe, in bestimmte Betrügereien verwickelt gewesen sei. Nachzuweisen ist ihm bislang nichts. Dort bleiben die Bilder, wie gesagt, mit deren Millionen Buchwerten dann aber über die Briefkastenfirmen gehandelt wird.
    Netz: Das alles, was Sie mir gerade erzählen, Herr Koldehoff, steht nicht in diesem Buch "Panama-Papiere", sondern das sind offenbar Sachen, die ohnehin bekannt waren, oder gibt es was Neues, was dieses Buch jetzt enthüllt?
    Koldehoff: Das ist tatsächlich seit vielen Jahren bekannt. Ich erinnere mich, als ich vor einigen Jahren über den Fall Beltracchi, den Kunstfälscher hier in und um Köln und Südfrankreich recherchiert habe und da Unterlagen zugespielt bekam, da kam heraus, dass auch der Geschäfte über Panama und über bestimmte Firmen oder mit bestimmten Firmen abgewickelt hatte. Das ist nicht neu. Was im Buch jetzt neu ist, ist ein konkreter Fall. Da geht es um einen Modigliani-Gemälde. Auch über den Fall haben wir schon vor fünf Jahren berichtet. Aber dieses Bild gehörte NS-Opfern, die es suchen, seit es bei einer Auktion bei Christie’s wieder auftauchte. Alles was dann herauszufinden war, war, dass das Bild einer Firma namens International Arts Centre gehöre - Sie ahnen schon: über Panama gegründet diese Firma - und dass selbstverständlich nicht herauszufinden war, wer denn dahinter steckt, weil ganz kompliziert, und da deckt das Buch jetzt auf, dass es die große Galeristenfamilie Nahmad gewesen sei, kommt allerdings auch zu dem Schluss, dass man jetzt weiß, wem diese Firma gehört. Das heißt noch lange nicht, dass man dann auch Zugriff auf das Bild bekommt, denn wie wir gerade besprochen haben: Wo das lagert, ob überhaupt diese Unterlagen noch aktuell sind, ob nicht längst weiterverkauft wurde, wieder an Unter-Unter-Unterfirmen, das müsste man alles noch mal prüfen.
    Netz: Das heißt, auch was den Kunstmarkt betrifft, wissen wir jetzt ein bisschen mehr darüber, wie verschleiert wird. Aber wie man dagegen vorgehen kann, wissen wir immer noch nicht?
    Koldehoff: Nein, das weiß man nicht, weil der Kunstmarkt nach wie vor eine der unreguliertesten Branchen der Welt ist, und dass man das auch gerne so beibehalten möchte, das merken Sie, wenn Sie sich in Deutschland die Proteste gegen das neue Kulturgutschutzgesetz angucken. Da soll ja einiges transparenter werden, was Herkunftswege angeht. Aber da ist der Kunsthandel gar nicht so begeistert von.
    Netz: Stefan Koldehoff war das mit Einschätzungen zu den Panama-Papieren und über das, was sie über den Kunstmarkt verraten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.