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Panama Plus Festival
Repariert die Zukunft

Eine Verbindung aus Klängen und Bildern, Diskurs und Pop: Der Musiker und Kurator Flo Kreier will beim Panama Plus Festival verschiedene Künste zusammenbringen – und die Vision für eine "geile Zukunft" entwickeln. "Konzentrieren wir uns auf das Fröhliche", forderte Kreier im Dlf.

Flo Kreier im Corsogespräch mit Sören Brinkmann | 26.06.2017
    Flo Kreier vor einem Materialwagen auf dem Gelände des Panama Plus Festivals (Bild: Charly Krenz)
    Flo Kreier (Charly Krenz)
    Sören Brinkmann: Wo ist sie, die geile Zukunft?
    Flo Kreier: Ja, ich glaube, die ist noch nicht da. Aber die schlechte Zukunft ist ja auch noch nicht da. Und deswegen war es uns sehr wichtig, in diesem Jahr – im Hinblick auf das, was wir machen wollen und auch die Ausrichtung davon – dass man sich ein bisschen damit beschäftigt: Wie können die Dinge eigentlich gut aussehen? Ich glaube, es gibt Millionen Visionen und Szenarien für den Untergang der Menschheit – oder für schlechte Szenarien – und ich glaube, vielleicht ist das eine Möglichkeit, auch einzuüben, dass man positiv in die Zukunft blickt. Es kann ja dann immer noch schlecht kommen, aber ich glaube, negativ in die Zukunft zu blicken: Vielleicht steigert das die Chancen noch, dass sich dann Dinge auch negativ entwickeln.
    "Konzentrieren wir uns auf das Positive"
    Brinkmann: Und der Blick in die geile Zukunft, wie Sie es nennen, der fehlt Ihnen bisher?
    Kreier: Mein Gott, das ist natürlich überspitzt formuliert. Uns ging es natürlich schon so ein bisschen darum, dass so doppelt zu unterstreichen. Man kann ja in jedem Diskurs einfach auf die Probleme schauen oder auf die Gefahren schauen – aber man kann in jedem Diskurs und zu jedem Thema auch sagen: Hey, konzentrieren wir uns doch mal auf das Positive, auf das Fröhliche-Positive.
    Brinkmann: Bringen Sie denn schon so eine Vision der geilen Zukunft mit oder sagen Sie: Das soll jetzt alles eben entwickelt werden, nun beim Panama Plus Festival?
    Kreier: Dieses ganze Vorhaben ist natürlich utopisch, das wissen wir auch. Aber das ist auch eine Sache, auf die wir uns gerne einlassen. So, wie wir das Festival dieses Jahr machen, habe ich noch von keinem Festival gehört. Und es geht in meiner Vorstellung in der Zukunft, da geht es in erster Linie darum, dass Menschen respektvoll miteinander umgehen und sich viel austauschen, zu vielen verschiedenen Bereichen. Weil ich glaube, dass gerade die Zusammenarbeit von den Bereichen Wissenschaft und Kunst beispielsweise uns wirklich helfen kann für die Zukunft. Das meine ich jetzt auch im Kleinen, das ist so eine Viertel-Sache, glaub ich.
    Ich glaube, Kunst hat natürlich die Kraft, Dinge ästhetisch, an der Oberfläche, schöner zu machen. Aber Kunst und auch in Verbindung mit Geisteswissenschaften oder mit anderen Wissenschaften, hat natürlich auch die Kraft, Dinge in der Tiefe nachhaltig zu verändern oder Menschen Zugang zu schaffen zu Bereichen, wo sie vielleicht keinen Zugang sehen, auf irgendeine Art und Weise. Und das ist das, was wir dieses Jahr machen wollen. Wir wollen Zugänge schaffen zwischen Kunstbereichen, zwischen sozusagen Denk-, Geistesschulen und natürlich auch sonstige Grenzen, die es so gibt, auf eine positive Art und Weise hoffentlich, zur Freude aller ein bisschen zu verwischen.
    "Natürlich ist es ein Laborzustand"
    Brinkmann: Wenn Sie jetzt ansprechen oder sagen, dass die Kunst da vielleicht etwas aufrühren kann. Wie sieht das genau aus, bei so einem Festival? Wie kann da so eine Vision entstehen?
    Kreier: Ich denke, konkret kann es zum Beispiel so aussehen: Wir haben ja verschiedene Vortragende eingeladen, beispielsweise den Soziologen Harald Welzer, den Politikwissenschaftler Julian Nida-Rümelin. Und die halten Podiumsgespräche zu bestimmten Themen. Und wir haben gleichzeitig auch Residenzkünstler*Innen eingeladen, die natürlich diese Gespräche auch mitnehmen und dann versuchen können, die Ergebnisse oder die Ideen, Gedanken in diesen Gesprächen auf ihre Art und Weise zu verarbeiten.
    Ich denke, das ist eine Art und Weise, wie nicht alle Künstlerinnen und Künstler arbeiten wollen und auch können vielleicht, aber wir haben uns auch eben bewusst Leute ausgesucht, von denen wir glauben, dass die das können. Und natürlich ist es ein Laborzustand. Also es ist jetzt nicht so, dass wir sagen: Das ist das Produkt und am Ende wird hundertprozentig das herauskommen, was wir uns vorher dabei denken. Das ist auch so eine Art nachzudenken, glaube ich, die oft schon gute Ideen auf irgendeine Art und Weise verstellt hat. Also wir werfen uns da einfach in diesen Laborzustand und haben so eine bestimmte Richtung, in die wir alle denken, handeln wollen.
    "Daran glauben, dass man Gutes bewirken kann"
    Brinkmann: Eine ganze Woche lang eben. Auf einem ehemaligen Gelände einer Kaserne, jetzt Kreativquartier in München. Noch einmal, um anzuknüpfen an das, was Sie gerade gesagt haben: Das heißt, Künstler reagieren zum Beispiel – ich sage mal mit bildender Kunst – auf etwa einen Vortrag. Das heißt, es ist sozusagen ein Labor, und die Zuschauer oder die Gäste des Festivals, die dabei sind, können sich das Ganze angucken, wie es dann tatsächlich gerade live passiert, so eine Interaktion?
    Kreier: Genau! Und natürlich endet die Interaktion dann an der Stelle nicht. Es gibt natürlich viele Arten und Weisen, wie man sich das vorstellen kann: Es kann ja auch beispielsweise ein Audiokünstler drinsetzen, eine Audiokünstlerin, die verschiedene Fetzen einfach aufnimmt und daraus ein Hörspiel baut beispielsweise. Und dann kann unter Umständen jemand, der an diesem Podiumsgespräch beteiligt war, dieses Hörspiel wieder hören – und versteht dann vielleicht das, was er vorher gesagt hat, wieder auf eine andere Art und Weise.
    Im Endeffekt können alle Menschen sehr viel voneinander profitieren. Das ist eine Sache, an die ich sehr stark glaube, auch im Hinblick auf alle Themen, die wir im gesamtgesellschaftlichen Diskurs gerade haben, Stichwort: Migration. Ich glaube, da kann man auch sehr ängstlich auf das Thema blicken und das hat natürlich auch eine bestimmte Berechtigung, je nachdem wie man Situationen einschätzt. Aber ich finde, man kann auch sehr positiv auf die Dinge blicken und einfach daran glauben, dass man Gutes bewirken kann und dass man mit Gutem, das man bewirken kann, einfach die Wahrscheinlichkeit steigert, dass das Zusammenleben für alle mindestens genauso gut ist, wie im Moment - und im Optimalfall besser wird.
    "Kunst hat erst mal keine Verantwortung"
    Brinkmann: Das ist der Anspruch des Festivals. Es gibt Fotografie, Installation, Bildende Kunst – aber eben auch Debatten, Sie haben eben Vorträge angesprochen. Aber auch Frank Spilker von der Band Die Sterne wird teilnehmen, aber auch der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger. Da geht es zum Beispiel um die Verantwortung von Kunst und Künstlern. Ohne dem Vorzugreifen, aber welche Verantwortung hat Kunst? Sie machen das ja recht deutlich, Sie wollen mit Ihrer Kunst eine positive Zukunft schaffen.
    Kreier: Ja. Und das ist natürlich ein utopischer Plan. Vielleicht bin ich da ein Träumer. Aber ich glaube, Kunst hat jetzt in Bezug auf den einzelnen Künstler, die einzelne Künstlerin, eigentlich erst mal keine Verantwortung. Ich glaube, natürlich kann jeder Mensch das für sich so aufmachen, wie er oder sie das aufmachen wollen. Aber ich denke, dass es viele Menschen gibt in diesem Bereich Popkultur, die im Moment mit den Gedanken, die sie haben zu dem Zustand unserer Gesellschaft, einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Es ist irgendwie so ein bisschen aus der Mode gekommen, dass man das wirklich auch thematisiert. Und es gibt sehr viele Festivals, auf denen das nicht thematisiert wird. Und ich finde das auch total in Ordnung, es müssen ja nicht alle dasselbe machen! Aber als wir uns die Frage gestellt haben, ob wir das Festival eben noch mal machen wollen, war eigentlich uns klar, dass wir, wenn wir es machen wollen, wir das einfach - in diesem Wahljahr ja zum Beispiel auch - wir das einfach so machen wollen, dass wir sagen für uns: Das hat einen Sinn, der über bloße Bespaßung und Präsentation von Bands hinausgeht.
    "Ich habe andauernd über Politik gesprochen"
    Brinkmann: Und Sie haben keine Angst, dass Sie die Kunst damit überfordern, wenn Sie den Anspruch stellen, dass daraus auch sich mehr ergibt als reine Bespaßung?
    Kreier: Natürlich habe ich manchmal Angst. Aber manchmal freue ich mich auch drauf. Ich bin selbst auch Musiker und habe sehr viele Freunde, die auch Musiker sind. Und im letzten Jahr habe ich mit jedem dieser Menschen eigentlich andauernd über Politik gesprochen. Und ich glaube, die haben nicht nur mit mir andauernd über Politik gesprochen. Und dann kam aber irgendwann relativ schnell der Konsens: "Ja, ich würde schon gern mich dazu äußern, aber ich weiß nicht, wie. Vielleicht kenne ich mich da auch zu wenig aus?"
    Das war im Endeffekt so ein Punkt, wo wir dann irgendwann gesagt haben so: Hey – wenn es schon so viele Menschen gibt, die sich zwar über das Thema Gedanken machen, aber nicht genau wissen, wie sie sich äußern sollen, dann schaffen wir doch einen Laborzustand, in dem Menschen vielleicht damit ein bisschen geholfen wird oder in dem diese Menschen viele andere Menschen treffen, die genau dasselbe von sich sagen würden.
    Brinkmann: Flo Kreier – Macher des Panama Plus Festivals für Kunst, Diskurs und Interaktion. Viel Erfolg dann für die kommenden Tag und herzlichen Dank für das Gespräch!
    Kreier: Vielen Dank auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.