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Papst Pius XII.
Nazis hatten konkrete Entführungspläne

Während der deutschen Besatzung Roms im Zweiten Weltkrieg (September 1943 bis Juni 1944) sollte Papst Pius XII. entführt werden. Dass es diese Pläne gab, ist bekannt. Dass das Vorhaben aber kurz vor der Umsetzung stand, ist nach einem Bericht der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" neu. Grundlage ist ein bisher unveröffentlichter Text von Antonio Nogara, dem Sohn des damaligen Direktors der Vatikanischen Museen.

06.07.2016
    Papst Pius XII.sitzt am Schreibtisch (undatiertes Foto).
    Papst Pius XII. (undatiertes Foto). (dpa / picture alliance / epa ansa Ettore Ferrar)
    Nogara schreibt, sein Vater (Museumsdirektor Bartolomeo Nagara) habe nach einem Versteck für den Pontifex gesucht, als er erfuhr, dass die Entführung des Papstes durch die SS unmittelbar bevorstehe. Ende Januar- oder Anfang Februar 1944 habe Bartolomeo seiner Familie unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, dass es einen "fortgeschrittenen Plan" zur Festnahme und Deportation des Heiligen Vaters gebe - unter dem Vorwand, ihn "unter dem persönlichen Schutz" des Führers in Sicherheit zu bringen. Die Informationen stammten demnach von den Vatikan-Botschaftern Großbritanniens und der USA, Sir Francis d'Arcy Osborne und Harold Tittmann.
    Versteck im Turm der Winde
    Im Falle einer Umsetzung der Pläne - so heißt es weiter - wollten die Alliierten mit Fallschirmspringern einschreiten, um die Entführung des Papstes zu verhindern. Deshalb habe man für zwei bis drei Tage ein Versteck für Pius XII. im Vatikan finden müssen. Nach ausführlichen Beratungen Nogaras mit dem Priester Battista Montini (dem späteren Papst Paul VI.) wurde der sogenannte Turm der Winde ausgewählt, der sich über einem Flügel der Vatikanischen Bibliothek erhebt.
    Berichte über Entführungspläne gab es schon früher. Nach Angaben des "Spiegels" wurden derartige Pläne im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess bekannt. 2005 berichtete das Nachrichtenmagazin, dass der frühere SS-General Karl Friedrich Otto Wolff einen entsprechenden Befehl Adolf Hitlers erhalten habe. In einem Memorandum gab Wolff 1972 an, er habe sich geweigert, den Befehl auszuführen. Nach seinen Angaben sollte der Papst dafür bestraft werden, dass die katholische Kirche Tausende Juden in Klöstern versteckt und so vor den Nazis gerettet habe.
    Deutsche Diplomaten verhinderten die Entführung
    Im Vatikan waren nach den Ausführungen Nogaras damals Juden und Nicht-Juden versteckt. Das Eindringen eines SS-Kommandos hätte große Gefahr für seine Familie bedeutet. Deshalb sei man erleichtert gewesen, dass es nicht zu der Entführung gekommen sei. Laut Nogara war dies auch auf das Eingreifen der deutschen Botschaft im Vatikan zurückzuführen. Der damalige Botschafter beim Heiligen Stuhl war Ernst von Weizsäcker, Vater des späteren deutschen Bundespräsidenten.
    Nogara starb 2014. Der schriftliche Bericht über die Ereignisse wurde in seinem Nachlass entdeckt.
    (fe/tzi)