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"Paradise Papers"
Deutsche im Steuersumpf

Superreiche, Konzerne, Politiker - die "Paradise Papers" zeigen auf, was einige einflussreiche Menschen am liebsten verborgen gehalten hätten. Auch in Deutschland dürften die Enthüllungen die Diskussion über Schattenfinanzplätze weiter anheizen. Denn in den Unterlagen tauchen auch Hunderte deutsche Namen auf.

Von Philipp Eckstein und Benedikt Strunz | 06.11.2017
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    Mit einer symbolischen Geldkofferübergabe prangern Aktivisten von "Attac" Steuerflucht, Steuervermeidung und Korruption an. (imago stock&people)
    München 2016: In der bayrischen Hauptstadt geht eines der größten Steuerstrafverfahren in der deutschen Geschichte zu Ende. Der Vorwurf: Der Milliardär Curt Engelhorn und seine Töchter sollen 440 Millionen Euro Schenkungssteuer hinterzogen haben. Auch im Bayrischen Landtag ist der Fall ein Thema:
    "Wir werden nicht lockerlassen, um den Fall Engelhorn bis ins Detail aufzuklären, weil er auch deutlich macht, was auch schiefläuft im Bereich der Steuergerechtigkeit in diesem Freistaat und in dieser Bundesrepublik."
    Trotz der gewaltigen Vorwürfe endet das Verfahren in einem milden Vergleich. Die beiden Engelhorn-Töchter zahlen 145 Millionen Euro Steuern nach sowie eine Geldbuße in Höhe je zwei Millionen Euro. Gerhard Wipijewski, Vorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft hat den Fall Engelhorn damals genau verfolgt:
    "Ja, das erscheint ärgerlich, aber wir müssen einfach feststellen, dass hier von dem Anfangsverdacht eben Vieles nicht zu beweisen war."
    Neue Einblicke ins Firmengeflecht
    Und das hatte einen einfachen Grund: Curt Engelhorn, der ehemalige Konzernchef des Pharma-Riesen Boehringer Mannheim hatte sein Vermögen in ein aufwendiges Geflecht von Briefkastenfirmen verschoben. Letztlich mussten die Fahnder vor der komplexen Struktur kapitulieren.
    Doch die Paradise-Papers offenbaren nun, dass der Engelhorn-Familie wesentlich mehr Briefkastenfirmen und Trusts gehören, als bislang vermutet. Die Engelhorn-Erben könnten dem deutschen Fiskus also deutlich mehr Geld schulden. Die beiden Töchter wollten sich dazu nicht äußern.
    "Wir haben ja insbesondere bei der Erbschaftssteuer den Charme, dass die Verjährung der erst eintritt, wenn ein Sachverhalt bekannt wird. Und insofern wäre es dann möglich, wenn wir einen relevanten Vorgang erfahren, dass hier wirklich nochmals Ermittlungen geschehen können."
    Beratungen bei Offshore-Kanzlei Appelby
    Der Name Engelhorn - nur einer unter vielen deutschen Namen, die in den Paradise-Papers eine Rolle spielen. So belegen die Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" etwa, dass eine deutsche Hotelkette mit Hilfe von Offshore-Strukturen Steuern vermeidet. Und, dass der langjähriger FDP Bundestagsabgeordneter Harald Leibrecht Mitbesitzer eines Schlosses ist und dies über eine Briefkastenfirma verschleiert hat. Die Konstruktion sei den Steuerbehörden bekannt gewesen, erklärte Leibrecht auf Nachfrage.
    Die Daten zeigen auch, dass zahlreiche deutsche Banken, Reedereien und Versicherungen zu den Kunden der Offshore-Kanzlei Appelby gehören. Sie steht im Zentrum der Paradise Papers. Viele Unternehmen lassen sich dabei lediglich zu Rechtsfragen beraten. Das sei keineswegs illegal, aber dennoch problematisch, findet Sebastian Fiedler, Vize-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter:
    "Jeder deutsche Konzern, jede deutsche Bank muss sich natürlich darüber bewusst sein, dass sie gleichzeitig genau die Destination stärken, ohne die Organisierte Kriminalität - Geldwäsche, Waffenhandel und dergleichen mehr - schlicht und ergreifend nicht existieren würden."
    Auch Gerhard Schröder im Datensatz
    Neben Ärzten, Managern und Sportvermarktern taucht in den Paradise Papers übrigens auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf. Er hatte zwischenzeitlich eine Leitungsfunktion in einer Firma auf den Britischen Jungferninseln übernommen. Die Firma, die nach Schröders Amtszeit gegründet wurde, steht im Zusammenhang mit einem öffentlich bekannten Geschäft zwischen dem russischen Energiekonzern TNK und dem britischen BP-Konzern. Schröder wollte sich in diesem Kontext offenbar von Appelby beraten lassen. Es ist unklar, ob der Beratervertrag zustande kam. Auch Schröder wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern.
    Der Paradise-Papers-Datensatz umfasst Geschäftsunterlagen von zwei Offshore-Dienstleistern sowie Handelsregister aus 19 Steueroasen. Die Daten wurden zunächst der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt, sie hat sie mit dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten und knapp einhundert Medienorganisationen auf der ganzen Welt geteilt.