Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

"Paradise Papers"
Recherchen enthüllen Steuer-Tricks im Paradies

Unter dem Schlagwort "Paradise Papers" haben 400 Journalisten aus aller Welt mehr als 13 Millionen geheime Dokumente ausgewertet. Sie zeigen, wie Politiker, Prominente und Kriminelle Briefkastenfirmen für Steuer-Tricks nutzen. Und wie internationale Konzerne versuchen, mit verschachtelten Firmen-Konstruktionen ihre Steuerschuld kleinzurechnen.

Von Benedikt Strunz | 06.11.2017
    Zwei Männer im Anzug, von denen einer einen Aktenkoffer trägt, werfen am 24.03.2010 in Stuttgart lange Schatten.
    Die "Paradise Papers" enthüllen die Handelsregister von 19 Steueroasen auf der ganzen Welt, darunter die der Cayman-Islands. (dpa / Uwe Anspach)
    US-Handelsminister Wilbur Ross gilt als enger Weggefährte von Amerikas Präsident Donald Trump. Vor seiner Zeit als Minister war Ross milliardenschwerer Unternehmer, mit vielfältigen Beteiligungen an Firmen.
    In einer Senatsanhörung vor seinem Amtsantritt erklärte Ross dazu: "Ich habe vor bei jedem Thema, wo es den geringsten Verdacht der Befangenheit gibt, völlig gewissenhaft zu sein."
    Heute stellt sich die Frage, ob das stimmt. Der US-Minister ist nämlich über mehrere Briefkastenfirmen an einer Schifffahrtsgesellschaft beteiligt. Und die macht Geschäfte mit dem russischen Gas-Konzern Sibur. Sibur gilt als kremelnah. Und nicht nur das: Miteigentümer der Firma ist ein russischer Oligarch, der auf einer US-Sanktionliste steht. Und der Schwiegersohn des russischen Präsidenten Vladimir Putin. Ross erklärt dazu, er sehe die Investition als unproblematisch.
    Politiker unter Druck
    Wilbur Ross ist dabei nur einer von mehr als 120 Politikern, deren Geschäfte in Steueroasen nun durch das internationale Rechercheprojekt "Paradise Papers" enthüllt werden. Darunter auch amtierende Staats- und Regierungschefs und zahlreiche Regierungspolitiker aus aller Welt.
    Marina Walker vom Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten, ICIJ: "Dieses Projekt gibt uns wahrscheinlich den besten Einblick in die Welt der Schattenfinanz-Systeme, den wir jemals hatten. Denn wir schauen nicht in eine oder zwei, sondern in dutzende Steueroasen. Es ist so, als hätte man einen riesigen Schleier weggezogen."
    Gigantischer Datensatz
    Die Paradise Papers sind ein Datensatz von 13,4 Millionen Dokumenten. Es handelt sich dabei zu einem Großteil um Geschäftsunterlagen. Sie stammen von einer der größten Offshore-Kanzleien der Welt, "Appleby" und decken einen Zeitraum.
    "Appelby" hat seinen Hauptsitz auf Bermuda und hilft Konzernen, Superreichen und Politikern dabei, Briefkastenfirmen zu gründen und zu verwalten. Zudem enthüllt das Datenleck die Handelsregister von 19 Steueroasen auf der ganzen Welt, darunter die Cayman-Islands und Malta.
    Steuerkriminelle, Geldwäscher und legale Steuerkonstruktionen
    Geschäfte in Steueroasen sind nicht per se illegal. Aber Schattenfinanzplätze würden insbesondere von drei Gruppen genutzt, sagt Sebastian Fiedler, Vize-Präsident des Bund Deutscher Kriminalbeamter.
    "Einerseits von Steuerkriminellen, (..) andererseits von Geldwäschern von Schwerkriminellen, Waffenhändlern , Organisierte Kriminalität und es gibt einen dritten Themenbereich, den wir vielleicht als legal aber nicht als gesellschaftlich legitim betrachten und das sind legale Steuerkonstruktionen die dort genutzt werden. "
    Prominente Persönlichkeiten und internationale Konzerne
    In den Daten tauchen viele Prominente auf, darunter ein ehemaliger Nato-Oberbefehlshaber, der über eine Briefkastenfirma an einem Glücksspielunternehmen beteiligt ist. Und einer der engsten politischen Berater des kanadischen Premierministers Trudeau. Er hat mutmaßlich dem Kanadischen Staat mit Hilfe von Briefkastenfirmen Steuern entzogen.
    Ebenso tauchen Sport-, TV- und Musikstars in dem Leak auf, so etwa der Sänger der Popgruppe U-2, Bono.
    Die "Paradise Papers", die in Deutschland von NDR, WDR und SZ ausgewertet wurden, zeigen zudem, wie internationale Konzerne versuchen, mit verschachtelten Firmen-Konstruktionen ihre Steuerschuld kleinzurechnen. Darunter Apple und Nike.
    "Steueroasen unterwandern die Demokratie"
    Markus Meinzer von der Nicht-Regierungsorganisation Tax-Justice-Network: "Steueroasen unterwandern die Demokratie. Sie verhindern es, das mächtige Akteure zur Rechenschaft gezogen werden, wenn diese etwa Steuern verkürzen, wenn diese Geldwäsche betreiben, Interessenkonflikte verbergen."
    Der Paradise-Papers-Datensatz wurde zunächst der Süddeutschen Zeitung zugespielt. Sie hat die Daten mit dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten und dutzenden anderen Medienorganisationen weltweit geteilt. Darunter auch New York Times, der Guardian und Le Monde.
    Alle Rechercheergebnisse werden ab sofort weltweit veröffentlicht.