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Paradise Papers
Schäubles Angst vor zu viel Transparenz

Die Paradise Papers machen erneut deutlich, dass die EU-Länder zu wenig gegen Steuerflucht und Steuervermeidung tun. Dabei gibt es ein Werkzeug, das den Kampf deutlich erleichtern könnte: sogenannte öffentliche Länderberichte. Doch die lehnen manche EU-Staaten strikt ab - unter anderem auch Deutschland.

Von Sebastian Schöbel und Lena Kampf | 14.11.2017
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht.
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). (picture alliance)
    Mit den Enthüllungen der Paradise Papers wird erneut deutlich, dass die EU-Länder zu wenig gegen Steuerflucht und Steuervermeidung tun. Dabei gibt es ein Werkzeug, das den Kampf deutlich erleichtern könnte: Öffentliche Länderberichte für Konzerne, in denen sie anzeigen müssen, wo sie wie viel verdienen und was sie an den jeweils zuständigen Fiskus abführen. Doch auf EU-Ebene hängt dieses "country-by-country-reporting" bei den Länderregierungen fest, die so viel Transparenz skeptisch sehen. Allen voran: Deutschland, unter (Ex)-Bundesfinanzminister Schäuble. Sebastian Schöbel und Lena Kampf berichten.
    Der Euro wurde stabiliert, die Banken solider gemacht, die Krise überwunden: Bei seinem letzen Auftritt auf europäischer Bühne, beim Treffen der europäischen Finanzminister im Oktober, zählte Wolfgang Schäuble nochmal die Erfolge auf, die er als Deutschlands oberster Kassenwart mit errungen hat. Und erwähnte ganz zum Schluss: Ja, auch beim Kampf gegen die legale und illegale Steuervermeidung sei Europa
    "Große Schritte vorangekommen, ohne dass wir am Ende dieses immer mühsamen Prozesses sind."
    EU-Länder könnten weitaus mehr tun
    Wobei die größte Hürde nicht nur die Kreativität von Steuerberatern oder die Profitsucht großer Unternehmen ist. Es sind auch die EU-Länder selbst, die nicht jede Maßnahme ergreifen, die möglich wäre.
    Zum Beispiel die sogenannte "öffentliche länderspezifische Berichterstattung" bei Steuern: Die soll internationale Konzerne dazu zwingen, offenzulegen, wie viel sie verdienen, und vor allem wo, damit die Gewinne auch dort versteuert werden, wo sie anfallen.
    Ein Vorschlag, den die EU-Kommission bereits 2016 gemacht hat. Und zwar für EU-Konzerne und int. Firmen, die in der EU Geschäfte machen, ab einem Jahresumsatz von 750 Mio Euro. Einerseits eine Maßnahme für mehr Fairness im Wettbewerb. Andererseits, so der damalige EU-Kommissar Jonathan Hill:
    "Ich hoffe, dass es Vertrauen in Europas Steuersysteme aufbaut."
    Der Austausch von Konzernsteuerdaten zwischen den Steuerbehörden ist in der EU inzwischen beschlossene Sache - öffentlich aber sind diese Informationen nicht. Weil vor allem Wolfgang Schäuble sich immer wieder dagegen ausgesprochen hat.
    "Und das ist so bitter", sagt der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold. "Denn die Steuertransparenz ist etwas, was man in Europa im Mehrheitsverfahren beschließen kann. Damit hat das Veto Deutschlands in dieser Frage, faktisch den Vorschlag der Kommission, Steuertransparenz für die Öffentlichkeit zu schaffen, torpediert."
    Widerstand gegen öffentliche Steuerberichte
    Wobei es nicht nur Schäuble allein war: Auch andere Länder sind strikt gegen die öffentlichen Steuerberichte. Das geht aus vertraulichen Protokollen deutscher Diplomaten hervor, die dem ARD-Europastudio vorliegen.
    So erklärte laut den Mitschriften zum Beispiel Schweden im September auf EU-Ebene: Man sei gegen die Veröffentlichung solcher Informationen, die ja möglicherweise wettbewerbsschädigend sein könnten. Und wer entscheidet, ob dem so ist? Für Schwedens Regierung ganz eindeutig:
    "Die Unternehmen wüssten am besten, ob es sich um eine sensible Information handelt."
    Und Maltas Vertreter argumentierten: Man dürfe von Europas Unternehmen nicht mehr Offenheit verlangen als von der int. Konkurrenz.
    "Wenn auf der einen Seite beraten werde über den Schutz von europäischen Unternehmen vor Übernahmen und bei der Gewährung von Exportkontrollen, müsse das auch gelten für die Offenlegung von Steuerforderungen, wenn dadurch Betriebsgeheimnisse offenbart werden könnten."
    Ähnlich sahen es laut den internen Mitschriften auch Zypern, Irland und Luxemburg - Länder, die in der Vergangenheit immer wieder wegen fragwürdiger Steuerdeals auffällig geworden sind - und nun zum Teil auch wieder in den Paradise Papers auftauchen.
    Im Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zu den Panama Papers erklärte Wolfgang Schäuble seinen Widerstand gegen die öffentlichen Steuerberichte noch etwas anders: Man habe sich auf internationaler Ebene ja auf Transparenzstandards geeinigt. Die EU könne natürlich darüber hinaus gehen, den Unternehmen mehr abverlangen.
    "Natürlich sind wir nicht rechtlich gehindert. Aber weitere Fortschritte werden dadurch sehr viel schwerer, wenn wir uns an das, was wir global vereinbaren, nicht halten."
    Sprich: Zu viel Transparenz-Wille der Europäer schade wohlmöglich dem internationalen Kampf gegen Steuerfluchts, meint Schäuble. Eine These, die im Licht der Paradise Papers eventuell neu bewertet wird. Dann allerdings von einer neuen Bundesregierung.