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Parents for future
"Ich fühle mich auch schuldig, deshalb bin ich hier"

Bei den unter dem Motto "Fridays for Future" stehenden Klimastreiks gehen weltweit Schüler auf die Straße. Dabei mischen sich unter die Demonstranten immer mehr Eltern. Als "Parents for future" unterstützen sie ihre Kinder - aus Solidarität, aber auch aus Schuldbewusstsein.

Von Dieter Nürnberger | 15.03.2019
Monika Snela-Deschermaier hält ein Protestplakat mit der Aufschrift "Parents for future" in die Höhe.
Nicht nur Kinder, auch ihre Eltern beteiligen sich an den bundesweiten Protestaktionen "Fridays for future" für den Klimaschutz (picture alliance/Peter Zschunke/dpa)
"Die Kinder hier sind alle noch Idealisten, die wollen noch was von der Welt. Sie wollen etwas verändern. Und sie glauben auch, dass es funktionieren kann. Die Erwachsenen, die sich da hinstellen und sagen, ihr wollt nur die Schule schwänzen - das ist so tragisch. Deshalb sind wir heute hier: Parents for future!"
Für diese 37-jährige Berlinerin ist die Teilnahme an den Schülerprotesten für einen besseren Klimaschutz heute Pflichtprogramm. Zwar ist ihre Tochter erst knapp zwei Jahre alt - aber am Kinderwagen ist ein selbstgemaltes Pappschild angebracht: "Parents for future" in neonroten Buchstaben. Sie haben sich als Familie vor dem Bundeswirtschaftsministerium versammelt.
"Auf keinen Fall ist das hysterisch"
Man hat sich mit anderen Elternpaaren locker verabredet und trotz tausender Teilnehmer auch gefunden. Von den "Parents for future" hat die Mutter im Internet gelesen - die Losung findet sie gut, deshalb das Pappschild, doch vernetzt sind sie nicht. Private Solidarität mit den Schülern ist ihnen wichtig - sie und ihr Mann verfolgen die Demonstrationen mit Sympathie. Dass die schulstreikenden Schüler vermehrt auch kritisiert werden, für die beiden unverständlich: "Auf keinen Fall ist das hysterisch. Wenn wir uns die Faktenlage anschauen, dann ist es eine bittere Zukunft. Oder auch jetzt schon eine bittere Gegenwart, in der wir leben."
Natürlich sind sie als Erwachsene bei den "Fridays for Future"-Demonstrationen eine Minderheit. Ihre Kinder sind irgendwo auf dem Platz, treffen sich in ihren Klassenverbänden. Doch die Schülerproteste der vergangenen Wochen haben auch sie wachgerüttelt. "Gabriele for Future" - diesen Slogan auf einem Pappschild hat sich eine 58-jährige Mutter und Großmutter, wie sie betont, gut sichtbar um den Hals gehängt.
Sie sei beeindruckt - und ein wenig erinnert sie sich auch an ihre eigene Jugend, in den 70er-Jahren, sagt Gabriele, damals sei sie gegen die Atomkraft auf die Straße gegangen: "Das hier ist genau richtig. Das fühle ich auch. Wie eine Invasion. Ganze Schulen kommen hierher. Das macht mich sehr glücklich. Wir müssen den Politikern sagen, dass sie handeln müssen. Es gibt keine Ausreden mehr."
Inzwischen gehen auch einzelnen Ältere auf die freitägliche Schülerdemo. Eine rüstige Rentnerin beispielsweise. Sie steht etwas abseits und verfolgt das Geschehen, sie habe sich am Morgen ganz spontan entschlossen. "Wir, unsere Generation, hat ja im Grunde im Wohlstand und auch Frieden gelebt. Wir haben das ausgenutzt und den Samen gelegt, für die, die hier stehen. Viele entscheiden jetzt und vergewaltigen die Zukunft. Also ich fühle mich da auch schuldig. Deshalb bin ich hier."
"Dagegen muss man etwas tun"
Dieses Elternpaar steht zusammen mit ihren zwei Sprösslingen zusammen, die Kids tollen um sie herum, und Papa gibt zu, dass er extra seine Arbeitsschicht so gelegt hat, dass er heute dabei sein. Ein Zeichen setzen, sagt er - privat und auch öffentlich.
"Wir haben kein Auto. Wir fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch mit dem Fahrrad. Wir ernähren uns hauptsächlich von Bioprodukten. Wir versuchen zu tun, was wir können. Klar, wir leben alle nicht zu 100 Prozent nachhaltig. Das tun die wenigsten. Ich kann auch als Einzelperson etwas bewegen, aber die großen Entscheidungen müssen politisch getroffen werden. Für mich ergibt es beispielsweise überhaupt keinen Sinn, dass Bahnfahren teurer ist als fliegen. Das ist aber eine politische Entscheidung. Hier werden einzelne Sektoren der Wirtschaft unterstützt. Und das verstehe ich nicht. Deshalb ist es wichtig, dass ich auch meinen Kindern zeige, dagegen muss man etwas tun. "
Für die meisten Eltern ist es nicht die erste Demonstration ihres Lebens. Manchmal jedoch ist die letzte aber auch schon etwas länger her. Doch im Gegensatz zu früher kann die ältere Generation den Protest der Jüngeren vielleicht besser nachvollziehen.
"Ich bin Vater von zwei Kindern. Die werden von den Folgen sehr betroffen sein. Mehr, als wir davon betroffen sind."