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"Paris 1900"
Weltausstellung der guten Laune

Eine ambitionierte Schau widmet sich der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900. Elegante Roben und bunte Theaterplakate des Nachtlebens lassen Paris um die Jahrhundertwende als ein nicht enden wollendes Fest erscheinen. So wird an vielen Stellen die Vielschichtigkeit der Epoche ausgeblendet.

Von Björn Stüben | 21.04.2014
    Blick auf die "Esplanade des Invalides" auf der Weltausstellung in Paris 1900.
    Blick auf die "Esplanade des Invalides" auf der Weltausstellung in Paris 1900. (dpaBlick auf die "Esplanade des Invalides" auf der Weltausstellung in Paris 1900. )
    Es ist selten der Fall, dass der Besucher schon mitten ins Ausstellungsthema eintauchen kann, während er noch draußen vor dem Eingang Schlange stehen muss. Denn momentan ist das Petit Palais in Paris selbst einer der architektonischen Höhepunkte der ambitionierten Schau, die in seinem Innern gezeigt wird. "Paris 1900" ist die mit über sechshundert Exponaten zur Superlative gehörende Ausstellung betitelt, die sich der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 widmet, und zu deren Anlass eben das Petit Palais im Stil eines verspielten Historismus einst errichtet wurde. Christoph Léribault, Ausstellungskurator und auch Direktor des Petit Palais erinnert an die Besonderheit jener Weltausstellung:
    "Die Weltausstellung von 1900 stand unter der Schirmherrschaft der 'Parisienne', der schönen, jungen, modisch gekleideten und charmanten Frau aus Paris. Es war keine politische Weltausstellung und es ging noch nicht einmal um kommerzielle Rivalitäten zwischen den einzelnen Staaten. Sie sollte vielmehr Völker verbindend sein und eher gute Laune verbreiten, denn sie bot viele Annehmlichkeiten. So konnte man etwa kleine Cafés überall zwischen den Pavillons finden. Da wundert es nicht, dass sie auch über 50 Millionen Besucher anzog, was erstaunlich ist, bedenkt man, dass Frankreich damals noch nicht einmal 40 Millionen Einwohner zählte."
    Tatsächlich ist sie der Blickfang in der ersten der sechs Sektionen der Schau, die schöne "Parisienne", allegorisch überhöht mit dem Stadtwappen, das ein Segelschiff zeigt. Dieses ist auf das körperbetonende rosa Seidenkleid gestickt. Die Figur schwebt über der Weltausstellungskulisse. Einer der originalen Eingänge von Jugendstilmeister Hector Guimard für die 1900 als Prestigeobjekt eingeweihte Pariser Metro spiegelt ebenso die Technikbegeisterung der Zeit wie die Filmausschnitte, die das Fließband zeigen, auf das Zeitgenossen aufsprangen, um sich bequem durch die Weltausstellung schleusen zu lassen.
    Paris als Hauptstadt der Künste
    Dem floralen Jugendstil ist ein Saal gewidmet, in dem Vitrinen voller Vasen, Tafelsilber und Schmuck von Lalique und Gallé mit Wandteppichen abwechseln. Ein imposanter Gobelin feiert hier die Kolonialmacht Frankreich, verkörpert von einer schlanken, modischen Frau, die, Soldaten im Safari-Look im Schlepptau, den afrikanischen Kontinent betritt und dabei von schönen Wilden neugierig bewundert wird. Paris als Hauptstadt der Künste wird im folgenden Saal thematisiert. Einer der Schwerpunkte der Schau? Christoph Léribault:
    "Die Schau kann sicher nicht alle Aspekte der Zeit um 1900 behandeln, aber der Mythos der Belle Époque, das Bild des vergnügungssüchtigen Paris, das allen Gesellschaftsschichten etwas zu bieten hatte, steht im Mittelpunkt. Die herrschende Freiheit der Zeit, sich auf Neues einzulassen, ließ damals nicht nur englische Prinzen oder russischen Adel nach Paris kommen, sondern eben auch junge Künstler wie Picasso und alle aufstrebenden Talente. Paris zog sie alle einfach an."
    Da hängen sie nun alle vereint und dicht gedrängt, die Bilder von Monet, Degas, Sisley oder Pissarro im Stil des Impressionismus und konventionellere naturalistische Milieustudien etwa des von Gouvernanten und spielenden Kindern bevölkerten Jardin du Luxembourg von Albert Edelfelt. Renoirs Klavier spielende Frauen kontrastieren mit Ernest-Georges Bergès' "Besuch im Eisenwalzwerk", das die feine Gesellschaft zeigt, die wie bei einem Zoobesuch auf schwitzende Fabrikarbeiter hinunterschaut. Cézannes meisterliches Porträt des Kunsthändlers Ambroise Vollard fehlt ebenfalls nicht in der Ausstellung.
    Dass jedoch avantgardistische Bilder von Cézanne oder Monet vom Kunstbetrieb weit weniger geschätzt wurden als die gefälligeren Werke der erfolgreichen Salonmaler, davon handelt die Schau genauso wenig wie von der sozialen Tristesse, der Toulouse-Lautrec oder Degas so oft in ihren Bildern nachspürten. Elegante Roben und bunte Theaterplakate des Pariser Nachtlebens lassen Paris um 1900 vielmehr als ein nicht enden wollendes Fest erscheinen. So wird an vielen Stellen die Vielschichtigkeit der Epoche ausgeblendet, um das Bild des sich selbst feiernden Pariser Bürgertums nicht zu verzerren. "Paris 1900" war eben eine Weltausstellung "der guten Laune".