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Paris
Frankreich besiegt das Trauma von Saint Denis

Wie würde sich Frankreichs Nationalmannschaft schlagen, in jenem Stadion, vor dem sich vor fast genau einem Jahr drei Menschen in die Luft gesprengt hatten? Das fragten sich viele Franzosen gestern Abend. Dabei war die Angst im Stadion noch zu spüren.

Von Barbara Kostolnik | 12.11.2016
    WM-Qualifikationsspiel Frankreich-Schweden, das 1:1 durch Pogba
    WM-Qualifikationsspiel Frankreich-Schweden, das 1:1 durch Pogba (dpa/picture alliance/Journois)
    Spätestens als das volle Stadion inbrünstig die Marseillaise a capella sang, stellte sich Gänsehaut ein, im Stade de France – es war, als sängen sich die Menschen ihre Ängste von der Seele. Denn natürlich waren die wenigsten so blauäugig zum Spiel gefahren wie Leo und seine beiden Freunde: "Ich hab echt überhaupt nicht dran gedacht", sagte er vor dem Spiel. Sein Freund Yannick mischt sich ein: "Wir denken nicht zu oft da dran, wir wollen ein Spiel sehen, wir wissen, dass der Jahrestag ist, wir gehen auch zur Gedenkfeier. Aber jetzt ist Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, wir wollen einen schönen Abend verbringen"
    Verdrängen scheint zu diesem schönen Abend dazuzugehören – auch Aurore ist bestens gelaunt, sie hat 250 km im Bus gesessen, und will jetzt unbedingt das Spiel sehen: "Ich möchte sofort ins Stadion, ein kleines bisschen ist mir mulmig, ich habe einen neun-Monate alten Sohn, aber hey, wir dürfen keine Angst haben." Sprichts und zieht mit der Trikolore von dannen.
    David ist auch zum Stadion gefahren, aus purem Trotz, sagt er – die französischen Farben hat er sich auf die Stirn gemalt. Er sagt: "Meine Frau ist nicht mitgekommen, sie hat zu viel Angst, jetzt schickt sie mir ständig jede Menge SMS und fragt, ob alles ok ist. Aber ehrlich: wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, müssen weiterleben, weiter ins Stadion und in Konzerte gehen, weitermachen"
    Fest ohne Knall
    Überraschend viele Familien mit Kindern sind im Stade de France, und natürlich wird überall kontrolliert, wenn auch etwas weniger streng als während der Euro im Sommer. Dabei ist auch an diesem Abend der Präsident im Stadion – wie schon vor fast exakt einem Jahr – und Francois Hollande hat endlich einmal wieder Grund zu feiern.
    Nach einer ersten Schreck-Sekunde in der zweiten Halbzeit – Emil Forsberg hatte die Schweden tatsächlich in Führung gebracht, drehten die Franzosen den Spieß schnell um, Pogba erzielte den Ausgleich und Payet gleich noch das 2:1 hinterher. So blieb es bis zum Ende - den französischen Fans gefiels. "Ein schöner Sieg, sie haben gut gespielt," hörte man überall, oder: "Es ist nochmal gut gegangen, zwischenzeitlich hatten wir Angst, aber jetzt sind wir sehr zufrieden."
    Die Angst war zwar irgendwie doch ein ständiger Begleiter an diesem Abend – aber die Franzosen haben ihr die Stirn geboten, wie Bilal: "Viele Menschen sind hierhergekommen, weil sie zeigen wollten, dass sie ein Recht haben, sich zu amüsieren, in diesem mythischen Stadion. Wir haben tolle Tore gesehen und ein schönes Fest gefeiert" Ein schönes und ein friedliches Fest. Denn das war Allerschönste – neben den Toren: es hat nicht geknallt, beim Stade de France.