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Pariser Klimaabkommen
"Kein gutes Zeichen, dass Europa hier der Bremsklotz ist"

Während China und die USA noch vor dem G20-Gipfel das Pariser Klimaabkommen ratifiziert haben, zögern die europäischen Staaten noch damit. Dahinter steckten industriepolitische Gründe, sagte Matthias Groote, SPD-Abgeordneter im EU-Parlament, im DLF. Um den Vorgang zu beschleunigen, müsse öffentlicher Druck aufgebaut werden.

Matthias Groote im Gespräch mit Georg Ehring | 05.09.2016
    Der SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote sitzt am 19. Februar 2013 im Tagungsraum des Umweltausschusses im EU-Parlament in Brüssel.
    "Europa sollte nicht hinter Amerika, aber auch nicht hinter China zurückliegen", sagte Matthias Groote im DLF. (picture alliance / dpa / Wolf von Dewitz)
    Georg Ehring: China und die USA als Vorreiter im Klimaschutz, daran müssen wir uns erst noch gewöhnen. Bisher sahen sich die Europäische Union im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen gerne in dieser Rolle. Beim Pariser Klimagipfel im vergangenen Jahr halfen sie, die High Ambition Coalition zu schmieden, die Koalition für hohe Ambitionen auf diesem Gebiet. Mit Erfolg: Schließlich kam ja auch ein recht ambitioniertes Abkommen dabei heraus. Doch ratifiziert haben es die Staaten Europas noch nicht, und darüber möchte ich jetzt mit Matthias Groote sprechen. Er ist SPD-Abgeordneter im EU-Parlament. Guten Tag, Herr Groote!
    Matthias Groote: Guten Tag, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Groote, woran hakt es?
    Groote: Uns liegt der Vorschlag vor. Der Ratifizierungsvorschlag ist dem Rat, aber auch dem Europäischen Parlament vorgelegt worden, und das Europäische Parlament kann abstimmen.
    Ehring: Da war die Leitung gerade ganz schlecht, Herr Groote. Können Sie das vielleicht noch mal wiederholen? - Wir müssen noch mal neu anwählen. Die Leitung ist ganz schlecht.
    Wir haben Matthias Groote wieder erreicht, SPD-Abgeordneter im Europaparlament. Wir wollten mit ihm sprechen über das Thema, wann ratifiziert die Europäische Union das Klimaschutzabkommen von Paris, nachdem China und die USA dies zum Gipfel der G20 in Hangzhou getan haben. Herr Groote, woran hakt es bei der Europäischen Union?
    Groote: Erst mal muss man sagen, uns liegt der Vorschlag der Europäischen Kommission vor. Das Europäische Parlament stimmt im Umweltausschuss, dem federführenden Ausschuss, jetzt am 8. September ab. Und voraussichtlich im ersten Oktober-Plenum kann dann die Ratifizierung im Parlament abgeschlossen werden. Aber uns bereitet Kopfzerbrechen, dass der Rat, das heißt, die 28 Minister, die Fachminister noch kein Treffen anberaumt haben. Und von unserer Seite ist der Wunsch da, dass man vor der Cop 22 das Ganze auch im Umweltrat schon behandelt hat, um ganz klare Zeichen nach Marrakesch zu senden.
    Ehring: Gibt es denn Staaten in der EU, die bei der Ratifizierung noch zögern?
    Groote: Ja. Angesichts der Nicht-Terminierung eines Umweltrates, wo das Thema behandelt werden soll, scheinen da mehrere Staaten dahinter zu sein. Aber selbst in der Bundesregierung herrscht ja Uneinigkeit darüber, dass man das Ganze auf die lange Bank schiebt. Da ist ja zu hören, dass vielleicht im November das Ganze angeschoben wird. Ich glaube, das ist kein gutes Zeichen, dass Europa hier der Bremsklotz ist und China und die USA das Ganze schon ratifiziert haben.
    Ehring: Was sind denn die Gründe? Was vermuten Sie dahinter?
    Groote: Sicherlich spielen industriepolitische Gründe eine Rolle und sicherlich auch die Reform des Emissionshandels-Systems, dass sich einzelne Staaten dort nicht bewegen wollen, dass sie Nachteile fürchten. Aber wir haben das ja gerade in den vorigen Beiträgen auch gehört, dass eine intelligente Industriepolitik sicherlich ein ausgewogenes Verhältnis aus ökonomischen, aber auch ökologischen Interessen hat. Und das Thema Energie sparen, der effiziente Umgang mit Energie, wird in Zukunft auch über die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft entscheiden und des Industriestandorts Deutschland. Insofern sollte man die Ärmel hochkrempeln und anpacken.
    "Man sollte die Ärmel hochkrempeln und anpacken."
    Ehring: Es gab ja einige Länder, vor allem Polen, auch andere osteuropäische Länder, die beim Klimaschutz eher zögerlich sind. Kann es sein, dass diese Länder noch Zugeständnisse versuchen herauszubekommen?
    Groote: Diese Länder haben schon Zugeständnisse bekommen, und zwar bei der Reform in 2009. Und ich glaube nicht, dass man gut beraten ist, hier den EU-Binnenmarkt, in dem einen Land manchen wir mal die Vorschriften, hier gehen wir mal ein bisschen was, dann franst das Ganze aus. Wir haben ja sowieso schon große Schwierigkeiten mit dem Vielleicht-Austritt des Vereinigten Königreiches, dass man einen Wettlauf der Standards nach unten hin startet. Insofern müsste man dort klare Kante zeigen: Ein Standard für Europa.
    Ehring: Sie haben gerade Großbritannien angesprochen und auch Deutschland. Deutschland macht es sich nicht besonders eilig mit der Ratifizierung. Wie kommt das?
    Groote: Da stehen industriepolitische Interessen natürlich dahinter und es ist eine Abwägung. Da tobt ein Lobby-Kampf der einzelnen Bereiche auch. Auch einzelne Sektoren versuchen, da für sich Dinge herauszuholen und Konkurrenzvorteile zu schaffen. Ein vernünftiger Abwägungsprozess muss dort stattfinden, dass man keine Sektoren bevorteilt, so wie es in der Vergangenheit der Fall war. Wir kennen das ja noch, dass einzelne Sektoren sogar noch Geld verdient haben mit Emissionshandels-Zertifikaten. Sondern die Zertifikate müssen gerecht verteilt werden und derjenige, der eine Tonne CO2 in der Atmosphäre parkt, muss dafür bezahlen.
    "Da tobt ein Lobby-Kampf der einzelnen Bereiche"
    Ehring: Wenn alle ratifizieren, aber die Maßnahmen Mangelware sind, wird Paris zum Papiertiger?
    Groote: Alle lagen sich in den Armen in Paris und alle haben das als großen Durchbruch gefeiert. Und das ist ja wie im richtigen Leben immer der Fall: Wenn es dann an die praktische Umsetzung geht, dann kann man Dinge wirklich versauen, oder dass sie vernünftig organisiert werden. Und ich glaube, wir sind gerade an einem wirklich neuralgischen Punkt, wo es darauf ankommt, dass man auch öffentlichen Druck organisiert, sagt: Leute, das Ding muss umgesetzt werden. Wir haben nur eine Welt und wir sollten keinen großen Versuch hier starten, wo der Punkt ist und wo die Temperatur erreicht wird, wo wir einen irreparablen Schaden an unserem Globus herbeiführen. Deswegen sollte Europa nicht hinter Amerika, aber auch nicht hinter China zurückliegen.
    Ehring: Herzlichen Dank! - Das war der SPD-Europaabgeordnete Matthias Groote. Die Europäische Union und die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens war unser Thema.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.