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Parlament in Polen besetzt
Kaczynski spricht von Putschversuch

Seit Tagen halten Oppositionspolitiker in Polen den Plenarsaal des Parlaments besetzt, um gegen das Vorgehen der Regierung gegen Abgeordnete zu protestieren. Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, sprach von einem Putschversuch. Inzwischen suchen beide Seiten nach Kompromissen.

Von Florian Kellermann | 28.12.2016
    Der polnische PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski vor dem Logo der Partei.
    PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski wirft der Opposition einen Putschversuch vor. (AFP / Janek Skarzynski)
    Selbst den Heiligen Abend haben die Oppositionsabgeordneten im Plenarsaal des polnischen Parlaments, dem Sejm, verbracht. Ihre Familien durften sie nicht besuchen - zum traditionellen gemeinsamen Brechen der Oblaten gingen sie also nach draußen. Tag und Nacht halten die Politiker der rechtsliberalen Bürgerplattform und der liberalen Partei Die Moderne abwechselnd Wache. Und das werde auch über Silvester so bleiben, sagt Monika Rosa von Die Moderne:
    "Hier geht es darum, Verantwortung für den Staat zu zeigen. Wenn die PiS weiterhin das Recht verletzt, dann führen wir die Besetzung des Sejms fort."
    In der Woche vor Weihnachten war der politische Streit eskaliert, während der Abstimmung über den Haushalt für das kommende Jahr. Der Parlamentspräsident der rechtskonservativen Regierungspartei PiS verwies einen Oppositionsabgeordneten des Saals. Seine Parteikollegen wollten sich damit nicht abfinden und besetzten die Parlamentstribüne. Nicht minder radikal fiel die Reaktion der PiS aus: Sie versammelte sich in einem Nebenraum - und stimmte dort über Haushalt und andere Gesetze ab.
    Krise könnte Polen finanziell schaden
    Das sei notwendig gewesen, erklärte der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski später. Mit der Besetzung der Parlamentstribüne habe die Opposition einen Putschversuch unternommen. Drastische Worte, die seit Tagen für Diskussionen sorgen. Der PiS-Fraktionsvorsitzende Ryszard Terlecki räumte ein:
    "Das war ein etwas operettenhafter Putsch. Aber in jener Nacht, als die Anhänger der Opposition sich vor dem Sejm versammelten, als diese sich sehr aggressiv verhielten und Abgeordnete angriffen, da haben wir gesehen: Die Anspannung ist groß, und die Anhänger einer Destabilisierung sind bereit, sehr weit zu gehen."
    Die Krise könnte Polen nicht nur politisch, sondern auch finanziell schaden. Ein Teil der Beobachter nämlich hält die Abstimmung über den Haushalt 2017 für ungültig. Sollte das auch die EU-Kommission so sehen, könnte sie Fördermittel zurückhalten. Recherchen des Fernsehsenders TVN ergaben, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die Abstimmung korrekt ablief. Tatsächlich könnten neun Abgeordnete weniger teilgenommen haben als im Protokoll vermerkt.
    Suche nach einem Kompromiss
    Auch im Regierungslager gibt es inzwischen Stimmen, die einen Kompromiss fordern, so Hochschulminister Jaroslaw Gowin:
    "Wir sollten nicht alle Konflikte gleichzeitig austragen und darauf zielen, unser Programm nicht bis Ende der Legislaturperiode vollständig umzusetzen, sondern es auf sieben Jahre zu verteilen. Wir sollten uns auch überlegen, ob wir nicht von einigen Konfliktfelder zurücktreten sollten. Dann können wir ruhige Gespräche mit dem Teil der Opposition beginnen, der dazu bereit ist."
    Noch genau zwei Wochen haben die Abgeordneten Zeit, um die Parlamentskrise beizulegen. Denn dann nimmt der Sejm seine Arbeit wieder auf. Im Moment jedoch spricht viel dafür, dass die Opposition auch dann noch den Plenarsaal blockieren wird - und die PiS in einem Nebenraum weitere Gesetze beschließt.