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Parlamentarisches Kontrollgremium
"Kernaufgabe immer im Geheimen"

Die Kontrolle der Geheimdienste durch den Bundestag soll reformiert werden. Clemens Binninger, der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, hat im Deutschlandfunk vor unrealistischen Erwartungen gewarnt. Die Arbeit des Gremiums werde sich zwar verändern, aber es werde auch künftig geheim getagt, sagte der CDU-Politiker.

Clemens Binninger im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 04.03.2014
    Clemens Binninger (CDU) spricht im Bundestag
    Clemens Binninger (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Tobias Armbrüster: Das sogenannte Parlamentarische Kontrollgremium soll so etwas sein wie die Oberaufsicht des Bundestags über die Geheimdienste in Deutschland, aber was genau in diesem Gremium passiert, das weiß niemand so richtig, denn die Sitzungen, die finden hinter verschlossenen Türen statt - Einzelheiten dringen nur sehr selten nach außen. In den letzten Monaten gab es außerdem einige Kritik an diesem Gremium. Vor allem hieß es, diese Gruppe habe im Laufe der NSA-Spähaffäre nicht genügend scharfe Zähne gezeigt, die Parlamentarier hätten nicht genug nachgefragt. Jetzt soll die Arbeit dieser Geheimdienstwächter transparenter werden. Am Telefon ist Clemens Binninger von der CDU, der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Schönen guten Morgen, Herr Binninger!
    Clemens Binninger: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Binninger, was genau soll sich ändern?
    Binninger: Wir haben ja im Gesetz einige Befugnisse, dass wir diese Nachrichtendienste aufsuchen dürfen, wir dürfen Mitarbeiter befragen und wir dürfen uns Akten vorlegen lassen, und zwar zu den Dingen, die wir möchten. Das ist die Theorie und die Gesetzeslage. In der Vergangenheit sah es aber so aus, dass man diese Befugnisse auch mangels personeller und zeitlicher Ressourcen so gut wie gar nie anwenden konnte, sondern man hat sich beschränkt auf die wenigen Sitzungen, und das war natürlich im Ergebnis zu wenig. Und das wollen wir vor allen Dingen ändern.
    Armbrüster: Wir haben jetzt gehört, dass die Arbeit des Kontrollgremiums außerdem ein bisschen transparenter werden soll. Wie soll das laufen?
    Binninger: Da will ich zu große Erwartungen auch dämpfen, weil das, was wir jetzt ändern werden in den nächsten paar Wochen, Monaten bis zur Sommerpause - der Aufbau eines operativen Stabes, etwas mehr Personal, die in unserem Auftrag dann auch Kontrollbefugnisse ausüben können - das können wir weitestgehend über eine neue Geschäftsordnung abbilden. Wenn wir mehr noch ändern wollen, Stichwort Öffentlichkeit, dann wird es dazu einer Gesetzesänderung bedürfen. Das braucht dann etwas mehr Zeit. Und beim Thema Öffentlichkeit will ich einfach sagen, dass wir die Nachrichtendienste kontrollieren, und diese Kontrollen und das, was wir da zu besprechen haben, alles sehr sensibel ist und weitestgehend ja auch geheim sein muss, hat seinen Grund. Sonst wären wir da auch nicht zur Kontrolle in der Lage. Ich verschließe mich aber nicht, wenn man mehr öffentliche Elemente will, aber sie werden nicht der Kern unserer Arbeit sein können.
    Dinge, die wirklich die Öffentlichkeit nicht vertragen
    Armbrüster: Haben denn die Leute, die Sie da befragen, tatsächlich große Angst davor, dass Nachrichten aus diesem Kontrollgremium nach außen dringen?
    Binninger: Dazu müssen wir einfach sehen, dass wir ja hier auch über Themen reden wie Bekämpfung des internationalen Terrorismus, wo es um gewünschte und gewollte Kooperationen, Zusammenarbeiten geht; wo es um Operationen geht, die sehr heikel sind. Wir haben auch das Schicksal von Entführten auf der Tagesordnung - so weit kann ich gehen, ohne mehr zu sagen -, und das sind alles sehr sensible Dinge, die wirklich die Öffentlichkeit nicht vertragen. Daneben, das sehe ich aber schon auch ein, kommen wir ja auch ein- oder zweimal in der Legislatur zu einem Bericht. Wir bewerten diese Kontrolltätigkeit, wir bewerten auch die Informationspflicht der Behörden. Und da mehr öffentliche Elemente vorzusehen, da verschließe ich mich nicht. Aber die Kernaufgabe, die werden wir immer auch im Geheimen machen müssen. Deshalb ist ja auch jede Fraktion mit einem vom Parlament gewählten Mitglied vertreten. Das sind quasi auch die Stellvertreter unserer Kollegen des Bundestages.
    Armbrüster: Das heißt, Herr Binninger, wenn ich Sie da richtig verstehe, wir könnten es in den kommenden Monaten oder Jahren erleben, dass aus diesem Kontrollgremium hinaus ein Minister oder ein Ministerium ganz öffentlich kritisiert wird für zum Beispiel mangelnde Auskunft im Gremium?
    Binninger: Das können wir heute schon. Das werden wir auch etwas präzisieren, dass, wenn das Gremium der Auffassung ist, dass man hier unzureichend informiert wurde über einen bestimmten Sachverhalt. Die Bewertung eines Sachverhalts können wir öffentlich machen, den Sachverhalt selber im Detail nicht. Also, solche Elemente sehen wir vor, und die wollen wir auch ein Stück weit ausbauen. Aber ich will eben diesen etwas unrealistischen Erwartungen vorbeugen, als wenn hier das Gremium öffentlich tagen könnte. Obwohl man dazu sagen muss, der Eindruck während der NSA-Affäre war ja eher, dass wir öffentlich tagen als nichtöffentlich. Das hat aber der Arbeit des Gremiums auch nicht gutgetan.
    Armbrüster: Herr Binninger, es gab außerdem häufiger Klagen von einzelnen Mitgliedern aus diesem Gremium, die haben wir hier im Deutschlandfunk und auch in vielen anderen Sendern und Tageszeitungen immer wieder gehört, dass die Mitglieder in dieser Runde nicht entschieden genug nachfragen, sondern dass die geladenen Gesprächspartner dort eher so eine Art Referat abhalten und dann wieder gehen. Soll sich auch an dieser Arbeitsweise ändern?
    Nie ein ganz normaler Bundestagsausschuss
    Binninger: Das wird ja solange so bleiben, solange wir uns eben auf unsere normalen Sitzungen konzentrieren. Da muss man Realist sein. Dass man in einer beschränkten Zeit mit vielen Gesprächspartnern und vielen Themen kaum ein Thema ins Detail vertiefen kann. Das ist einfach auch den Ressourcen geschuldet. Und deshalb sage ich ja auch, wir, das lässt das Gesetz schon zu, bauen uns einen operativen Stab auf aus der Bundestagsverwaltung, die Stellen haben wir schon. Mit diesem Stab, den wir dann beauftragen, sind wir in der Lage, das ganze Jahr Themen und Fragestellungen nachzugehen, vor Ort bei den Nachrichtendiensten, dass dann dort Akten vorgelegt werden, dass Mitarbeiter befragt werden und dass dann wieder im Gremium wieder berichtet wird. Das ist ja der eigentliche, glaube ich, Gewinn unserer Kontrolltätigkeit, dass wir nicht nur, wenn wir zu Sitzungen zusammenkommen, dann eine Menge an Fragen stellen oder eine Menge an Themen haben, die man in ein paar Stunden gar nicht abarbeiten kann, sondern dass wir eben mit einem operativen Stab das ganze Jahr in der Lage sind, Aufgaben zu erledigen, Fragen zu stellen und auch Themen aufzuarbeiten. Das wird, glaube ich, der größte Unterschied sein, damit müssen wir auch ein bisschen Erfahrung sammeln. Und deshalb war auch meine Vorstellung, dass wir dann zur Hälfte der Legislaturperiode die Instrumente, die wir jetzt eben neu anwenden, dann auch noch mal bewerten und dann aber eben auch sehen müssen, brauchen wir vielleicht auch noch Gesetzesänderungen an der einen oder anderen Stelle.
    Armbrüster: Ganz kurz, Herr Binninger: Wird das dann ein ganz normaler Bundestagsausschuss?
    Binninger: Nein, es wird nie ein ganz normaler Bundestagsausschuss sein, weil wir immer die Dinge, die wir zu besprechen haben, überwiegend geheim erörtern müssen. Und es unterscheidet sich auch insofern, dass ja die Mitglieder, anders als andere Ausschüsse, die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ja vom Bundestag in geheimer Wahl gewählt werden.
    Armbrüster: Das Parlamentarische Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste steht vor einer Reform. Wir sprachen darüber mit Clemens Binninger, dem Vorsitzenden des Gremiums. Vielen Dank für das Gespräch!
    Binninger: Bitte, Herr Armbrüster!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.