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Parlamentswahl in Großbritannien
Die Revolution frisst ihre Kinder

Den Rechtspopulisten von UKIP droht bei den britischen Unterhauswahlen der Absturz. Von 13 Prozent im Jahr 2015 könnte die Partei auf drei oder vier Prozent abstürzen. Viele ihrer Wähler wollen für Theresa May stimmen. UKIP wird nicht mehr gebraucht - zumindest vorerst nicht mehr.

Von Friedbert Meurer | 07.06.2017
    Nigel Farage, Ex-UKIP-Chef mit traurigem Gesichtsausdruck
    Nigel Farage, Ex-UKIP-Chef (PHILIPPE HUGUEN / AFP)
    Die Nigel Farage Show im Londoner Talkradio LBC. Der frühere Vorsitzende von UKIP ist unter die Radio-Moderatoren gegangen, seitdem er nicht mehr Parteivorsitzender ist. Es ist der Abend des Tages, an dem Theresa May gerade Neuwahlen angekündigt hat. Nigel Farage plaudert, er sei übers Wochenende beim Fischen gewesen, sei in Stansted mit dem Flugzeug gelandet und habe dann die Neuigkeit erfahren.
    "Auf meinem Handy blinkte die Nachricht auf, jawohl, Theresa May hat sich für Neuwahlen entschieden." Farage macht sich lustig darüber und spielt erst einmal mehrere ältere Redeausschnitte der Premierministerin ein, in denen sie felsenfest geschworen hatte, es werde keine Neuwahlen geben.
    Farage empfiehlt May
    "Wenn Sie sicher sind, Brexit heißt Brexit, ich wähle Theresa May, dann rufen Sie hier an!" Auch Hörer, die UKIP gewählt haben, rufen an und erklären erwartungsgemäß, dass sie jetzt nicht mehr UKIP, sondern Theresa May wählen wollen.
    "Die Stimme UKIPs ist sehr wichtig. Aber am Ende des Tages kommen wir zu einem Punkt, dass wir jetzt Parlamentswahlen haben. Die einzigen Leute, die jetzt für uns den Unterschied bedeuten, dass wir unseren Brexit bekommen, das sind die Konservativen."
    Wähler laufen in Scharen davon
    Die Revolution frisst ihre Kinder. UKIP hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Großbritannien die EU verlässt. Zum Dank laufen ihr die Wähler in Scharen davon. Fast vier Millionen Stimmen hat die Partei 2015, bei der letzten Wahl, erhalten – ein verlockendes Reservoir für die Tories. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts hatte UKIP nur einen einzigen Wahlkreis gewonnen. Und ausgerechnet dieser Abgeordnete verließ vor zwei Monaten UKIP, voll der Schadenfreude.
    "Ich rede hier als erster und letzter Abgeordneter von UKIP. Über das Wahlergebnis freue ich mich sehr", frohlockte Douglas Carswell zum Ausgang der Regionalwahlen vor einem Monat. UKIP hatte gerade eine krachende Niederlage erlitten. "3,8 Millionen Menschen unterstützen UKIP beim letzten Mal, weil wir so begeistert von der Aussicht auf das Referendum waren. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass Theresa May ein Mega-Mandat erhält, um den für uns besten Deal mit der EU abzuschließen."
    "Man kann ihr nicht trauen"
    Carswell galt der Parteispitze schon lange als Verräter. Zuletzt soll er hintertrieben haben, dass Nigel Farage zum Mitglied des Oberhauses ernannt wird – als Belohnung dafür, das Land aus der EU herausgeführt zu haben.
    In den Umfragen liegt UKIP jetzt bei nur noch drei oder vier Prozent. Bei der letzten Unterhauswahl waren es noch 12,6 Prozent, ein Jahr davor bei der Europawahl sogar 24 Prozent. Verzweifelt versucht die neue UKIP-Spitze, das Ruder noch herumzureißen. Das Motto lautet: traut Theresa May nicht!
    "Sie hat ihre Meinung unglaublich oft geändert, man kann ihr nicht trauen", zieht Graham Eardley die Glaubwürdigkeit Mays in Frage. Eardley kandidiert im Osten Wolverhamptons für die Unterhauswahl. "Nur eine Stimme für UKIP führt dazu, dass der Brexit auch umgesetzt wird."
    Punktet UKIP doch noch mit einem Thema?
    "Für den Augenblick sind wir der Polizist", sagt Eardleys Parteifreund Paul Jewell. "Wir sorgen für, dass das auch gemacht wird. Jetzt müssen die richtigen Deals gemacht werden. Politiker sind dafür nicht geeignet, denn die meisten haben keine Ahnung von der Wirtschaft."
    Paul Jewell lässt damit auch anklingen, dass UKIPs Zukunft in der außer-parlamentarischen Opposition liegt. Vielleicht auch in der Radikalisierung? Im Wahlbezirk Lewisham hat UKIP Anne Marie Waters aufgestellt. Sie war die Chefin von Pegida Großbritannien. Nach den Terroranschlägen jetzt könnte UKIP dann doch mit einem eigenen Thema punkten: dem Kampf gegen den Islam.