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Parlamentswahl in Schweden
Knappes Rennen

Die Schweden wählen heute eine neue Regierung. In den Meinungsumfragen zeichnet sich ein knappes Rennen ab. Ein Regierungswechsel und damit die Ablösung der Mitte-rechts-Allianz von Ministerpräsident Reinfeldt durch ein Mitte-links-Bündnis unter Stefan Löfven scheint möglich. Der Arbeitsmarkt und die Bildungspolitik könnten die ausschlaggebenden Themen sein.

Von Tim Krohn | 14.09.2014
    Eine schwedische Flagge an einem Kleidungsstück
    Eine schwedische Flagge an einem Kleidungsstück (dpa / Romain Fellens)
    Es ist die letzte Umfrage des schwedischen Fernsehens. Und der Kommentator vor dem Reichstag in Stockholm macht unmissverständlich klar: Die Wahl heute in Schweden wird doch spannender als erwartet.
    Ministerpräsident Reinfeldt holt auf. Seine bürgerliche Regierungsallianz kommt demnach auf 41 Prozent. Das sind satte zehn Prozent mehr als noch zu Jahresbeginn. Das rot-grüne Lager der Opposition mit Stefan Löfven an der Spitze liegt bei 43 Prozent, der Vorsprung also schmilzt bedrohlich. Erklärungsversuche des Kandidaten Löfven:
    "Es gibt ja immer unterschiedliche Umfragen. Und auch wenn die Zahlen sich jetzt verändern. Wir spüren den Wunsch nach einem politischen Wechsel."

    Stefan Löfven kann sich da nicht so sicher sein. Denn auch am heutigen Wahltag sind ein Drittel aller Schweden noch unentschieden, für wen sie ihre Stimme abgeben werden. Und Regierungschef Reinfeldt ist sicher: Die Schweden würden es sich gut überlegen.
    "Wir, die Moderaten, sind es, die weiter sparen wollen. Die anderen wollen Geld verschwenden. Dass das nicht gut ist, haben die Wähler jetzt begriffen."
    Reinfeldts Regierungsbilanz nach acht Jahren kann sich durchaus sehen lassen. Schweden hat sich von der weltweiten Wirtschaftskrise schneller erholt als andere. Die Mittelschicht wurde entlastet, der Sozialstaat trotzdem erhalten. Allein - es wird sich nicht auszahlen, vermutet der innenpolitische Chefredakteur des schwedischen Rundfunks, Fredrik Furtenbach:
    "Die Meisten glauben an einen Regierungswechsel, dass die Sozialdemokraten gewinnen und Stefan Löfven den Auftrag bekommt, eine neue Regierung zu bilden. Es geht darum, wer unser Land am geschicktesten regieren kann. Und es geht darum, wem man am ehesten vertrauen kann. Das ist im Moment noch der letzte Trumpf von Ministerpräsident Reinfeldt. Aber das Vertrauen in ihn hat insgesamt doch sehr nachgelassen. Bisher wurde er ja vor allem durch die Krise in der EU gerettet. Aber jetzt sind die Zahlen schon so lange schlecht - da ist es wahrscheinlich, dass er verliert. Auch wenn man das nie ganz sicher vorhersagen kann."
    Schweden in der Bildungsmisere
    Die Zahlen, von denen Furtenbach spricht, kommen vor allem vom Arbeitsmarkt. Schwedens Ökonomie kommt nicht richtig in Fahrt, die Zahl der Arbeitslosen liegt heute sogar etwas höher als vor acht Jahren, als Reinfeldt zum ersten Mal gewann. Und genau das werde wohl der Knackpunkt sein, sagt Furtenbach.
    Ein anderes zentrales Wahlkampfthema der Schweden ist die Schulpolitik. Beim Pisa-Test fielen Schwedens Schüler tiefer als alle anderen, das Land steckt in der Bildungskrise.
    Viele sehnen sich da nach vermeintlich "guten alten Zeiten" und machen ihr Kreuz gleich ganz rechts außen. Die fremdenfeindliche Partei der "Schwedendemokraten" könnte heute Abend der heimliche Sieger sein.
    "Wir haben die Schwedendemokraten, die die Einwanderung in unser Land kräftig einschränken möchten. Eigentlich hat diese Partei ihre Wurzeln im rassistischen Milieu der Skinheads, auch wenn sie jetzt versucht, etwas bürgerlicher zu wirken. Im Reichstag sind sie bislang völlig isoliert, keine der anderen Parteien möchte mit denen zusammenarbeiten. Aber die Partei hat immer mehr Anhänger."
    Bis zu zwölf Prozent der Stimmen könnten die Rechtsextremen heute holen, es wäre ein Rekordergebnis. Womöglich sind es genau die Stimmen, die den traditionellen Lagern am Ende fehlen. Ein politisches Patt ohne klare Mehrheiten scheint nach dieser Reichstagswahl nicht mehr ausgeschlossen.