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Parlamentswahl in Spanien
Katerstimmung bei der Protestpartei Podemos

Die Protestpartei Podemos gilt als großer Verlierer der spanischen Parlamentswahlen. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, die Sozialisten als stärkste linke Kraft abzulösen. Stattdessen verlor sie rund 100.000 Stimmen. Nun atmen die Sozialisten zwar auf - doch auch sie stehen vor einer harten Zerreißprobe.

Von Hans-Günter Kellner | 27.06.2016
    Ein Anhänger der linken Podemos-Partei schwenkt am Wahltag in Madrid eine Fahne.
    Wollten den Sozialisten den Rang ablaufen: Anhänger feiern die linke Podemos-Partei in Madrid am Tag der Parlamentswahlen in Spanien. (AFP / Gerard Julien)
    Politiker, Wirtschaftsführer und Journalisten treffen sich bei der Wahlparty einer berühmten Madrider PR-Firma. Das Unbehagen angesichts einer möglichen Regierungsbeteiligung der linken Protestpartei Podemos ist bei den Managern spürbar. Der Vorstandschef der Spanientochter eines großen deutschen Konzerns hört nachdenklich den Eindrücken einer mexikanischen Journalistin zu und sagt dann:
    "Ich persönlich habe schon lange in Spanien gesagt, dass wir eine Große Koalition bräuchten in Spanien. Wir haben das nicht gehabt. Wir sehen jetzt die Polarisierung der Gesellschaft zwischen der Volkspartei und Podemos. Die Parteien in der Mitte, die versucht haben, zusammen zu reden, haben verloren. Wir werden sehen, was kommt." - "Es könnte ja Podemos mit den Sozialisten regieren." - "Hoffe ich nicht."
    Doch die Sorgen erweisen sich als unbegründet. Schon früh am Abend zeichnet sich ab, dass die einzigen Stimmengewinne die regierende Volkspartei verbucht. Ein paar Tausend Anhänger vor dem Sitz der Konservativen in Madrid skandieren sogar den Schlachtruf von Podemos, "Sí se puede", die spanische Version von "Yes we can". Partei- und Regierungschef Mariano Rajoy scheint überrascht von dem guten Ergebnis, eine Rede hat er nicht vorbereitet, erst nach Mitternacht tritt er vor seine Anhänger:
    "Hinter uns liegen vier komplizierte und schwierige Jahre. Aber Spanien erholt sich. Wir liegen auf dem richtigen Kurs. Wir werden ihn weiterverfolgen. Wir haben die Wahlen gewonnen und wir werden wie immer dem spanischen Volk dienen."
    Podemos wollten den Sozialisten den Rang ablaufen
    Im allgemeinen Jubel der Anhänger gibt es aber auch ein paar nachdenkliche Stimmen. So sagt diese Frau:
    "Mir wäre lieber, wir hätten eine Regierungsmehrheit. Es wird schwer, sehr schwer. Vielleicht bekommen wir im Laufe der Nacht ja noch ein paar Stimmen dazu."
    Am Ende bestätigt sich: Die Volkspartei verbessert ihr Ergebnis zwar klar von 29 auf 33 Prozent, doch die Regierungsbildung wird auch diesmal nicht leicht. Als großer Wahlverlierer gilt hingegen die Protestpartei Podemos. Sie verlor rund 100.000 Stimmen, und das, obwohl sie diesmal gemeinsam mit den Postkommunisten angetreten ist.
    Dabei wollte Podemos den Sozialisten den Rang ablaufen, sie zum Juniorpartner in ihrer Regierung machen. Dies hat nicht geklappt. Entsprechend groß ist die Katerstimmung bei der Wahlparty vor dem Königin-Sofia-Museum in Madrid. Diese Frau sitzt ratlos auf dem Boden:
    "Enttäuschend. Wir sind in derselben Situation wie im März. Ich verstehe es einfach nicht. Vielleicht waren die Menschen enttäuscht, weil wir uns nicht mit den übrigen Parteien über eine Regierungskoalition verständigen konnten. Das war wohl wichtig."
    Aufatmen bei den Sozialisten
    Am Ende rufen die Anhänger Durchhalteparolen der südamerikanischen Linken, die linken Fäuste werden in den Himmel gestreckt. Aufatmen hingegen bei den Anhängern der Sozialisten. Auch sie haben Stimmen verloren, sind aber wenigstens die stärkste Kraft im linken Lager geblieben. Von ihnen wird es abhängen, ob Mariano Rajoy regieren kann. Auf der Straße vor dem Parteisitz der Sozialisten diskutiert diese Frau mit ihrer Tochter über eine mögliche Große Koalition:
    "Ich fände es enttäuschend, wenn sie mit der Volkspartei paktieren würden. So arrogant und korrupt die sind."
    "Ich fände es gut. So haben die Leute nun mal abgestimmt. So lange die sich gegenseitig kontrollieren, die Korruption eingedämmt wird und gerechte Gesetze erlassen werden ... Das wichtige ist, dass so regiert wird, wie die Leute abgestimmt haben. Das ist nur folgerichtig."
    Eine weitere mögliche Variante schlagen Politologen vor. Spaniens Sozialdemokraten könnten sich auch enthalten und so Rajoy die Regierungsbildung ermöglichen, sie selbst würden aber dennoch weiter in der Opposition bleiben. Wie sie letztlich aber auch entscheiden, die alte Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens steht vor einer harten Zerreißprobe. - Vom Brexit sprachen in dieser Nacht übrigens wie schon im Wahlkampf weder Kandidaten noch Anhänger.