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Parlamentswahlen in Estland
Die Angst vor dem großen Nachbarn

In Estland haben seit dem Morgen die Lokale für die Parlamentswahlen geöffnet. Wegen der Ukraine-Krise ist vor allem die Sicherheitspolitik ein großes Thema. Estland befürchtet - wie auch die beiden anderen ehemaligen Sowjetstaaten Lettland und Litauen - territoriale Ansprüche Russlands.

Von Randi Häussler | 01.03.2015
    Der estnische Ministerpräsident Taavi Roivas am 12. 2. 2015 beim EU-Gipfel in Brüssel.
    Umfragen zufolge könnte die bisherige Regierung der wirtschaftsliberalen Reformpartei um Ministerpräsident Taavi Rõivas im Amt bleiben und weiter eine Regierung mit den Sozialdemokraten bilden. (imago/Xinhua)
    Seit acht Uhr mitteleuropäischer Zeit haben in Estland die Wahllokale geöffnet. Gut ein Fünftel aller Wahlberechtigten haben ihr Kreuzchen schon vorher von Zuhause aus gemacht – mit einem Mausklick im Internet. Das E-Voting gibt es im High-Tech-Land Estland bereits seit zehn Jahren. Doch die meisten Menschen geben ihre Stimme nach wie vor in einem der Wahllokale ab. So auch Arho, er ist Anfang 40 und wählt in der Hauptstadt Tallinn. Ihn bewegt in diesen Tagen vor allem das russische Gebaren im Ukraine-Konflikt.
    "Ja, ich mache mir Sorgen. Ich finde, dass die estnische Sicherheit die allerwichtigste Frage im Moment ist."
    " Die alliierten Streitkräfte sind sehr willkommen"
    Dass die regierende Reformpartei an der Macht bleiben und Geld in die militärische Infrastruktur investieren will, findet er richtig. Die NATO müsse mehr in Estland verankert werden.
    "In der jetzigen Lage, in der Estland es nicht schafft, alle notwendigen Mittel selbst bereitzustellen, um die Sicherheit zu gewährleisten, sind die alliierten Streitkräfte sehr willkommen, und wir müssen alles dafür tun, dass sie sich hier wohlfühlen und hier feste Basen einrichten."
    Neben der Außen- und Sicherheitspolitik hat Estland weitere Herausforderungen zu bewältigen. Aus der Euro-Krise hat sich das schwer angeschlagene Land aus europäischer Sicht geradezu vorbildlich heraus gespart. Doch die Gehälter im Land sind niedrig und die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu vor der Krise hoch. Viele junge, qualifizierte Kräfte wandern ins Ausland ab.
    "Die Menschen sollte man dabei nicht vergessen"
    Eine junge Frau, die im Begriff ist, ihr Kreuz in einem der Wahllokale von Tallinn zu machen, findet, dass es an der Zeit ist, die Prioritäten anders zu setzen.
    "Es ist natürlich wichtig, dass es den Unternehmen gut geht. Aber die Menschen sollte man dabei nicht vergessen. In letzter Zeit ist die Wirtschaftspolitik auf Kosten der Menschen gegangen ist."
    Umfragen zufolge könnte die bisherige Regierung der wirtschaftsliberalen Reformpartei um Ministerpräsident Taavi Rõivas im Amt bleiben und weiter eine Regierung mit den Sozialdemokraten bilden. Allerdings könnte es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der derzeitigen Oppositionspartei um Edgar Savisaar kommen. Vor allem die Stimmen der Rentner – und die der russischsprachigen Minderheit dürften er und seine Zentrumspartei bekommen.
    Obwohl die Zentrumspartei keine eindeutig prorussische Partei ist, hegen viele Esten Misstrauen gegen Savisaar. Er hat von allen Politikern die engsten Kontakte nach Moskau und tendiert eher dazu, diese noch mehr zu verstärken, um Estlands Sicherheitslage zu verbessern.