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"Parsifal" in Bayreuth
Den Glauben in die Tonne kloppen

Opern-Regisseur Uwe Eric Laufenberg macht es sich zu einfach, wenn er in seiner Bayreuther Inszenierung den Parsifal auf eine einfache Botschaft herunterbricht: Religion ist Teufelswerk. Dabei macht das Orchester seine Sache gut. Und Klaus Florian Vogt als Parsifal intoniert seinen Part wie ein schönes Lied.

Von Christoph Schmitz | 26.07.2016
    Eine Gruppe von Männern auf einer Theaterbühne stehen um einen aus einzelnen Wunden blutenden Mann herum. Die Operlamm-Szene.
    Probenfoto der Parsifal-Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg (Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath)
    Eigentlich hatte alles gut angefangen. Hartmut Haenchen im Graben ließ ein samtig dahinfließendes Vorspiel erklingen, klar strukturiert waren die Bögen, bewegt die Tempi, die Atmosphäre nicht überhitzt. Auch später sollte dem Dirigenten vieles gelingen. Vornehm hielt er sich zurück, diente dem Werk, dem Musiktheater, machte seine Sache erstaunlich gut dafür, dass er kurzfristig eingesprungen war für den flüchtigen Andris Nelsons.
    Auch auf der Bühne ließ es sich gut an. Wir sehen das Innere einer alten Kirche irgendwo in der syrischen Provinz heute. Der Bürgerkrieg hat Wunden ins alte Gemäuer gerissen. Die Mönche haben Flüchtlinge für die Nacht untergebracht. Freundlich, friedlich, fürsorglich gehen sie mit den Menschen um. Allen voran Gurnemanz, gesungen von Georg Zeppenfeld mit geschmeidigem, wohlklingendem Bass und tragender Bühnenpräsenz.
    Bei Tagesanbruch müssen die Zivilisten den Kirchenraum verlassen. Regierungssoldaten durchkämmen das Areal, als suchten sie nach Aufständischen oder islamistischen Terroristen.
    Laufenberg versimpelt den Kult des Opferlamms zu Kannibalismus
    Regisseur Uwe Eric Laufenberg hat den esoterischen Kreis der Gralsritter zurückgeführt zu seinen christlichen Grundlagen und eingebunden in die Kriegswirren der Gegenwart. Das ist bis hierher Laufenbergs Verdienst. Seiner Kundry gibt er zudem die Würde zurück. Sie muss bei ihm nicht schnaubend und stöhnend durch den Staub kriechen. Sie ist eine selbstbewusste Muslima, so scheint es.
    Probenfoto von Parsifal: Mit dem Parsifal, der letzten Oper von Richard Wagner, werden die Bayreuther Festspiele eröffnet.
    Probenfoto von Parsifal: Mit dem Parsifal, der letzten Oper von Richard Wagner, werden die Bayreuther Festspiele eröffnet. (picture alliance / dpa / Festspiele Bayreuth / Enrico Nawrath)
    Die russische Sopranistin Elena Pankratova singt die Rolle mit klarer, leuchtender Stimme, kräftig in den Tiefen, hochdramatisch und kultiviert zugleich. Dann der Gralsritus: Laufenberg feiert eine Heilige Messe und nimmt die katholische Liturgie wortwörtlich.
    Amfortas, der Priester, ist Jesus, dornengekrönt, gefoltert, Wundmale an Händen und Füßen. Das Opferlamm wird auf dem Altar geschlachtet, ein Mönch schiebt ihm in die Seitenwunde einen Nagel, Blut strömt aus dem ganzen Körper hervor, die Mönche trinken es, um sich zu stärken. So versimpelt Laufenberg den Kult zum Kannibalismus. Mit den freundlichen Klosterbrüdern vom Anfang hat das nichts mehr zu tun. Ein Widerspruch in sich. Aber es kommt noch schlimmer:
    Christen, Juden, Muslime kloppen den Glauben in die Tonne
    Klingsors Zauberwelt im zweiten Aufzug ist ein orientalisches Bad, ein Hamam, in dem Klingsor einen perversen Kreuzkult treibt mit masochistischen Einlagen. Seine Blumenmädchen sind Frauen in Burka, die ihre schwarzen Gewänder ablegen, wenn Parsifal hinzukommt, und ihn wie ein Harem aus Huren umschmeicheln. Aber wieso hat Klingsor überhaupt Macht über diese Frauen? Wieso hat er Macht über Kundry? Was hat ein Kreuzfetischist im Syrien des Bürgerkriegs zu suchen?
    Alles in allem ein kruder und zusammenhangloser Zeichenwust, der darüber hinaus noch in unfreiwillige Komik übergeht: Wenn Parsifal mit dem Speer das vermeintliche Zauberreich einstürzen lässt, fallen in Bayreuth nur ein paar Kreuze aus Klingsors Wohnung klappernd auf die Straße.
    Szenisch weit hinter Vorgängerinszenierungen zurück
    Spätestens hier ist aber klar, was die Regie uns vor allem sagen möchte: Religion ist Teufelswerk. Religionen verleiten den Menschen zu bizarren und mörderischen Taten. Am Ende des dritten Aufzugs füllen Christen, Juden, Muslime Titurels Sarg mit ihren kultischen Symbolen. Salopp formuliert: Sie kloppen den Glauben in die Tonne. Sie wollen endlich in eine friedliche Zukunft blicken können. Laufenberg macht es sich zu einfach. Und seine simple Botschaft ist mehr behauptet, als wirklich aus der Komposition heraus entwickelt. Lichtblicke bleiben das Orchester und mancher Sänger wie Klaus Florian Vogt als Parsifal, dessen Part er wie ein schönes Lied intoniert.
    Szenisch bleibt der neue "Parsifal" weit hinter den herausragenden Vorgängerinszenierungen zurück, denen von Christoph Schlingensief und Stefan Herheim. Nach einem schwachen "Tristan" im letzten Jahr, einem schludrigen "Ring" und einem biederen "Holländer" davor dümpelt Bayreuth weiter vor sich hin.