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Partei-Auschluss von Sarrazin
Für die SPD eine Frage der Glaubwürdigkeit

Die SPD-Spitze will es zum zum dritten Mal versuchen: Der umstrittene Autor und frühere Politiker Thilo Sarrazin soll aus der Partei ausgeschlossen werden. Auslöser für das erneute Verfahren soll das jüngste Buch Sarrazins sein. Die gesetzlichen Hürden für einen Parteiausschluss sind jedoch beträchtlich.

Klaus Remme im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.12.2018
    Sarrazin trägt einen grauen Anzug und ein weißes Hemd.
    Thilo Sarrazin hat bereits angekündigt, er behalte sich rechtliche Schritte vor - sollte die SPD ihn aus der Partei ausschließen (imago stock&people)
    Tobias Armbrüster: Der ehemalige Finanzsenator von Berlin und Bestsellerautor, der ist der Parteiführung seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Die SPD hat deshalb jetzt bekannt gegeben, sie will es noch einmal versuchen, Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Klaus Remme in unserem Hauptstadtstudio: Thilo Sarrazin warum kocht diese Personalie jetzt schon wieder hoch in der SPD?
    Klaus Remme: Herr Armbrüster, aus Sicht der SPD lautet die Antwort wohl, weil die Parteien nicht klein beigeben will, weil sie wenigstens die Parteiführung fest davon überzeugt, dass Sarrazin der Partei schadet, seine islamfeindlichen Äußerungen jenseits aller Überzeugungen in der Partei stehen. Warum jetzt? Zwei erfolglose Versuche liegen hinter uns, Auslöser ist aber das jüngste Buch Sarrazins, erschienen im August. Seitdem hat eine fünfköpfige interne Kommission die Möglichkeiten auf einen Ausschluss geprüft, darunter die Politologin Gesine Schwan und die frühere Justizministerin Däubler-Gmelin. Ein unter Verschluss gehaltener Bericht ist offenbar fertig. Gestern wurde beschlossen, es soll nun einen dritten Anlauf, ein drittes Verfahren geben.
    Tobias Armbrüster: Ein drittes Verfahren also, zwei sind bislang fehlgeschlagen. Ist das der Parteien nicht langsam peinlich?
    Klaus Remme: Ja, peinlich, das dürfte wohl die Untertreibung des Morgens sein. Das ist höchst unangenehm. Aber aus Sicht der Partei eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit. Natürlich wissen Nahles und auch Klingbeil, dass sie Sarazin jetzt erstmal auf den Leim gehen. Bis gestern sprach kein Mensch mehr von ihm. Geschweige denn von seinem letzten Buch.
    Heute Morgen ist er wieder auf den Titelseiten von "Bild", von "FAZ", von "der Welt", vom "Tagesspiegel". Er strapaziert die Nerven der Partei seit Langem. Er weigert sich freiwillig zu gehen, bei der Buchvorstellung seines aktuellen Titels sagte er: '"Ich bin seit 45 Jahren Mitglied der SPD, als ich beitrat war Willy Brandt Bundeskanzler. Ich fühle mich in der SPD, in der ich aufwuchs, nach wie vor gut aufgehoben."
    Herr Armbrüster, die Reaktion auf das dritten Verfahren sind gemischt. Hat die SPD keine anderen Sorgen wird in den sozialen Netzen vielfach gefragt. Vom linken Parteiflügel kommt Beifall. Kevin Kühnert sagte heute morgen im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung", das wichtigste Buch für Sarrazin sei immer das Parteibuch gewesen und das sei ein Privileg, dass ihm entzogen gehören.
    "Gesetzlichen Hürden für Ausschluss sind beträchtlich"
    Tobias Armbrüster: Wie wahrscheinlich ist es denn dann jetzt, dass Sarrazin in diesem Fall dann tatsächlich gehen muss?
    Klaus Remmen: Eigentlich unmöglich, das vorherzusagen, ohne den Bericht dieser Untersuchungskommission gesehen zu haben. Ich weiß nicht worauf die SPD in diesem neuen Anlauf gezielt abhebt. Die bekannten Vorwürfe gegen ihn, die plakative Islamkritik, das Schüren von Ängsten, rassistische Argumentation insgesamt, sagen wir mal deutliche Widersprüche zu den Grundwerten der Partei, die werden aus Sicht der Parteiführungen durch das aktuelle Buch wieder gedeckt.
    Aber die gesetzlichen Hürden für einen Parteiausschluss sind beträchtlich. Es ist es nicht unmöglich. Die CDU hat das im Fall Martin Hohmann bewiesen. Heribert Prantl etwa zählte in der SZ eine ganze Reihe von SPD-Ausschlüssen aus den vergangenen Jahrzehnten auf. Interessant übrigens, in der Mehrzahl der Fälle waren die Beschuldigten zu Links nicht zu Rechts.
    Tobias Armbrüster: Was was sagt denn Thilo Sarrazin selbst zu diesem jetzt startenden dritten Ausschlussverfahren?
    Klaus Remme: Also er äußert sich in gleich mehreren Interviews. Schon gestern wurden Zitate bekannt. Er zeigt sich gelassen, spricht von einem innerparteilichen Machtkampf als Ursache für die Vorwürfe gegen ihn. Diese Konfliktlage, die ist für ihn ja nun wahrlich nicht neu, er kennt die schwierige aktuelle Lage der SPD nutzt sie auch argumentativ für sich außen.
    Hier noch mal Sarrazin bei der Buchvorstellung: "Ich bin fest überzeugt, hätte man in der Politik meine damaligen Analysen intensiver studiert dann wäre es meiner eigenen Partei besser ergangen. Es gäbe heute keine AfD im Deutschen Bundestag."
    "Sarrazin behält sich rechtliche Schritte vor"
    Der Beweis einer schweren Schaden für die SPD ist ganz wesentlich für die Begründung eines Parteiausschluss. Und Sarrazin argumentiert jetzt anders herum, hätte man auf ihn gehört, wäre der SPD manches erspart geblieben. Also er ist sich keiner Schuld bewusst. Er habe in keinem seiner Bücher gegen SPD-Grundwerte verstoßen, sagte Sarrazin und behält sich rechtliche Schritte vor.
    Tobias Armbrüster: Gut soweit also dieser aktuelle Fall Thilo Sarrazin. Wir müssen in diesem Zusammenhang noch auf eine andere Partei schauen. Der Name ist gerade schon gefallen: die AfD. Die ist nämlich auch gerade dabei sich von Mitgliedern zu trennen, die nicht so ganz ins Konzept der Parteiführung passen. Aktuell sorgt für Schlagzeilen die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein. Was ist da der Hintergrund?
    Klaus Remme: Ja, ein Mitglied ist übrigens von selbst gegangen gestern. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Uwe kann man hat gestern mitgeteilt seine Fraktion und die Partei wegen unterschiedlicher Auffassungen über die politische Richtung verlassen zu wollen und sein Mandat fraktionslos weiter wahrzunehmen. Sayn-Wittgenstein, wer sich fragt, wo habe ich den Namen schon mal gehört, sie kandidierte vor einem Jahr für den Parteivorsitz, unterlag damals nur knapp wegen ihres Verhältnisses zum als rechtsextrem eingestuften Vereins Gedächtnisstätte, wurde sie bereits als Fraktionschefin der AFD im Landtag von Schleswig-Holstein abgesetzt, jetzt zieht der Bundesvorstand nach. Also beide Fälle Sarrazin und Sayn-Wittgenstein beschäftigen jetzt die jeweiligen Schiedsstellen der Partei. Und ich sagte es, spätere gerichtliche Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen.
    Tobias Armbrüster: Wir warten gespannt. Klaus Remme in unserem Hauptstadtstudio, vielen Dank für diese Details.