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Partei in zwei

Der Bruch der Koalition zwischen SPD und FDP im September 1982 löste bei den Freien Demokraten einen Exodus aus: Linksliberale Mitglieder und Abgeordnete verließen die Partei, in der nun der wirtschaftsliberale Flügel dominierte. Auch die Deutschen Jungdemokraten trennten sich von der FDP und beschlossen am 27. November 1982 ihren Austritt aus der Partei.

Von Wolfgang Stenke | 27.11.2007
    Nach 13 Jahren gemeinsamer Regierung zerbrach Im Herbst 1982 die sozialliberale Koalition von SPD und FDP. Freie Demokraten, die die von Genscher und Lambsdorff initiierte Wende zur CDU nicht mittragen wollten, verließen die Partei. Darunter der komplette Verband der Jungdemokraten, die schon lange ein gespanntes Verhältnis zur Spitze der FDP hatten.

    "Die Jungdemokraten haben ihre Kritik an der FDP auch immer sehr drastisch formuliert. Noch kurz vor diesem endgültigen Bruch haben wir eine Beschlussfassung herbeigeführt, in der die FDP als die Agentur der Kräfte in dieser Gesellschaft bezeichnet wurde, der wir eigentlich die Macht abnehmen wollten."

    Christoph Strässer, damals Vertreter der Jungdemokraten im Bundesvorstand der FDP, heute Bundestagsabgeordneter der SPD.

    "Und das wurde bis zu einem bestimmten Grade von der FDP-Führung goutiert, weil sie schon - Teile davon jedenfalls - gesehen haben, dass man damit auch einen bestimmten Teil der Jugendlichen ansprechen konnte, aber es war schon ab Mitte der siebziger Jahre klar erkennbar, dass die FDP-Führung sich einen angepassteren Jugendverband wünschte. Und das haben sie dann auch, glaube ich, von oben gut auf den Weg gebracht."

    Mit der Gründung der Jungdemokraten im Jahre 1947 knüpfte die FDP an die Tradition eines radikaldemokratischen Jugendverbandes aus der Zeit der Republik von Weimar an. Zunächst eher rechtsliberal orientiert, rückten die "Judos" unter dem Einfluss der studentischen Protestbewegung der 60er Jahre als kapitalismuskritische Gruppierung deutlich nach links. Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre griffen sie ökologische und friedenspolitische Themen auf und kritisierten den von der sozialliberalen Regierung Schmidt und Genscher mitgetragenen NATO-Doppelbeschluss zur Nachrüstung. Es war die Zeit der großen Friedensdemonstrationen in Bonn. Christoph Strässer:

    "Die Jungdemokraten haben sich überwiegend als integraler Bestandteil damals der Nachrüstungsbewegung empfunden. Ich selbst war auch als einer der Initiatoren des Krefelder Appells sehr engagiert. Wir waren für den Ausstieg aus der Atomenergie schon seit Mitte der siebziger Jahre, wir haben dafür gefochten auf Parteitagen. In Mainz, ich kann mich noch gut daran erinnern, damals gegen die Politik von Otto Graf Lambsdorff, also es waren schon sehr große Unterschiede zwischen dem Mainstream in der FDP und dem, was die Jungdemokraten mehrheitlich wollten."

    Der wirtschaftsliberale Flügel der FDP, den Lambsdorff repräsentierte, strebte nach 13 Jahren sozialliberaler Koalition in ein neues Bündnis mit Helmut Kohls Christdemokraten. Der Vorrat an Gemeinsamkeiten mit der SPD war verbraucht. In dieser Situation verfasste Wirtschaftsminister Lambsdorff eine Denkschrift, die empfindliche Kürzungen der Sozialausgaben vorsah, gleichzeitig aber Steuersenkungen forderte. Kanzler Schmidt interpretierte das Papier als "Scheidungsbrief" und maßregelte den Minister im Kabinett. Daraufhin trat Lambsdorff mit seinen freidemokratischen Ministerkollegen zurück. Die sozialliberale Koalition war beendet. Kanzler Schmidt, nunmehr Chef einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung, am 17. September 1982 im Bundestag:

    "Der eine klare Satz hat immer gefehlt und er fehlte auch in dieser Woche, die morgen zu Ende geht, nämlich der Satz: Die FDP steht fest zur sozialliberalen Koalition."

    Wie Helmut Schmidt interpretierten viele Bürger den Koalitionswechsel der FDP als Verrat. Mitglieder und Mandatsträger traten aus oder wechselten die Partei. Auch bei den Jungdemokraten gärte es. Am 27. November 1982 erklärten sie auf einer Delegiertenkonferenz in Bochum die Trennung von der FDP. Christoph Strässer:

    "Auf der einen Seite ist natürlich eine Geschichte zu Ende gegangen, wo auch emotionale Dinge durchgedrungen sind. Auf der anderen Seit war es aber auch ein Stück weit Erleichterung, weil nach all den Entwicklungen vor 1982 es doch absehbar war, dass es irgendwann in dieser Beziehung zwischen Jungdemokraten und FDP nicht mehr weitergehen konnte. Und von daher war dies ein Anlass, auch die Art und Weise damals des Koalitionsbruchs seitens der FDP, der uns das doch ein Stück leichter gemacht hat."

    Von den linksliberalen Jungdemokraten gingen nach dieser Trennung etliche zur SPD und zu den Grünen. Wenig später machte die FDP die wirtschaftsfreundlichen und parteiloyalen Jungliberalen zu ihrer offiziellen Jugendorganisation.