Freitag, 19. April 2024

Archiv


Partei ohne Volk

Selbst für diejenigen, die am vergangenen Sonntag nicht die SPD gewählt haben - und das waren einige - dürfte das Ergebnis, man möchte fast sagen, der einstigen Volkspartei erschreckend gewesen sein. Schaut man auf die Zahlen, so liegt der Schluss nahe: Der Partei bekommt das Regieren nicht.

Eine Sendung mit Beiträgen von Christoph Gehring, Ulrike Greim und Wolfram Stahl. Moderation: Christiane Wirtz | 30.09.2009
    Denn: Noch vor elf Jahren, als Gerhard Schröder ins Kanzleramt einzog, konnten sich die Sozialdemokraten auf 41 Prozent der Wählerstimmen stützen, das sind 20 Millionen Menschen.

    Am vergangenen Sonntag waren es nur noch halb so viele, also 10 Millionen. Doch es gibt auch gute Nachrichten. So überraschend es klingen mag, nach dem Wahldebakel am Sonntag treten plötzlich viele Leute in die Partei ein - zumindest in Berlin. Sei es nun Mitleid oder das Scheitern als Chance, an der Basis jedenfalls herrschen Aufbruch und "Jetzt erst recht"-Stimmung. An der Spitze dagegen dreht sich das Personalkarussell.

    Franz Müntefering muss gehen, der Parteivorsitzende.

    Und auch der Fraktionsvorsitzende Peter Struck hat sich gestern bereits verabschiedet, ihm folgt der Kanzlerkandidat a.D. Frank-Walter Steinmeier.

    Der hatte schon am Wahlabend angekündigt, dass er seine Partei in einer solch desolaten Lage nicht alleine lassen wolle.

    Wolfram Stahl berichtet aus Berlin.



    Die Claqueure im Willy-Brandt-Haus bestätigten artig die gemeinsame, aber auch einsame Entscheidung der Parteispitze. Die gewählten Abgeordneten der Bundestagsfraktion konnten gestern dann gar nicht mehr anders, als Frank-Walter Steinmeier zu ihrem Fraktionsvorsitzenden zu wählen. Die Parteibasis in Berlin Pankow grummelt über dieses selbstgerechte Verhalten.

    "Ich halte von Steinmeier als Mitbegründer der Agenda 2010 als - in Anführungsstrichen - Oppositionsführer der SPD nur übergangsweise was."

    "Auf der einen Seite ist es jetzt ganz gut, dass Steinmeier den Fraktionsvorsitz macht, damit jetzt nicht alles auseinander knallt, das ist sicherlich wichtig. Entscheidend wird jetzt sein, wer jetzt wirklich Parteivorsitzender wird und wer Generalsekretär wird."

    Sigmar Gabriel wird wohl der neue SPD-Vorsitzende werden und Andrea Nahles ist als künftige Generalsekretärin im Gespräch. An der Spitze wird dann also alles neu sein und irgendwie ist bei den Sozialdemokraten doch alles altbekannt, meint Richard Stöss, Politologe an der Freien Universität Berlin.

    "Die SPD macht mal wieder den Fehler, erst Personalfragen zu diskutieren, bevor sie überhaupt analysiert hat, woran es denn eigentlich liegt, dass dieser Abwärtstrend so dramatisch ausgefallen ist, und vor allen Dingen, bevor sie diskutiert hat, wie den die Strategie nun die Strategie in der Opposition sein könnte. Man würde ja erwarten, dass erst einmal die inhaltlichen Fragen geklärt werden, und dass man dann fragt, welche Person kann das denn nach außen vertreten."

    Der Abwärtstrend der SPD habe bereits mit Rot-Grün Anfang 1999 begonnen, sagt Stöss. Mit dem Abgang von Oskar Lafontaine sei damals ein wichtiger Fürsprecher der kleinen Leute und vieler Stammwähler verloren gegangen.

    "Gerhard Schröder ist aufgetreten als der Kanzler der Bosse, als der Auto-Kanzler, was auch immer, aber nicht als der Kanzler, der sich auch um die kleinen Leute kümmert. Jedenfalls hatte er das Image nicht. Das setzte sich dann fort bis hin zu den Hartz-Protesten, Agenda 2010, also die Unzufriedenheit gerade unter der Stammwählerschaft der SPD, also die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, die Unzufriedenheit ist enorm gewachsen."

    Die Berliner Genossen jedenfalls wünschen sich wieder mehr Glaubwürdigkeit und soziale Gerechtigkeit, Basisdemokratie und weniger Führungslosigkeit der Führungsspitze. Die Öffnung nach links sei überfällig, sagt der Pankower Kreisvorsitzende Alexander Götz.

    "Künftig müssen wir diskussionsfähig sein gegenüber Grün und gegenüber Links. Das heißt nicht, dass wir alles akzeptieren, was von da kommt. Ich glaube auch nicht, dass die Lösung darin liegt, dass wir die Linkspartei kopieren. Vielfach kommt einem die Linkspartei so vor, wie SPD plus 120 Euro. Das ist ein Programm, das kommt für uns nicht infrage. Wir müssen intelligente linke Politik betreiben, und ich glaube, dafür gibt es weidlich Raum."

    Den gab es vor dieser Wahl nicht. Die SPD hatte eine Koalition mit der Linken kategorisch ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten waren in dem strategischen Dilemma, dass sie als Regierungspartei keine eigene Macht besaßen und dann trotzdem irgendwie opponieren mussten. Die neue Richtung in der Opposition müsse anders aussehen, meint Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

    "Jetzt haben wir die Möglichkeit klare sozialdemokratische Politik zu machen, ohne Kompromisse eingehen zu müssen."

    Das Wahldesaster der Sozialdemokraten lässt sich deutlich an der Zahl der gewählten Abgeordneten erkennen. Im letzten Bundestag waren es 221 Sitze, übrig geblieben sind nur noch 146 Mandate. Ein Verlust von einem guten Drittel, der zum Nachdenken zwingen sollte, sagt Andrea Nahles:

    "Wir haben hier einen massiven Vertrauensverlust der Wähler, und den muss man aufarbeiten, darum muss es uns gehen in den nächsten Monaten, und es wird kein Sprint, sondern ein Mittelstreckenlauf."

    Nahles plädiert ebenso für ein schonungsloses Tabula rasa wie auch der Berliner Landesverband. Die Rücktritte und die neuen Köpfe legen zwar den Schluss nahe, dass es zu einem Linksruck in der SPD kommen könne, für die Parteibasis in Berlin Pankow ist von vorrangiger Bedeutung, dass in der Partei überhaupt wieder diskutiert und weniger autoritär agiert wird.

    "Die inhaltliche Diskussion muss stärker geführt werden, auch mit der Basis, mit den Menschen. Auch die Glaubwürdigkeit der Abgeordneten muss sich wieder stärker im Volk verbreiten. Das ist in den letzten Jahren definitiv nicht geschehen von oben herab. Und das war gerade für mich in der SPD als Mitglied an der Basis ein großes Problem. Und das muss sich definitiv ändern."


    Eines ist bei der Bundestagswahl ganz deutlich geworden: Die SPD muss die Frage beantworten, wie sie es in Zukunft mit der Linken hält. Auf Landesebene, in Thüringen, wo Ende August ein neuer Landtag gewählt wurde, stellt sich diese Frage derzeit ganz aktuell.

    Denn: Noch heute Abend will die thüringische SPD entscheiden, ob sie nun mit der CDU oder aber mit den Linken in Koalitionsgespräche geht.

    Sollte es zu einem Bündnis mit den Christdemokraten kommen, so dürfte die CDU-Sozialministerin Christine Lieberknecht das Amt der Ministerpräsidentin übernehmen. Läuft es dagegen auf Rot-Rot-Grün hinaus, so ist das Amt noch vakant, denn darauf konnten sich die Parteien bis zur Stunde nicht einigen.

    Unsere Korrespondentin Ulrike Greim über die Balz nach der Wahl.



    "Wir haben jetzt Sondierungsgespräche geführt, die sind heute abgeschlossen worden mit Linke und Grünen. Wir haben nicht in allen Punkten Einigkeit erzielt. Die MP-Frage ist heute nicht entschieden worden am Tisch. Und jetzt werden wir das Ergebnis bewerten und heute auch das Ergebnis bekannt geben."

    Christoph Matschie, der Fraktions- und Landeschef der Thüringer SPD, heute Mittag in Erfurt. Er steht vor einer Traube von Journalisten mit Kameras und Mikrofonen. Alle wollen wissen: Macht es die Thüringer Sozialdemokratie mit den Linken? Und - weit weniger kritisch - mit den Grünen? Matschie verrät nichts. Er hat sich von Anfang an nicht in die Karten schauen lassen, hat gepokert und wusste auch, dass er das muss. Hätte er sichtbar zu einer Seite tendiert, seine Partei wäre ihm aufs Dach gestiegen, wahlweise entweder der linke Flügel oder der gemäßigte, den er vertritt. Er muss beide Seiten zusammenhalten. Die in der Bürgerrechtsbewegung Verwurzelten und die linken Pragmatiker, die wenig Berührungsängste mit der Linkspartei haben. Christoph Matschie weiß, dass er so lange verhandeln muss, bis eine Lösung auch den schärfsten Kritikern als die einzig mögliche erscheint. Noch heute Abend kommt es zum Schwur. Die SPD wird sich entscheiden, ob sie mit der CDU koaliert, die ihr die Tür weit aufmacht oder ob sie den Politikwechsel wählt, für den sie angetreten war.

    "Noch hat dieser Wechsel für viele Menschen in Thüringen keine klaren Ziele, keine klare Gestalt", "

    sagte Matschie auf einem für die Richtung der SPD entscheidenden Parteitag im vergangenen Jahr,

    " "aber wir können diesem Wechsel Gestalt geben, wir können diesem Wechsel klare Ziele geben. Wir können gemeinsam dafür sorgen, dass Menschen in diesem Land wieder eine Perspektive sehen."

    Matschie redet - ein wenig in Anlehnung an sein großes Vorbild Obama - mit erhobenen Händen. Er muss die zwei zerstrittenen Flügel motivieren, zusammenzuarbeiten.

    "Lasst uns all unsere Kraft darauf konzentrieren. Wir haben es in der Hand, Genossinnen und Genossen, dass aus der Hoffnung vieler Menschen in diesem Land endlich auch eine neue Politik wird." (Applaus)"

    Die Thüringer SPD hat es in der Tat in der Hand. Das Ergebnis der Landtagswahl hat sie zur Königsmacherin werden lassen. Eine Mehrheit ohne SPD gäbe es sonst nur - kaum auszudenken - in einer Koalition von CDU und der Linken. Zwar holten die Sozialdemokraten gerade einmal 18,5 Prozent der Wählerstimmen und wurden nur drittstärkste Kraft, aber das Selbstbewusstsein am Wahlabend war erstaunlich. Roland Merten, im Schattenkabinett Matschie für Kultus vorgesehen, runzelt die Stirn bei der Frage, ob seine Partei den möglichen Koalitionspartnern etwas entgegenkommen werde.

    " "Wir werden sehen, wer uns das Maximale anbietet, weil ohne uns niemand regieren wird. Also, es wird sowohl die CDU als auch die Linkspartei - wer immer mit uns koalieren wird - sich maximal bewegen müssen. Wir sind in einer sehr komfortablen Situation, dass ich mir durchaus mehr Prozentpunkte hätte vorstellen können, das ist immer rechnerisch und auch politisch möglich, aber wir haben jetzt eine gute Plattform, Politik zu gestalten."

    Und so verhandelte die SPD auch abwechselnd mit den Linken und den Grünen einerseits, und der CDU andererseits. Während es mit den Christdemokraten in angenehmer Atmosphäre schnell zu den Inhalten ging, gab es für Rot-Rot-Grün zuerst und bis zum Schluss erkennbare atmosphärische Schwierigkeiten. Ausgelöst u.a. durch die klare Ansage der Linken, wie übrigens auch von den Grünen, dass sie zwar mit den Linken koalieren können, aber keinen Linken zum Ministerpräsidenten machen würden. Der Landtagsabgeordnete David Eckardt begründete dies mit der mangelnden Auseinandersetzung der Linken mit ihrer Geschichte. Die Tatsache, dass zwei frühere Stasi-Zuträger Mitglied der Fraktion seien - der alten und der neuen - zeige, dass die Partei noch einen weiten Weg vor sich habe.

    "Weil sich die Linkspartei in Thüringen noch nicht von Grund auf erneuert hat. Solange solche Leute, wie Frank Kuschel und Ina Leukefeld, auf Listenplätzen protegiert und nach vorne geschoben werden, hat diese Partei einfach noch nicht begriffen, welche Verantwortung sie für die Vergangenheit hat und kann daher nicht die Zukunft maßgeblich gestalten. Sie kann mitgestalten - das ist wohl wahr, aber nicht in Spitzenpositionen, wie dem Ministerpräsidenten. Soweit ist die Linkspartei definitiv noch nicht."

    Die Linke hat diese dicke Kröte geschluckt. Spitzenmann Bodo Ramelow hat auf die Staatskanzlei verzichtet. Aber auch SPD-Chef Christoph Matschie sagte gestern, es solle nicht an seiner Person scheitern. Wer aber diesem möglichen Regierungsbündnis vorstehen könnte, ist bis dato noch unklar. Ungeklärte MP-Frage, atmosphärische Schwierigkeiten, offene inhaltliche Fragen - der Landesvorstand muss entscheiden, was er will. Wählt er aber - wofür vieles spricht - Schwarz-Rot, dann wird der linke Flügel Alarm schlagen. Matschie bleibt diplomatisch:

    "Ich glaube nicht, dass hier alter Zwist aufbricht. Natürlich gibt es immer unterschiedliche Positionen innerhalb von Parteien, das ist nicht nur bei der SPD so, sondern auch bei anderen Parteien. Wichtig ist, dass es klare Mehrheiten gibt, und die gibt es in der Thüringer SPD."

    Was für ein Absturz. Von 40 auf 28,5 Prozent fielen die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen. 40 Prozent - das war einmal, das war bei der Bundestagswahl vor vier Jahren. 28,5 Prozent, das ist heute, das ist die bittere Realität -, und das ist die Ausgangsposition, von der aus die Partei in den Landtagswahlkampf 2010 ziehen muss. Einfach wird das nicht.

    Zumal zu erwarten ist, dass der amtierende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bei der anstehenden Wahl in fremden, also in klassisch sozialdemokratischen Gewässern fischen dürfte. Bezeichnet er sich doch selbst gerne als "Vorsitzenden der Arbeiterpartei NRW".

    Der Frust ist groß, kein Wunder. Und so suchen die Genossen nach den Gründen - die auch schnell gefunden sind: Die Rente mit 67, die Mehrwertsteuererhöhung und die Hartz-IV-Gesetze, all das seien Themen, die das sozialdemokratische Herz nicht höher schlagen ließen.

    Unser NRW-Korrespondent Christoph Gehring hat sich an der Basis umgehört.



    Es ist Tag drei nach dem Waterloo der SPD und über Bottrop hängen schwere, graue Regenwolken. Wollte man Klischees bemühen, müsste man wohl sagen, dass das trübe Wetter zur Stimmung von Renate Palberg passt. Renate Palberg ist Sozialdemokratin seit mehr als 40 Jahren, Ratsfrau im Stadtrat von Bottrop seit 20 Jahren und Vorsitzende des Ortsvereins Fuhlenbrock-Heide mit etwas mehr als 100 Mitgliedern. Sie selbst wurde Sozialdemokratin, als das Ruhrgebiet noch treu zur SPD stand und die SPD an der Spitze noch einen Visionär hatte:

    "Willy Brandt war für mich so der Auslöser. Außerdem habe ich ja hier im Ruhrgebiet gesehen: Der Himmel war wirklich grau. Und er hat gesagt: Hier, der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden. Und das war eine Vision, und das war für mich ein Grund."

    Das mit dem blauen Himmel über dem Ruhrgebiet, das ist längst erledigt - unter anderem, weil die Schwerindustrie sich in den letzten 30 Jahren gesundgeschrumpft hat. Mit ihr schrumpfte die Zahl der Arbeiter und damit das ursprüngliche Milieu der SPD. Dann kam Schröder, es kam die Sozialreform des Herrn Hartz und in der Herzkammer der Sozialdemokratie setzte erst Verstörung ein, dann Resignation.

    "Das ist ein ganz schwieriges Thema, weil auch tatsächlich die Ortsvereinsmitglieder sich verweigern. Wir sehen das bei Versammlungen, dass nur noch ein Teil kommt. Also, wenn's ein gutes Drittel ist, dann haben wir Glück."

    Die Schröder-Müntefering-Steinmeier-SPD der "Neuen Mitte" ist einfach nicht die Partei des Ruhrgebiets, sagt Renate Palberg:

    "Wir haben viele Austritte in den letzten Jahren verkraften müssen, wo als Grund die Bundespolitik angegeben worden ist."

    Die Bundespolitik des Kanzlers Schröder - so sehen es die Genossen zwischen Rhein und Weser jedenfalls - die Bundespolitik also soll es auch gewesen sein, die die SPD 2005 in ihrem Stammland die Macht kostete und den CDU-Mann Jürgen Rüttgers zum Ministerpräsidenten werden ließ. Dabei blenden die Sozialdemokraten aus, dass ihre Landespartei nach 39 Jahren in der Regierungsverantwortung ziemlich ausgelaugt war und überdies einen ansehnlichen Berg an Skandalen und Skandälchen aufgetürmt hatte. Seither liegt die NRW-SPD, vielmehr: das, was von der NRW-SPD übrig geblieben ist, ziemlich am Boden. Was wiederum ein Problem für die Bundes-SPD ist. Denn ohne das große Land Nordrhein-Westfalen ist für die Sozialdemokratie im Bund kein Blumentopf zu holen. Das weiß auch die Landesvorsitzende Hannelore Kraft, wenn sie versucht, das Ergebnis ihrer nordrhein-westfälischen SPD bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag in mildem Lichte erscheinen zu lassen. Von 40 auf 28,5 Prozent:

    "Wir liegen knapp 5,5 Prozent über der Bundeslinie, das ist das, was wir in NRW holen können. Mehr können wir uns vom Bundestrend nicht absetzen, da darf man sich nichts vormachen. Das ist die Größenordnung, wie wir uns auch zu Johannes Raus Zeiten absetzen konnten."

    In Köln-Nippes sitzt auf einem Mäuerchen in einem adretten, familienfreundlich geplanten Neubaugebiet Jochen Ott. Auch ihm geht es derzeit politisch nicht gut.

    "Ich bin ja ständig konfrontiert mit dem schlechten Ergebnis, weil meine Schüler, meine Kollegen, weil mich alle drauf ansprechen. Es geht einem natürlich nicht besonders gut."

    Der 35-jährige ist im Hauptberuf Studienrat und ansonsten Vorsitzender der Kölner SPD und stellvertretender Vorsitzender der Landes-SPD. Vor allem aber hat Jochen Ott Erfahrung mit der Bewältigung von Krisen: 2001, da war er gerade mal 27 Jahre alt, musste er als frisches Gesicht an der Spitze die SPD in Köln retten, die damals im Affärensumpf um illegale Parteispenden, Korruption und den Bau einer überdimensionierten Müllverbrennungsanlage unterzugehen drohte. Inzwischen ist die generalüberholte SPD in Köln - zwar knapp, aber immerhin - wieder die stärkste Partei. Wohl deswegen ist Jochen Ott von gusseiserner Zuversicht, dass es mit der NRW-SPD auch wieder aufwärtsgehen werde. Es komme halt auf die richtigen Themen an. Vielmehr: auf das eine richtige Thema.

    "Ich bin der festen Überzeugung, dass eine massive Auseinandersetzung um die Schule der Zukunft geht. Wir sind eines der wenigen Länder, das überhaupt noch das dreigliedrige System hat, in der ganzen anderen Welt gibt es andere Schulsysteme. Wir haben kein vernünftiges Mittagessen für die Kinder. Also von daher, es gibt einen bildungspolitischen Bedarf in diesem Land, und wenn die SPD das, was wir in Programm beschlossen haben, in diesem Wahlkampf den Menschen deutlich macht, dann haben wir eine gute Chance, dass die Menschen uns dafür auch wählen."

    Am 9. Mai nächsten Jahres wird in Nordrhein-Westfalen der nächste Landtag gewählt. Die Prognosen für die SPD sind derzeit schlecht bis unterirdisch. Aber wenn man Jochen Ott, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden, lange genug zuhört, dann weiß man irgendwann um die heilende Kraft der Autosuggestion.

    "Wenn man sich in NRW umguckt, sind wir einer der Landesverbände, in denen in unzähligen Unterbezirken Leute zwischen 30 und 50 in den letzten Jahren die Führung übernommen haben. Und diese neue Generation wird gemeinsam mit Hannelore Kraft dafür sorgen, dass es einen interessanten Alternativentwurf gibt."