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"Die SPD ist zur Sandwich-Partei geworden"

Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner glaubt, dass die SPD ein neues Thema braucht, um aus dem Umfragetief zu kommen. Sowohl von links als auch von rechts bemächtigten sich andere Parteien SPD-typischen Themen, sagte er im DLF. Die Partei habe keinen "unique selling point" mehr - den brauche sie aber, um wieder stärker zu werden.

Klaus-Peter Schöppner im Gespräch mit Thielko Grieß | 20.05.2016
    Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner gibt in Dresden Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung 2014 bekannt.
    Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner (dpa / picture alliance / Matthias Hiekel)
    Thielko Grieß: Wir machen in diesem Programm Meinungsumfragen nicht ständig und regelmäßig zum Thema. Aber die jüngsten Zahlen des ARD-Deutschlandtrends, gestern Abend veröffentlicht, haben uns hier in der Redaktion dann doch ausführlich diskutieren lassen heute Vormittag. Denn der Grund: Mit großem Abstand ist Frank-Walter Steinmeier der Politiker, den die meisten Wähler als SPD-Kanzlerkandidaten bevorzugen. Auch die meisten SPD-Anhänger denken so. Das ist der Steinmeier, der heute Bundesaußenminister ist und der vor sieben Jahren schon einmal probiert hat, Angela Merkel zu besiegen, und die SPD dann mit 23 Prozent zu ihrem bis dahin schlechtesten Bundestagswahlergebnis geführt hat. Wir haben vor der Sendung Klaus-Peter Schöppner telefonisch erreicht. Er ist Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Mentefactum. Meine erste Frage an Klaus-Peter Schöppner: Was überzeugt die Wähler an Frank-Walter Steinmeier?
    Klaus-Peter Schöppner: Na ja. Man muss besser fragen, was überzeugt die Menschen oder vermeintliche SPD-Wähler an den anderen nicht. Politische Entscheidungen sind immer in der Regel die Wahl des kleineren Übels. Tatsache ist, dass die SPD derzeit nicht wirklich den Kopf hat, den die Deutschen sich als Kanzlerkandidaten wünschen, Steinmeier noch am ehesten, aber er profitiert natürlich auch von seiner politischen Position als Außenminister. Außenminister sind immer für das große Ganze, für das Weltgeschehen, für die Vermittlung des Guten zuständig. Diesen Effekt hatten wir bei Genscher, den Effekt hatten wir bei anderen Politikern schon. Politiker, die sich um innenpolitische Probleme kümmern, wie zum Beispiel Sigmar Gabriel, liegen schon von der Seite aus unten und haben eine deutlich schlechtere Prädisposition in den Augen der Wähler.
    Steinmeier in "denkbar schlechter Ausgangsposition"
    Grieß: Staatstragende Sätze, ein Gesicht, aus dem Bedenken sprechen - das ist ja ungefähr Steinmeier vor den Kameras an den diplomatischen Zentren dieser Welt -, das überzeugt die Deutschen?
    Schöppner: Ja, das überzeugt die Deutschen, weil er mit den innenpolitischen Problemen wenig zu tun hat und eigentlich der richtige Staatsmann in dem Sinne ist. Das heißt nicht, dass Steinmeier kein guter Bundeskanzler werden könnte. Bloß, wir haben das ja gesehen an der Wahl 2009: Mit 23 Prozent würde er, wenn er denn ins Rennen gehen sollte, schon von da aus als Verlierer gebrandmarkt, und das wäre auch keine gute Ausgangsposition.
    Grieß: Aber nun heißt es ja, aus Fehlern kann man lernen und aus Erfahrungen kann man lernen. Dann könnte er doch eine Neuauflage versuchen.
    Schöppner: Er steckt ja in einer Klemme. Er ist Außenminister und das ist erst mal sein erster Job. Dazu müsste er sich in die innenpolitischen Probleme hineinbringen, was er als Außenminister wenig kann. Er ist auch nicht SPD-Parteivorsitzender. Von daher hat er eigentlich keine Begründung. Und in einer Situation, wo die Bürger, die Wähler ihn nicht als Innenpolitiker kennen, nicht wissen, welche politische Position er zu den Themen soziale Gerechtigkeit, zum Thema Arbeitsmarkt hat, in dem Augenblick hat er schon von daher eigentlich eine denkbar schlechte Ausgangsposition. Er wird nicht deshalb gewählt, weil er als Außenminister eine zugegebenerweise gute Figur macht.
    "Die SPD hat kein neues Thema"
    Grieß: Schauen wir auf die Strategie Sigmar Gabriels. Der hat ja, als er seine Partei in die Große Koalition geführt hat, gesagt, wir kümmern uns jetzt ganz intensiv um die Schwierigkeiten, die Probleme, die wir ausmachen, die Schwierigkeiten der kleinen Leute zum Beispiel. Da ging es um Rente, da ging es um Arbeitsmarkt. Viele Dinge sind abgearbeitet. Haben Sie schon sich 2013 gedacht, das sind aber jetzt innenpolitische Probleme, diese Strategie wird schief gehen?
    Schöppner: Nein, die Strategie ist von daher gut. Die Deutschen finden immer noch unser System sozial ungerecht. Zwei Drittel beklagen ganz viele Dinge, die bei uns schief laufen, ob das die Chancengerechtigkeit, Familiengerechtigkeit, Generationengerechtigkeit ist, also alles wirkliche Wahlkampfthemen. Das Problem ist nur, dass die SPD da nicht mehr unique ist. Die SPD ist zur Sandwich-Partei geworden. Das heißt, alle Parteien oder viele Parteien sowohl am linken als auch am rechten Rand haben sich deren Themen bemächtigt. Die CDU, Angela Merkel, hat mit dem eingeleiteten Prozess Sozialdemokratisierung der SPD es geschafft, rechte SPD-Wähler für sich zu vereinnahmen. Am linken Flügel lauert die Linkspartei, lauert der linke Flügel der Grünen. Das Wählerpotenzial der SPD ist hier geschrumpft. Von daher hat die SPD kein neues Thema. Sie versucht, sich jetzt auf alte Themen zurückzubesinnen, die andere besetzen, und die wirklichen Probleme, die wir eigentlich haben, geht die SPD nicht wirklich an, und das ist auch ein Problem dafür, dass sie um 20 Prozent herumdümpelt.
    "Gabriels Vergangenheit zeichnet ihn nicht als weisen Staatsmann aus"
    Grieß: An Gabriel liegt es nicht?
    Schöppner: An Gabriel liegt es teilweise natürlich auch, weil er weniger jetzt als Staatsmann, als Vizekanzler, wohl aber aus seinem Vorleben schon eine, sagen wir mal, Vergangenheit hat, die ihn nicht unbedingt als den weisen Staatsmann auszeichnet, als jemand, der schnell Positionen bezieht, der überfallartig Themen besetzt. Nichts desto trotz: Er hat sich schon gewandelt. Aber man muss immer den Vergleich zum Gegenkandidaten aushalten. Von daher ist natürlich Angela Merkel durch ihre Art, die hohes Vertrauen ausstrahlt, die eine relativ homogene und verständliche Politik versucht durchzusetzen, die also nicht sprungartig ist, natürlich die deutlich bessere Ausgangsposition.
    Grieß: Okay. Dann haben wir das ja skizziert. Das ist eine schwierige Lage für die SPD. Welche Schlüsse sollte die Partei daraus ziehen?
    Schöppner: Na ja, sie sollte ein neues Thema aufbauen. Das neue Thema, was die Deutschen wirklich umtreibt, das ist eigentlich das Thema Zukunft. Wir haben eine Situation, wo es den Deutschen wirklich gut geht, vor allen Dingen in Relation zu unseren Nachbarstaaten, wo auf der anderen Seite aber - und das ist relativ neu demoskopisch - eine hohe Beunruhigung in der Bevölkerung herrscht. Ich weiß, dass es mir jetzt gut geht; was in einem Jahr passiert, weiß ich nicht. Also den sozialen Aspekt mit Zukunftsthemen verbinden, was kommt auf uns zu in Folge der Digitalisierung, in Folge der veränderten Demografie, in Folge der Flüchtlinge, in Folge der Probleme, die wir auf den Finanzmärkten haben, das sind die wirklich zentralen Themen. Die zu besetzen und die auch mit der sozialen Absicherung sozusagen zu verbinden, das wäre ein SPD-Thema. Dazu hört man allerdings relativ wenig, weil Politik denkt immer gerade an das Heute, an die Probleme, die wir jetzt haben, und viel zu wenig an das Morgen.
    Bewusste Konfrontation zur CDU
    Grieß: Danach wollte ich gerade fragen. Zwei Beispiele aus den, ich glaube, vergangenen zwei Wochen: Die Wertekonferenz der SPD, die Unterhaltung Gabriels mit der Putzfrau aus dem Ruhrgebiet, die der SPD riet, aus der GroKo schnellstens auszusteigen, und jetzt die Diskussion um Glyphosat, wo sich die SPD in der Bundesregierung querstellt, was dazu führt, dass es in der EU dazu bislang keine Einigung gibt. Sind das Themen, die in diese Richtung gehen?
    Schöppner: Es sieht so ein bisschen nach bewusster Konfrontation zur CDU aus. Die SPD ist nicht dann erfolgreich, wenn sie hier und da sozusagen hineinpiekst in eine politische Gemengelage und hier versucht, eine andere Politik zu fahren. Sie muss den Überbau schaffen. Sie muss den USP, den unique selling point, sie muss einfach deutlich machen, was ist unser Markenkern, wofür stehen wir, und wenn das deutlich ist, dann sind das Dinge, die durchaus dann Wähler ansprechen. Aber so sozusagen ganz kurzfristig mal einen Meinungswandel hergezaubert, das klingt viel zu stark nach parteipolitischen Maßnahmen und nicht nach wirklicher Problemverbesserung und nach Dingen, wo sie versucht, die Wähler an ihren Problemen anzupacken und da für Verbesserung zu sorgen.
    "Die Partei glaub nicht offensiv an ihre eigene Stärke"
    Grieß: Sie haben skizziert, warum der Vorsitzende und warum der Außenminister dafür nicht die geeignetsten Personen sind. In der Führung der SPD gibt es ansonsten noch eine ganze Reihe von Feiglingen, die sich nicht trauen. Soll das funktionieren?
    Schöppner: Nein, das kann nicht funktionieren, denn damit sprechen Sie das große Problem an, was die SPD hat. Sie hat kein Wollen, sie verkörpert nicht das Wollen, nicht das Wir. Sie sagt nicht, wir handeln und werden von daher nicht behandelt. Also man kann in so einer Situation nur dann wirklich punkten, wenn eine Partei will, wenn man geschlossen auftritt, wenn man Zukunftsoptimismus und auch für die Partei Optimismus ausstrahlt. Und alles das, was mit Rückzügen zum Beispiel des Hamburger Bürgermeisters da passiert ist, das zeigt nur, dass diese Partei defensiv ist und nicht offensiv an ihre eigene Stärke glaubt.
    Grieß: Klaus-Peter Schöppner vom Meinungsforschungsinstitut Mentefactum. Herr Schöppner, danke schön.
    Schöppner: Danke Ihnen auch. Bis dann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.