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Parteien-Sponsoring
SPD stoppt umstrittene "Vorwärts-Gespräche"

Die SPD zieht Konsequenzen aus dem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal 21" über eine fragwürdige Sponsoring-Praxis: Die umstrittenen "Vorwärts-Gespräche", die Sponsoren einen exklusiven Zugang zu SPD-Politikern ermöglichten, werde es in Zukunft nicht mehr geben, sagte Schatzmeister Dietmar Nietan. Der Organisation Lobbycontrol reicht das nicht.

Von Volker Finthammer   | 23.11.2016
    Porträtbild des SPD-Außenpolitikers Dietmar Nietan
    SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan erklärte, es werde keine weiteren "Vorwärts-Gespräche" mehr geben. (imago / Metodi Popow)
    Keine 24 Stunden hat die SPD gebraucht, um aus der vom ZDF-Magazin "Frontal 21" aufgedeckten fragwürdigen Sponsoring-Praxis einer SPD-eigenen Kommunikationsagentur Konsequenzen zu ziehen. In einer Presseerklärung betont SPD-Schatzmeister Dieter Nietan, als oberster Aufseher aller unternehmerischen Töchter der SPD: Mit Sponsoring-Leistungen könne kein Zugang zu Amtsträgern, Abgeordneten oder Parteifunktionären erkauft werden. Das sei für die SPD selbstverständlich.
    Die in dem Bericht genannten Politiker, also etwa Justizminister Heiko Maas oder Sozialministerin Andrea Nahles, seien auch nicht über die Art und Weise informiert gewesen, wie die Gespräche vermittelt wurden. Man werde das parteiintern weiter aufklären, aber schon jetzt sei klar, so der SPD Schatzmeister: "Vorwärts-Gespräche" - ob mit oder ohne Sponsoring - werde es in Zukunft nicht mehr geben. Die Vorwürfe hatten auch parteiintern für Irritationen gesorgt. So erklärte die stellvertretende SPD Fraktionsvorsitzende Eva Hoegl:
    "Das ist überhaupt nicht klug und selbst wenn das rechtlich zulässig ist, dann darf es das nicht geben. Politikerinnen und Politiker müssen allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen. Es darf keine Leistung und Gegenleistung geben."
    Appelle dieser Art hört man immer wieder. Die gelebte Praxis sieht aber anders aus und die Recherchen des ZDF-Magazins belegen einmal mehr, dass bezahlte Zugänge zu den politischen Entscheidern, in diesem Fall zu Entscheidern aus der SPD, möglich sind.
    Kein Verstoß gegen Parteienfinanzierungsregeln
    Formal gebe es keinen Anlass zur Kritik, heißt es in einer Erklärung der Bundestagverwaltung. Parteien sei die Gründung von Gesellschaften, juristischen Personen und Unternehmen ebenso erlaubt wie eine Beteiligung daran. Die Rechenschaftspflicht von Parteien erstrecke sich nicht auf das Zahlenwerk solcher eigenständigen Gesellschaften. Insofern gebe es nach dem geltenden Recht keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln des Parteiengesetzes. Diese formaljuristische Unterscheidung löst jedoch nicht das darunterliegende Problem. Annette Sawatzki von der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol sagte im ZDF:
    "Die entscheidende Frage ist, ob das politisch und moralisch in Ordnung ist. Denn was die SPD da macht, wenn sie ihre Politiker derart vermarktet, also quasi wie eine Ware anbietet,ist, dass sie das Signal sendet, Politik ist käuflich bei uns. Und das ist ganz verheerend."
    Lobbyregister gefordert
    Im Deutschlandfunk sprach sich Christina Deckwirth von Lobbycontrol deshalb einmal mehr für ein verpflichtendes Lobbyregister aus:
    "Das heißt, hier müssten sich alle Lobbyisten, die Kontakt aufnehmen mit der Politik, eintragen und offen legen, in wessen Interesse sie Lobbyarbeit machen und wie sie sich finanzieren und auf welche Gesetzesprozesse sie Einfluss nehmen. So was gibt es in Brüssel, sowas gibt es in den USA, in Kanada, das ist durchaus Praxis."
    Die Ankündigung des SPD-Schatzmeisters, wonach es künftig keine "Vorwärts-Gespräche" mehr gegen soll, hält Lobbycontrol für nicht hinreichend genug. Die SPD müsse das gesamte Angebot ihrer Tochteragentur zur Kontaktvermittlung sofort stoppen und alle Informationen über die gesponserten "Vorwärts-Gespräche" offenlegen. Außerdem sollte das Parteiengesetzt dahingehend geändert werden, dass alle Sponsorengelder an Parteien offengelegt werden müssen, auch wenn sie über Tochterfirmen laufen.