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Parteienfinanzierung
"Man muss mit dem Geld auskommen, was zur Verfügung steht"

Die von der Koalition geplante Gesetzesänderung zur Parteienfinanzierung sei nicht zu rechtfertigen, sagte FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms im Dlf. "Diesem Vorschlag werden wir auf keinen Fall zustimmen." SPD und CDU/CSU müssten damit zurechtkommen, dass sie weniger Geld bekommen.

Hermann Otto Solms im Gespräch mit Phillip May | 09.06.2018
    Der FDP-Politiker Hermann-Otto Solms
    Der FDP-Politiker Hermann-Otto Solms (dpa/picture alliance)
    Philipp May: Und deshalb ist jetzt Hermann Otto Solms am Telefon, Schatzmeister der FDP, einer Partei, die finanziell auch nicht auf Rosen gebettet ist. Schönen guten Morgen, Herr Solms!
    Hermann Otto Solms: Guten Morgen, Herr May!
    May: Mehr Geld für alle, das klingt doch gut.
    Solms: Nein, das geht überhaupt nicht. Das widerspricht total dem Grundgedanken der Parteienfinanzierung. Das hat das Bundesverfassungsgericht ja seinerzeit, 1992, festgelegt. Die Parteienfinanzierungen sollen der Einbettung der Parteien in die Bevölkerung, in die Bürgerschaft und den Wahlergebnissen folgen. Das heißt natürlich, wenn man diesem Gedanken konsequent nachgeht, dass bei sinkenden Wahlergebnissen weniger Geld zur Verfügung gestellt wird.
    Philipp May: Aber das Geld soll ja auf alle verteilt werden, das soll ja jetzt nicht nur die SPD alleine bekommen, sondern würde ja auch der AfD, die ja ganz klar steigende Wahlergebnisse hat, zugutekommen.
    Solms: Ja, das kommt dann allen Parteien zugute, aber es ist nicht gerechtfertigt. Wir haben 2011 die absolute Obergrenze festgelegt auf ein neues Niveau, und verbunden mit der Einführung einer Dynamisierung entsprechend den typischen Kosten für Parteien, sodass automatisch die absolute Obergrenze entsprechend den Aufwendungen der Parteien sich erhöht. Aber ein zusätzlicher Schluck aus der Pulle in Höhe von 25 Millionen, nur weil die SPD mit dem Geld nicht auskommt - das kann überhaupt nicht sein.
    "Wir waren in extrem schwierigen finanziellen Situationen"
    May: Aber Sie kommen aus mit dem Geld?
    Solms: Schauen Sie, wir sind seit 2013 aus dem Bundestag rausgeflogen, wir waren in extrem schwierigen finanziellen Situationen, aber wir haben nicht nach Hilfe durch den Staat gerufen, sondern wir haben uns selbst angestrengt, haben unsere Ausgaben um 40 Prozent gesenkt, bessere Politik gemacht. Die FDP hat sich neu aufgestellt und wir sind dafür dann vom Wähler belohnt worden. Das Gleiche empfehle ich der SPD, sie soll bessere Politik machen, dann hat sie auch wieder bessere Wahlergebnisse.
    May: Also halten wir fest: Die FDP wird einer Erhöhung der Parteienfinanzierung niemals zustimmen.
    Solms: Niemals weiß ich nicht. Diesem Vorschlag werden wir auf keinen Fall zustimmen. Eine grundsätzliche Veränderung des Systems kommt im Moment nicht infrage, es sei denn, es gibt ganz außergewöhnliche Herausforderungen, die ich aber nicht sehe, und deswegen sind wir dagegen. Wir wären dafür, über das Parteiengesetz zu reden, um es in ganz anderen Beziehungen zu verbessern, zu modernisieren, weil es ungeheuer verwaltungsaufwendig und komplex ist, und wir ja mit ehrenamtlichen Schatzmeistern arbeiten, die häufig überfordert sind, aber das hat überhaupt nichts mit der Höhe der Finanzierung zu tun.
    May: Herr Solms, aber Sie offenbar nicht?
    Solms: Wir auch. Das ist ja ein riesiger Aufwand, den wir betreiben müssen dabei. Schauen Sie, ich bin ja zuständig für 2000 Rechenschaftsberichte jedes Jahr, jeder muss überprüft werden im Detail, das ist eine ganz schwierige Aufgabe. Und da wäre eine Erleichterung schon sinnvoll. Aber das sind Verwaltungsvereinfachungen, es geht nicht ums Geld. Das Geld muss dem Wahlergebnis folgen und die SPD und die CDU/CSU haben erheblich verloren bei den letzten Bundestagswahlen, deswegen müssen sie auch damit zurechtkommen, dass sie eben weniger Geld bekommen.
    May: Was würden Sie denn raten als erfahrener Schatzmeister der SPD? Also jenseits von besserer Politik und besserer Wahlergebnisse dann? Weniger Parteitage zum Beispiel?
    Solms: Das ist ihre Entscheidung, nur die SPD hat ein großes Vermögen, und dann muss sie sich eben von einem Teil des Vermögens trennen, um ihre Ausgaben damit zu finanzieren.
    "Jetzt sind wir verantwortlich dafür, dass die SPD nicht mit dem Geld auskommt?"
    May: Aber jetzt war natürlich der große Kostentreiber, das waren jetzt natürlich diese vielen Parteitage und die Mitgliederbefragung …
    Solms: Ja aber das war ja - diese Parteitage und Mitgliederbefragung haben sie ja freiwillig gemacht. Wenn ich mir es nicht leisten kann, kann ich das eben nicht machen, so einfach ist das.
    May: Ganz freiwillig haben sie die Parteitage ja nicht gemacht. Drei Parteitage davon haben ja auch Sie, die FDP, auf dem Kerbholz, und das teure Mitgliedervotum, alles ausgelöst durch Ihren Jamaika-Rückzieher in letzter Minute.
    Solms: Entschuldigung, jetzt sind wir verantwortlich dafür, dass die SPD nicht mit dem Geld auskommt?
    May: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass das, wenn Sie keinen Jamaika-Rückzieher gemacht hätten, dann hätte es ja möglicherweise die Parteitage nicht gegeben.
    Solms: Aber wir haben den Rückzieher gemacht, weil unsere Forderungen in den Vereinbarungen nicht zum Tragen kamen, die Bundeskanzlerin eben dieses alles abgelehnt hat. Und wir hätten uns ja nur blamiert, wenn wir da in die Regierung gegangen wären, nur um Pöstchen zu bekommen. Das war nicht unser Ziel. Wir wollten die Politik ändern, die Politik modernisieren, gerade in der Bildungs- und Digitalisierungsfrage eine neue Plattform erarbeiten. Das ist uns von den möglichen Koalitionspartnern CDU/CSU abgelehnt worden, das ist nur den Grünen entgegengekommen.
    Nein, das wäre nicht verantwortbar gewesen für uns. Trotzdem: Man muss mit dem Geld, was zur Verfügung steht, auskommen. So ist das vom Verfassungsgericht vorgeschlagen und so muss es bleiben.
    "Es war ja schön, den Fehler der FDP in die Schuhe zu schieben"
    May: Immerhin, man kann Ihnen auch zugutehalten, dass Sie nicht in die Regierung gegangen sind, spricht ja auch dafür, dass Sie von Ihrem alten Geschäftsmodell etwas abgerückt sind. Das war ja bei der FDP eigentlich immer: Großspende gegen Wahlgeschenke - so wie 2009 mit der Mehrwertsteuererhöhung für die Hoteliers.
    Solms: Das war zwar nicht so - diese Forderung mit den Hotels stand übrigens bei allen Parteien im Programm, das hat nur die Öffentlichkeit und das hat die Journaille nicht wahrgenommen, weil es ja schön war, den Fehler der FDP in die Schuhe zu schieben, aber egal, das ist Vergangenheit. Wir gehen davon aus, dass die Parteienfinanzierung vernünftig gestaltet ist, dass die Höhe der staatlichen Teilfinanzierung ausreichend ist und dass deswegen eine plötzliche, unerwartete und unabgesprochene Erhöhung der staatlichen Teilfinanzierung - also der absoluten Obergrenze - nicht statthaft ist.
    May: Wobei das natürlich ein spannender Punkt ist, nur noch mal für unsere Hörer, die das möglicherweise schon wieder vergessen haben. Damals hat der Miteigentümer der Mövenpick-Gruppe der FDP 2009 über eine Million Euro überwiesen im Wahlkampf und kurz darauf fiel dann eben die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent. Da kann man jetzt schon mal, neun Jahre später ….
    Solms: Entschuldigen Sie mal, ich finde, das muss schon sauber dargestellt werden. Erstens hat er in dem Jahr weniger als eine halbe Million an Spenden gegeben.
    May: 1,1 Millionen.
    Solms: Nein, das waren zwei Jahre zusammengerechnet.
    May: Okay.
    Solms: Es gibt aber immer Rechenschaftsberichte für jedes Jahr. Zweitens haben wir das bekommen von einer Vermögensbeteiligungsgesellschaft, die mit Mövenpick überhaupt nichts zu tun hatte…
    May: Die aber dem Miteigentümer der Mövenpick-Gruppe gehörte.
    Solms: Dass der Eigentümer dieses Unternehmens gleichzeitig Miteigentümer von Mövenpick war, wussten wir überhaupt nicht. Und drittens kam die Initiative zur Entlastung der Hotels von der CSU und nicht von der FDP. Das wurde uns aber dann hinterher in die Schuhe geschoben, das hat "Der Spiegel" sehr geschickt dargestellt, um diesen Zusammenhang mit Mövenpick herzustellen und die FDP dadurch zu schwächen - und das ist ihnen in vollem Maße gelungen.
    "Es kommt darauf an, wie die Parteien in der Bevölkerung verankert sind"
    May: Aber dennoch, wenn wir gerade jetzt natürlich auch möglicherweise in Ihrem Interesse dann argumentieren: Ist es nicht besser, wenn die relevanten Parteien - also alle, die eben im Bundestag vertreten sind und in den Parlamenten – gut und ausreichend vom Steuerzahler, von allen finanziert werden und nicht so wie in den USA von den Großspenden Einzelner abhängig zu sein?
    Solms: Dann müssen Sie sich das System der Parteienfinanzierung anschauen. Wir sprechen von der staatlichen Teilfinanzierung, das heißt, die Parteien müssen überwiegend privat finanziert werden, das heißt zu mehr als 50 Prozent. Die Parteien dürfen nicht staatsabhängig werden, das ist der Grundgedanke, der dahinter steht. Und deswegen gibt es die relative Obergrenze, die Finanzierung jeder Partei wird danach überprüft, ob die Partei mehrheitlich privat finanziert ist. Das hat beispielsweise die AfD getroffen, deren Einnahmen gekappt worden sind deshalb.
    Und zweitens gibt es die absolute Obergrenze, das heißt, der Topf für alle Parteien ist nach oben begrenzt. Und wenn ihre Ansprüche nach dem üblichen Verfahren darüber hinaus gehen, dann werden die staatlichen Mittel für alle Parteien entsprechend proportional gekürzt.
    May: Eine weitere Einnahmequelle sind ja auch die Mitgliedsbeiträge. Spricht - und wir wissen, immer weniger Leute sind bereit, sich in Parteien zu organisieren - spricht aus diesem Gesetz nicht auch der Bedeutungsverlust der Parteien generell heraus?
    Solms: Ja, ich hatte ja anfangs darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, wie die Parteien in der Bevölkerung verankert sind. Die FDP hat beispielsweise im letzten Jahr über 10.000 neue Mitglieder gewonnen, die natürlich dann auch Beiträge bezahlen. Und die staatliche Teilfinanzierung bezieht sich ja nicht nur auf die Wahlergebnisse, sondern auch auf Spenden und Beiträge, soweit sie zuschussfähig sind, das ist begrenzt.
    Also, wenn die Zahl der Beitragszahler steigt, steigt automatisch auch der Anspruch an die staatliche Teilfinanzierung, aber nur im Rahmen dieses Gesamttopfes, der für alle zur Verfügung steht.
    May: Sagt der Schatzmeister der FDP und Ehrenvorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Hermann Otto Solms. Herr Solms, vielen Dank für das Gespräch!
    Solms: Danke, Herr May!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.