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Parteitag des regierenden ANC
Showdown in Südafrika

Wer beim Parteitag des regierenden ANC in Südafrika zum neuen Parteivorsitzenden gewählt wird, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der nächste Präsident des Landes. Im Rennen sind: die Ex-Frau des Amtsinhabers Jacob Zuma und dessen Stellvertreter. Wie es ausgeht, ist offen, denn die Partei ist tief gespalten.

Jan-Philippe Schlüter | 16.12.2017
    Die Politikerin der Regierungspartei ANC, Nkosazana Dlamini-Zuma begrüßt ihren Ex-Mann, den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, bei einer Konferenz in Johannesburg
    Die 68-jährige Nkosazana Dlamini-Zuma ist eine erfahrene Politikerin - doch die Nähe zu ihrem Ex-Mann und amtierenden Präsidenten Jacob Zuma könnte für sie zum Problem werden (AFP/ Mujahid Safodien)
    ANC-Parteitage werden mit Stolz und Pathos zelebriert – und der Gesang darf nie fehlen. Insbesondere wenn Präsident Jacob Zuma auf der Bühne steht. Dem kann man viel vorwerfen – aber nicht, dass er nicht wunderschön singen könnte.
    Der fröhliche Gesang aus den Kehlen von gut 5.200 Delegierten kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass hier ein Showdown ansteht. Es geht um die Macht in der Partei und im Land. Für Präsident Zuma und viele seiner Getreuen geht es allerdings um das nackte Überleben und die Freiheit, sagt der Johannesburger Politikprofessor William Gumede.
    "Zuma will sicherstellen, dass er nach seiner Zeit als Parteivorsitzender und Präsident nicht wegen Korruption vor Gericht landet. Deshalb will er einen Nachfolger haben, dem er vertrauen kann, der verständnisvoll ist und ihn schützt, wenn er nicht mehr die Macht über die Institutionen hat."
    Zuma erhofft sich Ruhestands-Immunität
    Auf Zuma wartet eine Anklage wegen Korruption, Erpressung, Betrug und Geldwäsche. Im Zusammenhang mit einem Waffendeal in den 90er-Jahren soll er 783 Mal illegal Geld bekommen haben. In den vergangenen acht Jahren hat Zuma mit allen juristischen Tricks unter Einsatz vieler staatlicher Ressourcen das Verfahren verschleppt. Doch wenn er nicht mehr Präsident ist, ist er verwundbar.
    Deshalb wollen er und seine Vasallen mit allen Mitteln durchsetzen, dass seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma den ANC-Vorsitz übernimmt. Von ihr erhofft sich Zuma eine Art Ruhestands-Immunität. Für den Politik-Analysten Ralf Mathekga ist Dlamini-Zuma dank dieser Unterstützung beim Parteitag leicht im Vorteil:
    "Wir wissen doch, wie sowas läuft. Der Amtsinhaber hat die Möglichkeiten, die Hebel der Macht zu kontrollieren, zum Beispiel die Ortsverbände zu manipulieren. So kann er seine Interessen durchsetzen. Präsident Zuma ist in dieser Position und er hat sehr deutlich gemacht, dass Dlamini-Zuma seine Favoritin ist."
    Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma.
    Südafrikas Präsident Jacob Zuma wird Korruption vorgeworfen (imago / Gallo Images)
    Nähe zu Ex-Mann könnte Problem für Dlamini-Zuma werden
    Die 68-jährige Nkosazana Dlamini-Zuma ist eine erfahrene Politikerin, war jahrelang Ministerin und Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union. Aber ihre Nähe zu ihrem Ex-Mann könnte für sie zum Problem werden. Denn der ANC ist so tief gespalten wie noch nie. Präsident Zuma hat aus einer stolzen Befreiungsorganisation einen zerstrittenen Haufen gemacht.
    Eine Fraktion zieht öffentlich über die andere her, Vorwahlen in diversen Provinzen sind vor Gericht für ungültig erklärt worden, Parteifreunde überziehen sich gegenseitig mit Prozessen. Und immer wieder kommt es zu Gewalt: Beim Parteitag am Ostkap flogen Stühle, es gab mehrere Verletzte. In der Provinz Kwazulu-Natal hat es in diesem Jahr schon mehr als 30 politisch motivierte Morde innerhalb des ANC gegeben.
    Viele in der Partei und im ganzen Land haben Zuma mit seinen unendlichen Skandalen satt. Und sie sorgen sich um das Abschneiden bei den nächsten Wahlen in eineinhalb Jahren, wenn Dlamini-Zuma Parteivorsitzende wird. Aus gutem Grund, meint die Politikprofessorin Susan Booysen von der Wits-Universität Johannesburg:
    "Wenn sie Parteichefin wird, wird der ANC es bei Wahlen schwer haben. Es gibt mehrere glaubwürdige Umfragen die zeigen, dass die Wähler sie nicht sehr schätzen. Ganz anders bei Vize-Präsident Ramaphosa: Er wird deutlich positiver wahrgenommen."
    Demonstranten protestieren gegen den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma; auf einem Transparent steht "Zuma must go".
    Demonstration gegen Südafrikas Präsident Jacob Zuma im April 2017 (AP)
    Vize-Präsident war schon vor 20 Jahren Kronprinz
    Viele in der Partei setzen deshalb ihre Hoffnung in den 65-jährigen Cyril Ramaphosa. Der war schon vor 20 Jahren der Kronprinz in der Partei – Nelson Mandela wollte ihn zu seinem Nachfolger machen. Aber der ANC widersetzte sich Mandelas Wunsch und machte stattdessen Thabo Mbeki zum neuen Parteivorsitzenden und später Präsidenten.
    Ramaphosa ist als Geschäftsmann schwer reich geworden und vor einigen Jahren in die Politik zurückgekehrt. Seine Anhänger erhoffen sich, dass er im ANC aufräumt und die krankende Wirtschaft wieder zum Laufen bringt. Politikanalyst Ralf Mathekga ist sich aber nicht sicher, wie groß Ramaphosas Chancen wirklich sind:
    "Er hat sich klar gegen Zuma positioniert und hat einen recht guten Rückhalt. Wir haben noch nie jemanden gesehen, der sozusagen als Außenseiter ins Rennen gegangen ist und einen solchen Rückhalt bekommt. Allerdings: Wenn Du als Herausforderer antrittst, willst Du beim ANC-Parteitag einen deutlichen Vorsprung haben, zur Sicherheit. Und das sehe ich bei Ramaphosa nicht."
    "Kopf-an-Kopf-Rennen bis zum Schluss"
    Wie das Rennen ausgeht, ist völlig offen, sagt Politikprofessorin Susan Booysen. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem ANC – traut sich aber keine Vorhersage zu.
    "Nicht dass ich viel Geld zum Wetten hätte – aber ich würde es momentan ohnehin nicht auf einen Kandidaten setzen. Alles deutet auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen bis zum Schluss hin."
    Hinter den Kulissen wird in den nächsten Tagen viel verhandelt und Druck aufgebaut. Es geht um Posten, Einfluss – und ziemlich sicher wird auch das ein oder andere Geldbündel als Motivation den Besitzer wechseln.
    Vor allem das kampferprobte Zuma-Camp ist berüchtigt für seine schmutzigen Tricks. Im Vorfeld des Parteitages wurden Cyril Ramaphosa Sex-Affären und vermeintliche Verschwörungen mit dem sogenannten "weißen Monopolkapital" angedichtet, das angeblich Südafrika beherrscht. Bislang haben diese Geschichten ihm allerdings nicht geschadet.
    Eigentlich ist dem ANC die Einigkeit heilig. Manch einer hofft deshalb noch auf einen gesichtswahrenden Kompromiss, der eine weitere Spaltung der Partei verhindert. Aber Politikanalyst Ralf Mathekga glaubt nicht daran:
    "Es wird nur Gewinner und Verlierer geben. Im ANC gibt es keinen Mittelweg mehr. Die Lage ist angespannter als je zuvor."