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Pater: Papst hat katholischer Kirche geschadet

Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter des Deutschen Programms von Radio Vatikan, ist sich sicher, dass Papst Benedikt XVI. die Holocaust-Leugnung des exkommunizierten Bischofs Williamson nicht akzeptiert - spricht aber von einem "wirklich großen" Schaden.

Pater Eberhard von Gemmingen im Gespräch mit Sandra Schulz | 03.02.2009
    Sandra Schulz: Noch immer haben sich die Wogen nicht geglättet um die Entscheidung Papst Benedikts, die Exkommunikation der Pius-Bruderschaft rückgängig zu machen, zu der auch der Holocaust-Leugner Williamson zählt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht das Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche massiv belastet und erwägt inzwischen den Verzicht auf die Teilnahme an der "Woche der Brüderlichkeit". Aber auch die innerkirchlichen Kritiker gehören nicht zu den üblichen Verdächtigen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch:

    O-Ton Robert Zollitsch: Ich bedauere sehr, dass man sich nicht vorher noch mal erkundigt hat, wo stehen denn nun heute die einzelnen Bischöfe. Ich bin dankbar dafür, dass die anderen Bischöfe sich von Bischof Williamson distanziert haben. Offensichtlich hat man unterschätzt, was einer da nun, der nun weit weg ist - das muss man auch sagen -, von Rom und von uns, dass der solche merkwürdigen Thesen vertritt.

    Schulz: Und am Wochenende streckte Papst Benedikt XVI. den Traditionalisten noch einmal die Hand aus. Am Samstag berief er den österreichischen Priester Gerhard Wagner zum Weihbischof der Diözese Linz. Der hatte zuvor Schlagzeilen gemacht mit seiner Warnung vor "Harry Potter"-Büchern als Satanismus, aber auch mit der Einschätzung, der Hurrikan "Katrina" habe nicht zufällig in New Orleans Kliniken zerstört, in denen abgetrieben worden sei.
    Sind das die Wegmarken eines neuen Kurses des Vatikan? - Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Pater Eberhard von Gemmingen, der Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan. Guten Morgen!

    Eberhard von Gemmingen: Guten Morgen!

    Schulz: Pater von Gemmingen, ist, wer diese Entscheidung nicht richtig findet, falsch in der katholischen Kirche?

    von Gemmingen: Dazu muss man natürlich vieles sagen. Papst Benedikt hat sozusagen einseitig die Arme ausgestreckt, damit die Lefebvre-Anhänger zurückkommen können, damit sie sich total zum zweiten Vatikanum bekennen, damit sie den Antisemitismus lassen, damit sie all ihre Eigenbrödeleien lassen etc. Er hat gezeigt, an mir soll es nicht liegen, und er hat überhaupt nicht den Holocaust-Leugner rehabilitiert, überhaupt nicht! Das ist wirklich eine leider vom Vatikan blöd vorgelegte Vorlage, dass es so in die Medien kommen konnte, aber mit Holocaust-Akzeptation des Papstes hat das überhaupt nichts zu tun.

    Schulz: Welchen Schaden nimmt die katholische Kirche?

    von Gemmingen: Großen, zunächst mal wirklich großen. Das ist schon wahr. Natürlich hat die Kirche schon Jahrhunderte überstanden und das wird auch wieder vorbei gehen, aber das wird jetzt leider einen Schatten auf das Pontifikat von Papst Benedikt werfen. Der Schatten wird nicht ganz kurz sein. Ich meine, es ist immer noch so: Wenn alle Leute, die die katholische Kirche ein bisschen gerne haben, dazu beitragen, dass man sieht, der Papst hat nicht die Dummheiten begangen, sondern seine Leute in der Kommunikation und auch in der Abstimmung untereinander.

    Schulz: Sie haben das gerade angedeutet. Papst Benedikt streckt den einen die Hand aus und stößt damit aber andere vor den Kopf und diejenigen, die vor den Kopf gestoßen werden, sind weit in der Mehrzahl. Hat er sich da verrechnet?

    von Gemmingen: Ja, gut, man soll sicher nicht nach der Mehrzahl rechnen, aber man darf auch niemanden beleidigen. Die Juden sind die Mehrzahl und man darf sie wirklich nicht beleidigen. Aber man darf auch nicht fragen, wo habe ich mehr Applaudeure. Das geht auch nicht, weder bei den Katholiken noch sonst wo.

    Schulz: Wenn wir auf die Entscheidungsfindung blicken, für wie plausibel halten Sie es denn, dass der Vatikan tatsächlich diese Äußerungen Williamsons nicht gekannt haben soll?

    von Gemmingen: Der zuständige Kardinal Hoyos hat gesagt, er habe vom Fall Williamson nichts gewusst. Das ist natürlich eine wahnsinnige Blamage und ich hoffe, dass Papst Benedikt Konsequenzen zieht, erstens mal, dass er vielleicht ein Kabinett einrichtet, was der Professor Maier, ehemaliger Kultusminister, schon lange vorgeschlagen hat. Einmal in der Woche müssten die Spitzen der Kongregationen und Räte zusammensitzen mit dem Papst, damit man sich dann austauscht und eine gemeinsame Linie vertritt. Das gibt es seit Jahrzehnten nicht, eine solche Kabinettssitzung, und das ist dringend notwendig. Also ich hoffe, dass dies Folgen hat, damit die Schäden behoben werden und in Zukunft keine solchen Schäden mehr gemacht werden.

    Schulz: Jetzt steht Hoyos ohnehin vor dem Ende seiner Amtszeit. Sollte das noch beschleunigt werden?

    von Gemmingen: Keine Ahnung. Ich meine, der Vatikan wirkt nach außen hin manchmal furchtbar hart und drohend und so, aber im Innern ist er de facto immer sehr umgänglich, selbst mit Lefebvre-Leuten. Das zeigt sich hier und er wird auch mit Kardinal Hoyos vermutlich eher umgänglich sein, aber Hoyos selber sollte vielleicht den Hut nehmen. Er ist fast 80 Jahre alt und er sollte vielleicht auch laut sagen, Heiliger Vater, es tut mir leid, was für ein Unheil ich angerichtet habe.

    Schulz: Jetzt gibt es auch Einschätzungen, die davon ausgehen, dass Hoyos diese Äußerungen bewusst unterschlagen habe, eben mit dem Ziel, diese Rücknahme der Exkommunikation noch in seiner Amtszeit zu bewirken. Hat er Papst Benedikt XVI. reingelegt?

    von Gemmingen: Das weiß ich nicht. Das weiß ich wirklich nicht. Sagen wir mal, ich habe eher den Verdacht, dass die Lefebvre-Leute erstens untereinander wahnsinnig gespalten sind, dass der eine nicht weiß, was der andere tut, beziehungsweise der eine nicht akzeptiert, was der andere tut, und dass möglicherweise die Lefebvre-Leute selber das Williamson-Interview zu dem Zeitpunkt lanciert haben, als sie schon das Papier von der Rücknahme der Exkommunikation in der Hand hatten, extra um die katholische Kirche reinzulegen.

    Schulz: Das heißt also, dass Papst Benedikt der Pius-Bruderschaft einen Schritt entgegenkommt heißt nicht, dass die Bruderschaft ihrerseits auch einen Schritt auf den Vatikan zu machen würde?

    von Gemmingen: Bis jetzt fordert die Bruderschaft eher, was der Vatikan, was die katholische Kirche alles machen müsste, damit sie wieder dazukommen. Bis jetzt hat der Vatikan eher seine Arme zu breit ausgestreckt, ohne Holocaust-Leugner zu lieben. Den Lefebvre-Leuten waren sie nicht entgegengekommen, vielleicht ein bisschen naiv, ein bisschen zu lieb, und die Lefebvre-Leute nutzen das aus.

    Schulz: Wenn wir jetzt noch auf die Entscheidung blicken, Wagner zum Weihbischof in Österreich zu machen, welches Signal geht davon aus?

    von Gemmingen: Das hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich kenne auch den Fall Wagner überhaupt nicht. Das ist ein unglückliches Zusammentreffen in der Zeit und ich muss mich da total zurückhalten. Ich habe keine Ahnung.

    Schulz: Aber warum hat das eine mit dem anderen zumindest insofern nicht etwas zu tun, dass es eine konservative Linie markiert?

    von Gemmingen: Weil Wagner nichts mit den Lefebvre-Leuten zu tun hat.

    Schulz: Aber die Positionen, für die Wagner steht, sind inhaltlich auch Positionen, die vorsichtig gesagt polarisieren. "Harry Potter" als Satanismus zu bezeichnen, bewegt sich das auf einer Linie?

    von Gemmingen: Das ist vielleicht töricht. Das weiß ich nicht. Ich liebe "Harry Potter" nicht und dazu kann ich nichts sagen. Meine Frage sind die Lefebvre-Leute und nicht der Wagner.

    Schulz: Wie muss jetzt eine Schadensbegrenzung aussehen?

    von Gemmingen: Ich würde mir wünschen, dass aus dem Vatikan oder sogar aus dem Munde von Papst Benedikt eine Erklärung zu der ganzen Lefebvre-Frage kommt. Erstens würde er sagen, ich habe Williamson überhaupt nicht rehabilitiert, sondern ich habe die Exkommunikation zurückgenommen. Zweitens: diese Bischöfe sind bis jetzt immer noch suspendiert. Das heißt, sie dürfen keinerlei Amt in der katholischen Kirche wahrnehmen, auch nicht deren Priester. Drittens: Diese ganze Gruppe müsste das Vaticanum II total annehmen, muss den Antisemitismus verurteilen. Das müsste der Papst laut und deutlich sagen oder sagen lassen, so dass die ganze Welt das wirklich schwarz auf weiß hat. Das würde ich mir wünschen.

    Schulz: Auch ohne, dass es eine inhaltliche Annäherung der Pius-Bruderschaft in Richtung des Zweiten Vatikanischen Konzils gibt?

    von Gemmingen: Es wäre wünschenswert, dass zunächst die Bruderschaft etwas akzeptiert, also die Forderungen akzeptiert, und dann der Vatikan zuschlägt, weil bis jetzt hat nur der Vatikan offene Arme gezeigt und die Bruderschaft überhaupt nicht. Jetzt müsste von der anderen Seite wirklich zunächst eine Geste kommen, nicht nur eine Geste, sondern wirklich ein großer Schritt über den Abgrund.

    Schulz: Pater Eberhard von Gemmingen, der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Danke schön!

    von Gemmingen: Bitte schön!