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Patientenverfügungen im klinischen Alltag
Für den Ernstfall gewappnet?

Die Theorie ist das eine. Ob eine Patientenverfügung im Ernstfall bei einem Krankenhaus-Aufenthalt tatsächlich keine Fragen mehr offen lässt, steht auf einem anderen Blatt. Jochen Hoffmann, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin am Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln, schildert einige Fallbeispiele.

Von Lennart Pyritz | 28.02.2017
    Ein Patient wird künstlich beatmet.
    Die Angehörigen wollen oft, dass alle Register der modernen Medizin gezogen werden, einschließlich Beatmung. (picture-alliance/ dpa / Oliver Berg)
    "Ein Beispiel, wo wir allein mit der Patientenverfügung nicht mehr weiter gekommen sind – eine Patientin mit einem sehr schweren Schlaganfall und schwerer Schluckstörung – wo wir die Patientin auch schon einige Tage über die Vene ernährt haben: Da hat die Tochter zunächst vehement eine künstliche Ernährung über Magensonde abgelehnt. Und auch die Patientenverfügung war viel zu ungenau. Dann haben wir uns mit der Tochter hingesetzt und noch mal ausführlich alle Konsequenzen durchgesprochen und letzten Endes die Tochter überzeugen können, dass es doch sinnvoll ist, eine sogenannte PEG-Sonde, also eine Ernährungssonde durch die Bauchdecke zu legen.
    Also wir hatten einen Patienten mit einem Lungenkarzinom, also Lungenkrebs, und einer schweren chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung – auch schon mit Metastasen im Bereich dieses Lungenkarzinoms – wo wir also ganz klar dem Patienten und den Angehörigen gesagt haben: Wir halten eine Wiederbelebung und auch einen Intensiv-Aufenthalt nicht mehr für angezeigt, weil wir medizinisch klare Hinweise hatten, dass ein Sterbeprozess begonnen hat. Die Patientenverfügung war nicht eindeutig abgefasst. Und in dem Fall wollten die Angehörigen jedoch zunächst, dass alle Register der modernen Medizin noch gezogen werden, einschließlich Beatmung. Hier haben wir dann zunächst keine Einigung erzielen können, haben dann aber im Verlauf, als der Zustand sich verschlechterte, haben wir dann doch Patient und Angehörige überzeugen können, dass es besser ist, keinen Intensiv-Aufenthalt mehr zu machen. Gott sei dank ist es da auch noch nicht zum Intensiv-Aufenthalt gekommen.
    Ja, dann gibt es natürlich auch Positiv-Beispiele: Zum Beispiel ein Patient, auch mit metastasierendem Karzinom, metastasierendes Prostata-Karzinom, schon sehr weit fortgeschritten. Und hier war eindeutig festgelegt gewesen in der Patientenverfügung – und auch klar vom Bevollmächtigten – dass keine invasiven Maßnahmen, keine Intensiv-Maßnahmen mehr erfolgen sollen. Dieser Patient ist bei uns verstorben, und es sind hier auch bewusst keine Reanimations-Maßnahmen durchgeführt worden, kein vorheriger Intensiv-Aufenthalt, weil das eben ganz klar Konsens war zwischen allen Beteiligten und auch in der Patientenkurve so festgelegt war."