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Paul Ryan
Ein US-Präsidentschaftskandidat positioniert sich

2016 finden in den USA die nächsten Präsidentschaftswahlen statt. Einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Republikaner ist Paul Ryan, dessen neue Autobiographie ein weitgehend authentisches Bild des Autors zeichnet - und sich schon damit von den meisten Politiker-Autobiografien abhebt.

Von Katja Ridderbusch | 12.01.2015
    "Join me in welcoming the next President of the United States – Paul Ryan!"
    Der viel verspottete Versprecher des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney – der hatte seinen "Running Mate" 2012 als künftigen Präsidenten, nicht als Vizepräsidenten der USA angekündigt – könnte sich rückblickend als visionär erweisen. Denn: Paul Ryan, Abgeordneter aus dem Bundesstaat Wisconsin und Finanzexperte der Republikaner, gilt als einer der chancenreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2016. Wenn er denn antritt.
    "Aber daran denke ich im Moment noch nicht. Ich werde die Entscheidung im Laufe des Jahres 2015 treffen", erklärte Ryan im US-Rundfunk. Aber es gibt ein klares Indiz dafür, dass der smarte 44-Jährige seinen Hut in den Ring wirft. Er hat ein Buch geschrieben. "The Way Forward", "Der Weg nach vorne" – ist eine Mischung aus Memoiren und politischem Programm. Der Stil ist klar, schlicht und schnörkellos. Epizentrum von Ryans erzkonservativem und streng marktliberalem Weltbild ist die Kleinstadt Janesville in Wisconsin, Heimat der Familie Ryan seit mehreren Generationen:
    "Janesville, Wisconsin, is where I was born and raised, and I never really left it."
    Ein Ort, den er nie wirklich verlassen habe, sagt er. Wo seine Familie lebt, Ehefrau Janna mit drei Kindern, sowie 67 seiner Cousins und Cousinen. Ryan erzählt, knapp und lakonisch, vom Tod seines Vaters, der alkoholkrank war und mit 55 am Herzinfarkt starb. Ryan, damals 16 Jahre alt, war gezwungen, schnell erwachsen zu werden.
    Mit 28 Jahren Abgeordneter im US-Kongress
    "Ich musste mich entscheiden: Schwimme ich, oder gehe ich unter? Ich konnte mir weder Traurigkeit noch Selbstmitleid leisten. Und ich entschied mich zu schwimmen, so sehr ich konnte."
    Als Jugendlicher wollte Paul Ryan Arzt werden, fand dann aber Geschmack an der Politik und wurde 1998 mit nur 28 Jahren als zweitjüngster Abgeordneter in den US-Kongress gewählt. Obwohl seine Mutter nach dem Tod des Vaters Sozialhilfe erhielt, plädiert der Politiker Paul Ryan heute vehement für weniger Staat – und mehr Verantwortung des Einzelnen.
    "Meine Reformvorschläge sind von dem übergeordneten Ziel geleitet, den Staat einfacher, kleiner und wirksamer zu machen. Das führt in der Folge zu mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätzen und mehr Chancen für den Aufstieg."
    Konkret heißt das: Ryan will das Staatsdefizit der USA drastisch kappen. Ein drängendes Anliegen, denn Amerikas Staatsverschuldung liegt bei 18,5 Billionen Dollar. Bei der Sozialhilfe will Ryan verschiedene staatliche Programme bündeln. Jedem Sozialhilfeempfänger soll ein Sachbearbeiter zugeordnet werden. Der soll die Hilfe individuell zuteilen, mit dem Empfänger einen Plan für die Rückkehr in ein selbstverantwortliches Leben erstellen und die Einhaltung dieses Plans kontrollieren. Ryans erklärtes Feindbild ist "Obamacare", die amerikanische Gesundheitsreform. Das US-Gesundheitswesen ist das teuerste der Welt; der Kollaps sei nur eine Frage der Zeit, meint Ryan: "Diese Reform wird unser Budget sprengen. Sie wird das gesamte Gesundheitswesen zerstören. Und sie wird zu einer Explosion unserer Schulden führen. "
    Intelligent, aber unbequem
    Zwar bleibt Ryan einen umfassenden Alternativplan schuldig. Aber immerhin macht er ein paar Vorschläge: So will er Medicare, die staatliche Krankenversicherung für Senioren, radikal verändern. Rentner sollen Gutscheine bekommen, mit denen sie auf dem freien Markt Versicherungen kaufen können. Allerdings mit kräftigen Zuzahlungen aus dem eigenen Geldbeutel, merken Kritiker an. Unter seinen republikanischen Parteifreunden gilt Paul Ryan als äußerst intelligent, aber unbequem. Davon gibt er in seinem Buch eine Kostprobe - wenn er seine Partei auffordert, sich stärker um neue Wähler zu bemühen:
    "Wir sind faul und selbstgerecht geworden. Statt uns der harten Arbeit zu stellen, die es braucht, Menschen zu überzeugen, schlagen wir viel zu häufig den einfachen Weg ein und konzentrieren uns auf Zielgruppen, die uns ohnehin zustimmen."
    Ryan geht auch kritisch mit sich selbst ins Gericht. Vor einigen Jahren sprach er gerne von "makers and takers", von denen, die geben, sprich: Steuern zahlen; und von denen, die nehmen, Sozialleistungen zum Beispiel. Auf einer Veranstaltung sprach ihn ein demokratischer Wähler darauf an.
    "Der Mann fragte mich: Wer genau sind die Nehmenden? Der Veteran, der nach dem Krieg nach Hause kommt und vom Staat krankenversichert wird? Oder der Rentner, der sein Leben lang Steuern gezahlt hat? Da wurde mir klar, dass ich viele Menschen herabgesetzt und beleidigt hatte. Und das war nicht meine Absicht."
    Man mag Paul Ryans politische Agenda nicht teilen. Und man kann außerdem beschließen: "The Way Forward" ist keine große Literatur. Aber das sind Politiker-Autobiografien nur in den seltensten Fällen. Was das Buch des republikanischen Politstars jedoch lesenswert macht, ist seine Klarheit: Seite für Seite gewinnen die Person und der potenzielle Kandidat Paul Ryan Kontur - weitgehend authentisch, manchmal unerwartet direkt und fast ohne Retusche. Und allein das ist mehr, als viele vergleichbare Werke von sich behaupten können.
    Paul Ryan: The Way Forward. Renewing the American Idea. Verlag Twelve, 304 Seiten, 17,53 Euro, ISBN-13: 978-1-455-55756-1.