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Pauschalreisen
Entschädigung bei verzögerter Abreise

Bei Pauschalreisen ist die tatsächliche Abflugsuhrzeit häufig eine andere als ursprünglich angegeben. Reiseveranstalter berufen sich hier auf einen Gestaltungsspielraum. Aber alles müssen sich Urlauber nicht gefallen lassen.

Von Susanne Kuhlmann | 15.08.2014
    Die Kölner Familie Burger nahm in Kauf, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen und bereits um 3:40 Uhr nach Dalaman in die Türkei zu fliegen. Die Eltern und ihr neunjähriger Sohn wollten morgens am Ziel ankommen und dort den ganzen Ferientag vor sich haben. Aber es kam anders, erzählt Michael Burger.
    "Fünfeinhalb Wochen vorm Urlaub rief uns das Reisebüro an und teilte uns freudig mit, dass wir nicht nachts aufstehen müssten, sondern der Abflug erst um 16 Uhr nachmittags wäre, also zwölf Stunden später. Auf jeden Fall wären wir damit erst spät Abends angekommen. Und vom Urlaubstag hätten wir nichts mehr gehabt."
    Die Burgers waren nicht erfreut. Sie wären gerne früh aufgestanden. Die Flugverschiebung kostete sie einen Urlaubstag. Das wollte Michael Burger nicht hinnehmen. Und bei Recherchen im Internet stieß er auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2009. Es besagt, dass Kunden beim Veranstalter einen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sich die Ankunftszeit um drei oder mehr Stunden verschiebt. Damit wandte sich die Familie an ihr Reisebüro.:
    "Das Reisebüro hat sich dann um andere Flüge gekümmert, aber hat nichts gefunden, denn alle anderen Abflüge waren von TUI auch nach hinten verschoben worden. TUI könne uns aber anbieten, 25 Euro pro Person als Ersatz zu zahlen, also 75 Euro für uns drei."
    Auch damit waren die Burgers nicht einverstanden. Sie sahen sich im Recht, gestützt durch ein weiteres Urteil. Ende 2013 entschied der Bundesgerichtshof einen Rechtsstreit um Flugverspätungen zwischen Verbraucherzentralen und dem Reiseveranstalter TUI. Demnach haben Reiseveranstalter zwar Spielraum, die Flugzeiten nachträglich zu ändern, allerdings nur in Grenzen. Beate Wagner, Juristin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:
    "Das ist insofern ein wegweisendes Urteil, weil jetzt festgestellt worden ist, dass es keineswegs in das Belieben der Veranstalter gestellt worden ist, wann und wie genau sie bei der Buchung die Flugzeiten angeben. Zunächst sind die Flugzeiten oder ein Rahmen, innerhalb dessen sie sich bewegen, anzugeben. Und es ist klargestellt worden, dass die Abweichungen nicht so erheblich sein dürfen."
    Was das genau heißt, ist aber nach wie vor offen. Es gibt also keine verbindliche Antwort auf die Frage, um wie viele Stunden die tatsächliche von der angekündigten Abflugzeit abweichen darf.
    "Der Veranstalter ist nicht mehr völlig frei in der Auslegung der Formulierung. Mir fällt es sehr schwer, daraus was Konkretes für die Betroffenen abzuleiten. Das Verfahren bewegt sich auf einer anderen Ebene."
    Der Veranstalter TUI nahm Stellung zum Fall der Familie Burger und verweist darauf, dass Reisende auch nach dem BGH-Urteil keinen rechtlichen Anspruch auf verbindliche Flugzeiten haben. Reisekataloge würden häufig ein Jahr im Voraus veröffentlicht. Die darin genannten Flugzeiten könnten noch nicht verbindlich sein, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht von den Flughafenbehörden bestätigt sind. Auch TUI verweist darauf, dass das BGH-Urteil sich lediglich auf die Wirksamkeit von Klauseln bezieht und schreibt:
    Zitat: "Diese beiden Klauseln – "Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen" und "Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich" – wurden bereits aus unseren AGB gestrichen. Das Urteil besagt jedoch nicht, dass der Reiseveranstalter künftig schon bei Buchung feste Flugzeiten garantieren muss."
    Veranstalter von Pauschalreisen dürfen Abflugzeiten nicht kurzerhand ändern, indem sie sich auf Klauseln im Kleingedruckten beziehen. TUI verzichtet jetzt auf diese Klauseln.
    Fazit: Veranstalter dürfen die angegebenen Flugzeiten zwar ändern, aber nicht beliebig. Wie groß ihr Spielraum ist, hat der Bundesgerichtshof nicht festgelegt. Kunden könnten in einem solchen Fall wie die Familie Burger versuchen, einen anderen Flug zu finden und sich den vom Reiseveranstalter bezahlen zu lassen oder eine Entschädigung einzufordern. Die Burgers wollten sich nicht mit den zunächst angebotenen 75 Euro zufriedengeben und hatten mit ihrer Beschwerde schließlich Erfolg.
    Nach langem Hin und Her hat TUI eingelenkt und hat uns für den verlorenen Urlaubstag 260 Euro angeboten.
    "Sie haben uns auch schriftlich mitgeteilt, dass sie weiterhin der Ansicht sind, dass dieses BGH-Urteil einfach nicht anzuwenden ist und dass sie uns aus Kulanzgründen die 260 Euro erstatten würden. Wir waren letztendlich damit einverstanden, schon allein, weil wir uns vorm Urlaub nicht noch weiter ärgern wollten."
    Auf Ärger und Auseinandersetzungen mit dem Reiseveranstalter müssen sich Kunden also trotz des höchstrichterlichen Urteils immer noch einstellen, wenn es zu Flugverschiebungen kommt.