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Peer Jürgens
Brandenburgischer Linken-Politiker wegen Betrugs verurteilt

Der frühere brandenburgische Landtagsabgeordnete Peer Jürgens (Linke) ist vom Landgericht Potsdam zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden und muss eine Geldstrafe zahlen. Er habe sich vom Landtag eine große Summe an Fahrtkosten- und Mietzuschüssen erschlichen.

13.02.2017
    Der Politiker von Die Linke Peer Jürgens steht am 07.02.2017 in Potsdam (Brandenburg) in einem Saal des Landgerichtes. Im Prozess gegen den ehemaligen Brandenburger Landtagsabgeordneten Jürgens wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten.
    Der Linken-Politiker Peer Jürgens ist vom Landgericht Potsdam zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. (picture alliance/dpa - Ralf Hirschberger)
    Laut Anklage soll Jürgens vom Landtag über zehn Jahre hinweg knapp 87.000 Euro kassiert haben. Das Schöffengericht folgte weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert hatte.
    Brandenburg-Korrespondentin Vanja Budde führte im DLF aus, Jürgens habe als junger Abgeordneter der Parlaments-Verwaltung gesagt, er wohne bei seinen Eltern in Erkner, fast 70 Kilometer von Potsdam entfernt. "Tatsächlich wohnte er damals aber wohl zuerst in einer WG in Berlin und zog dann auch alsbald nach Potsdam", so Budde. Seit Januar 2015 ist Jürgens in der Linksfraktion des Brandenburger Landtags tätig, als Referent für Wissenschaft, Forschung, Kultur, Bildung, Jugend, Kinder und Sport. Von 2004 bis 2014 war der 36-Jährige Abgeordneter im Landtag Brandenburg.
    Richterin: "Hohe kriminelle Energie"
    "Sie haben mit hoher krimineller Energie gehandelt und zehn Jahre lang Monat für Monat unrechtmäßige Fahrtkostenzuschüsse kassiert", sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Zudem sei Jürgens bei den Kreistagswahlen in Oder-Spree angetreten und gewählt worden, obwohl er dort nicht den erforderlichen Lebensmittelpunkt gehabt habe. "Damit wurde die Wahl verfälscht, denn Sie hätten dort gar nicht kandidieren dürfen", so die Richterin.
    Budde erläuterte, die ermittelnden Polizisten hatten viele Zeugen befragt und auch Jürgens Wohnung in Beeskow, im Landkreis Oder-Spree, durchsucht, Stromrechnungen und Zeitungsabos geprüft – demnach sei Jürgens so gut wie nie dort gewesen. Im Landtag habe man sich damals gewundert, dass Jürgens in Potsdam studierte, meist mit dem Fahrrad unterwegs war, aber doch angeblich in Beeskow wohnte: 100 Kilometer östlich von Potsdam. Eine Abgeordnete der Grünen hatte ihn dann schließlich angezeigt.
    Jürgens' Anwalt kündigt Berufung an
    Jürgens bestritt in dem Prozess die meisten Vorwürfe. Auf Twitter scghrieb er, er müsse "grad schon etwas den Kopf schütteln". Sein Anwalt Norman Lenz kündigte umgehend Berufung gegen das Urteil an: "Angesichts der oberflächlichen Urteilsbegründung denken wir auch an die Möglichkeit einer Sprungrevision direkt zum Oberlandesgericht." Auch Oberstaatsanwalt Rüdiger Falch erklärte, er werde wegen der Strafhöhe eine Berufung prüfen.
    Vor einige Zeit hatte Jürgens einen Schwindel mit einer angeblichen Zweitwohnung in Potsdam eingeräumt. Dafür zahlte er bereits 7.400 Euro an den Landtag zurück.
    Der Partei droht weiteres Ungemacht mit einem ähnlichen Fall
    Jürgens sei ein Sympathieträger der Linken gewesen und als "ganz großes Talent der Partei" gegolten, so Vanja Budde. Für die Linke, die als Partei der sozialen Gerechtigkeit gelten möchte, sei der Fall mehr als unangenehm. Sollte das Urteil in zweiter Instanz bestätigt oder sogar noch verschärft werden, sei "schwer vorstellbar, dass Jürgens als Referent der Fraktion für Kultur und Jugend noch tragbar ist". Schon jetzt sei er wegen des Prozesses öffentlich schwer angeschlagen.
    Der Partei droht weiteres Ungemach: Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit knapp zwei Jahren auch gegen den ehemaligen Linken-Landtagsabgeordneten Torsten Krause. Es geht um den Verdacht, dass der 35-Jährige ebenfalls mit einem Schein-Wohnsitz im uckermärkischen Lychen über Jahre hinweg Fahrtkostenzuschüsse erschlichen haben könnte.
    (vic/tgs)