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Peer Steinbrück und die Mietpreisbremse

Maximal zehn Prozent Mietpreiserhöhung bei Neuvermietungen: Das verspricht Peer Steinbrück, sollte die SPD die Bundestagswahl gewinnen. Die Forderung des SPD-Spitzenkandidaten jedoch ist nicht innovativ - vielleicht sogar etwas polemisch.

Von Benjamin Hammer | 11.07.2013
    "Mit der SPD wird es eine Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen geben: maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete."

    So kennen wir Peer Steinbrück: Konkret, geradeaus und schnörkellos. Das finden Sie etwas langweilig? Na gut.

    "Ich will da mal einen etwas anderen Ansatz wählen und eher eine Geschichte erzählen."

    Okay.

    "Nehmen wir mal einen fiktiven Bürger, nennen wir ihn Martin."

    Martin.

    "Und er findet tatsächlich im Internet ein Angebot für eine kleine Einzimmerwohnung mit Küche/Bad in Kreuzberg."

    400 Euro soll die Wohnung kosten im Monat, sagt der Vormieter. Martin ist begeistert. Und kontaktiert den Vermieter.

    "Daraufhin sagt der Vermieter: Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie die Wohnung für 400 Euro kriegen? Ich erhöhe jetzt die Miete um 30 Prozent. Sie müssen jetzt 520 Euro zahlen."

    Die SPD will so etwas in Zukunft verbieten. Das soll der Partei dringend benötigte Wählerstimmen bringen. Aber damit das klappt, müssen Bedingungen erfüllt sein.

    Erste Bedingung. Die SPD kann die Forderung exklusiv für sich in Anspruch nehmen.

    Ganz klar: Wo Mietpreisbremse drauf steht, soll SPD drin sein.

    Und ja: Es gibt Beifall für die SPD-Forderung. Aber was ist mit den anderen Parteien? Die Grünen fordern seit Langem Mechanismen gegen steigende Mieten.

    Die Linke geht noch weiter als die SPD: Bei neuen Verträgen soll der Mietpreis nur in Höhe der Inflation steigen – also um rund zwei Prozent.

    Und die Union? Kann sich die SPD wenigstens von Angela Merkel absetzen?

    "Eine Bemerkung zur Miete."

    Aha!

    "Und hier haben wir uns in der Tat in der Union das noch einmal durch den Kopf gehen lassen, dass auch in diesem Bereich eine Begrenzung eingeführt werden muss. Und genau aus diesem Grund haben wir uns jetzt entschlossen, dies jetzt auch in unser Wahlprogramm aufzunehmen."

    Zwischenbilanz: Bei der Mietpreisbremse gibt es, mal abgesehen von der FDP, einen Konsens zwischen den Parteien. Für die Sozialdemokraten im Wahlkampfmodus ist das eine schlechte Nachricht.

    Zweite Bedingung: Die Mietpreisbremse macht wirtschaftlich Sinn.

    Deutschland ist ein Mieterland. Kaum eine andere Nation weist einen ähnlich hohen Anteil von Mietern auf. Der Mietpreis: ein Politikum. Aber ächzt das Land wirklich unter steigenden Mieten?

    Klare Antwort des Statistischen Bundesamtes: nein. In den letzten zehn Jahren seien die Mieten im Schnitt um gerade einmal 1,2 Prozent pro Jahr gestiegen - weniger als die Inflation. Warum Steinbrück eine Mietpreisbremse einführen will, das zeigt sich erst beim Blick in die Großstädte. In Bremen und Berlin etwa sind die Mietpreise in den letzten drei Jahren um rund sechs Prozent gestiegen, in begehrten Lagen wie Berlin-Kreuzberg oder Neukölln noch deutlicher. Ulrich Ropertz, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund bringt das auf die Palme.

    "Nur aus dem Umstand, dass der eine Mieter auszieht und diese Wohnung jetzt an den nächsten Mieter vermietet wird, dass allein dieser Mieterwechsel dazu führt, dass der Vermieter 20, 30, 40 Prozent mehr Miete fordern kann: Das kann niemand nachvollziehen, das ist schlicht ungerecht."

    Auch Ropertz fordert: Bei Neuvermietungen sollten die Mieten nur um maximal zehn Prozent steigen dürfen. Die Immobilienindustrie wehrt sich dagegen. Andreas Mattner ist Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses.

    "Dirigistische Eingriffe führen nicht zur Verbesserung der Situation, sondern zur Verschlechterung der Situation von Mietern. Und das ist unsozial."

    Der Verband argumentiert so: Wenn die Mieten künftig gedeckelt werden sollen, dann rechnet sich das für Investoren nicht mehr. Sie bauen weniger Häuser, das Angebot bleibt knapp, die Mieten steigen weiter. Klingt schlüssig. Allerdings lässt die Immobilienwirtschaft außer Acht, dass die Mietpreisbremse bei bestehenden Wohnungen ansetzt- also bei Wiedervermietungen - nicht bei Erstbezügen. Und dass die Bremse vor allem in dicht bebauten Innenstädten greifen wird, nicht dort, wo es noch Bauland gibt.

    Steinbrücks Mietpreisbremse ist nicht innovativ. Und sie ist etwas polemisch, denn in vielen Teilen Deutschlands ist sie schlicht überflüssig. In den Schwabings, Kreuzbergs und Eimsbüttels der Republik macht der Eingriff in die Marktwirtschaft aber Sinn. Hier sind die Mieten ohnehin schon hoch, der Wohnraum äußerst knapp. Hier schützt die Bremse neue Mieter vor Wucheraufschlägen. Den Vermietern tut das nicht so weh. Ein Haus in solchen Lagen – ohnehin schon wie ein Sechser im Lotto.



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