Donnerstag, 28. März 2024

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"Peer Steinbrück wird vieles anders machen"

"Wir wollen Frau Merkel und die schwarz-gelbe Chaosregierung ablösen," und man sei "sehr kampfeswillig", sagt Manuela Schwesig (SPD) mit Blick auf den designierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Altersvorsorge, Bildung und die Eurokrise: Die Partei schalte jetzt auf Angriffsmodus.

Das Gespräch führte Tobias Armbrüster | 01.10.2012
    O-Ton Peer Steinbrück: "Das Programm muss zu dem Kandidaten passen und umgekehrt der Kandidat zum Programm, und ihr müsst dem Kandidaten an der einen oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit einräumen. Na ja, ihr müsst keine Befürchtungen haben: Meine Beinfreiheit ist ungefähr 1,80, mehr nicht. Aber die würde ich ganz gerne haben."

    Tobias Armbrüster: Peer Steinbrück hat sein erstes Wochenende als SPD-Kanzlerkandidat hinter sich. Wir hörten ihn da beim Parteitag in Münster am vergangenen Samstag. Die SPD will heute die Kür ihres Kanzlerkandidaten Steinbrück perfekt machen. Der Parteivorstand in Berlin soll Steinbrück noch einmal offiziell nominieren. Außerdem will die Partei ihr Rentenkonzept präzisieren, mit Sicherheit ein wichtiges Element im bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Die Personalie Steinbrück war auch am Wochenende das politische Thema Nummer eins in Deutschland.
    Mitgehört hat Manuela Schwesig. Sie ist stellvertretende SPD-Vorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Schönen guten Morgen, Frau Schwesig.

    Manuela Schwesig: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Schwesig, wer sind die Heulsusen in der SPD?

    Schwesig: Es gibt keine Heulsusen in der SPD, sondern in der SPD sind alle sehr kampfeswillig, und zwar kampfeswillig, jetzt auf Angriffsmodus zu schalten und zu sagen, wir wollen Frau Merkel und ihre schwarz-gelbe Chaosregierung in 2013 ablösen, um wieder wirtschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft zu verbinden. Da gibt es eine ganze Menge von Themen: Mindestlohn, Bürgerversicherung, Kita-Ausbau. Und wir sind uns einig, dass wir eine rot-grüne Regierung wollen. Nur mit der können wir diesen Richtungswechsel schaffen. Und Peer Steinbrück sagt ganz klar, dass er diesen Kampf mit uns führen will, und insofern sehe ich viel, viel mehr Geschlossenheit, als das hier und da vielleicht anklingt in Ihrem Beitrag.

    Armbrüster: Auf die Themen kommen wir gleich noch mal zu sprechen. Als Heulsusen bezeichnet Steinbrück ja die Kritiker in seiner Partei. Er hat auch schon Beinfreiheit für sich von der SPD gefordert. Sehen wir da schon, wie schlecht Steinbrück und die SPD zusammenpassen?

    Schwesig: Steinbrück und die SPD passen nicht schlecht zusammen, im Gegenteil. Ich habe das ja eben versucht zu erklären. Die SPD hat ein ganz klares Ziel, und da steht jedes Mitglied hinter: Wir wollen Frau Merkel und die schwarz-gelbe Chaosregierung ablösen, diese Regierung hat abgewirtschaftet. Wir erleben, dass Menschen, die arbeiten, nicht davon leben können, dass sie keine gute Altersvorsorge schon gar nicht davon haben, dass wir die Pflege privatisieren. Wir erleben, dass nichts getan wird für gute Ganztagskitas, Ganztagsschulen und, und, und. Und wir erleben eine Frau Merkel, die in Europa eher zaudert anstatt entscheidet und die die Finanzmärkte im Grunde machen lässt was sie will, und damit ist Politik gar nicht mehr handlungsfähig. All das wollen wir beenden, all das wollen wir besser machen mit Rot-Grün und mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat, und Peer Steinbrück hat ganz klar gesagt, dass er dafür bereitsteht, nur dafür, und dass er kämpfen will, und ich glaube, an diesem Kampfeswillen hat niemand Zweifel, und deswegen sehe ich viele, viele Einigkeiten und bin sehr, sehr positiv, dass wir jetzt auf Angriffsmodus schalten.

    Armbrüster: Dann lassen Sie uns, Frau Schwesig, mal kurz über eines der Themen reden, was Sie da herausgestellt haben und was ja sehr wichtig wird: die Altersvorsorge. Da ist die SPD ja nach wie vor zerstritten und kann kein Konzept präsentieren.

    Schwesig: Die SPD ist nicht zerstritten und wir haben ein Konzept. Aber wir haben auch noch offene Punkte und diese Diskussion um die Rente zeigt doch eins: Uns sind die Belange der Menschen in Deutschland wichtig. Die Menschen fragen sich, wenn ich mich anstrenge und jetzt schon kaum klarkomme mit meinem Einkommen, wie soll das eigentlich bei der Rente sein, und da suchen wir Antworten, aber Antworten, die finanzierbar sind und die wir dann auch umsetzen können, denn Glaubwürdigkeit ist ganz wichtig. Und wir haben eine Menge Antworten, ja, ich bin schon dabei.

    Armbrüster: Frau Schwesig, dann sagen Sie uns ...

    Schwesig: Nicht so ungeduldig so früh am Morgen. Ich verstehe es. Aber wir haben eine ganze Menge auf den Tisch gepackt im Rentenkonzept. Für uns ist klar, dass jemand, der 45 Jahre arbeitet, dann auch abschlagsfrei in Rente gehen kann, egal ob er schon 65 oder 67 erreicht hat. Für uns ist klar, dass die Menschen, die heute vor allem wenig Geld verdienen, weil auch diese Bundesregierung nicht den Mindestlohn einführt, später eine Solidarrente von mindestens 850 Euro kriegen sollen, wenn sie eine bestimmte Anzahl von Jahren auch gearbeitet haben. Und für uns ist auch klar, dass wir nicht wollen, dass, wenn Menschen krank werden und in Erwerbsminderungsrente gehen, sie hohe Abschläge haben. Es gibt einen offenen Punkt, und darum geht es Ihnen sicherlich auch: Wie gehen wir eigentlich um mit dem Rentenniveau? Hier ist doch die entscheidende Frage, von wie viel gehen wir aus, wie werden sich die Löhne in den nächsten Jahren entwickeln. Und wenn man heute schon nichts gegen das Lohndumping tut, dann wird sich die Rente noch schlechter entwickeln, unabhängig, wie hoch der Prozentpunkt ist.

    Armbrüster: Ist das Ihre Art, der Frage auszuweichen, 43 Prozent oder 50 Prozent oder irgendwas dazwischen?

    Schwesig: Nein, im Gegenteil. Ich will Ihnen sagen, dass eben nicht nur die Frage im Raum steht, 43 oder 50, sondern dass die Frage ist von was, von welcher Höhe, und das sind ja die durchschnittlichen Nettolöhne; und dass wir doch heute schon das Problem haben, was nutzen Ihnen 50 Prozent, wenn letztendlich die Löhne weiter absinken. Diese Frage steht, wie wir damit umgehen, wie wir sie finanzieren und dass wir es dann auch wirklich umsetzen können, und ich bin sicher, dass der Parteivorstand dazu heute klug berät und dass wir dazu auch in den nächsten Wochen weiter beraten und einen entsprechenden Vorschlag präsentieren, der dann aber auch glaubwürdig und umsetzbar ist, denn darauf kommt es am Ende an.

    Armbrüster: Das heißt, wir können festhalten, wir müssen noch ein paar Wochen warten, bis die SPD ihr endgültiges Konzept präsentieren kann?

    Schwesig: Ich kann Ihnen den Zeitplan jetzt noch nicht genau sagen, weil das ist ja genau das, was wir heute Morgen beraten - das kam in Ihrem Beitrag vor -, und dem kann ich natürlich nicht vorgreifen.

    Armbrüster: Frau Schwesig, Sie waren vor drei Jahren im Kompetenzteam des SPD-Kandidaten Steinmeier. Hat Steinbrück Sie jetzt schon angerufen, dieses Jahr auch wieder mitzumachen?

    Schwesig: Heute im Parteivorstand steht erst mal die Nominierung, der Nominierungsvorschlag von Peer Steinbrück, der ja dann von einem Bundesparteitag basisdemokratisch im Dezember beschlossen werden muss, und jetzt kommt es erst mal auf den Kanzlerkandidaten an und dann sehen wir alles Weitere.

    Armbrüster: Sie haben da ja einige Erfahrung. Was muss der Kandidat Steinbrück besser machen als der Kandidat Steinmeier?

    Schwesig: Es sind verschiedene Typen und da geht es nicht um besser oder schlechter. Fakt ist eins: Wir müssen wirklich geschlossen als Partei auf Angriff schalten, dafür ist Peer Steinbrück der Richtige, er ist der Richtige, Frau Merkel und die schwarz-gelbe Chaosregierung abzulösen, und die Menschen können darauf vertrauen, dass er die Dinge sagt, die er dann auch so meint und macht. Das sind alles Vorteile, die Frank-Walter Steinmeier genauso hatte, aber die Vergleiche ziehen nicht, weil, wir sind heute auch in einer anderen Situation. Wichtig ist, dass wir gemeinsam kämpfen, der Kandidat und die Partei.

    Armbrüster: Das heißt, er muss nichts anderes machen als der Kandidat, der verloren hat vor drei Jahren?

    Schwesig: Peer Steinbrück wird vieles anders machen, weil er auch einfach ein ganz anderer Typ ist. Das wissen Sie und das werden wir auch alle sehen. Wichtig ist, dass Kandidat und SPD geschlossen kämpfen für das gemeinsame große Ziel, Frau Merkel und die schwarz-gelbe Chaosregierung abzulösen, um es besser zu machen für die Menschen in Deutschland.

    Armbrüster: Manuela Schwesig war das, die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, heute Morgen live hier bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Frau Schwesig, für das Gespräch.

    Schwesig: Vielen Dank, einen schönen Tag!

    Armbrüster: Danke.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.