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Peinliche Pannen

Entwicklungsbiologie. - Vor genau einer Woche haben wir hier ausführlich über einen Durchbruch berichtet. US Forschern war es erstmals gelungen, aus geklonten menschlichen Embryonen Stammzellen zu gewinnen. Die Arbeit, publiziert im renommierten Fachmagazin "Cell", war ein Meilenstein, zumindest schien es bis vor ein paar Stunden so. Seitdem kursieren im Internet Gerüchte, wonach der Artikel handwerkliche Fehler haben soll. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter mehr.

Michael Lange im Gespräch mit Ralf Krauter | 23.05.2013
    Krauter: Herr Lange, wer kritisiert da was?

    Lange: Ja, es kommt von der Internetseite pubpeer, das ist ein Forum, auf dem Wissenschaftler bereits veröffentlichte wissenschaftliche Daten noch einmal überprüfen. Diese Wissenschaftler, die das machen, die sind anonym. Das ist auch in diesem Fall so. Da schreibt ein peer 1, er hat sich die Arbeiten von Shoukrat Mitalipov genau angeguckt und hat da vier Fehler entdeckt und das beschreibt er dann ganz ausführlich, was da nicht stimmen kann. Einen dieser vier Fehler habe ich mir mal ein bisschen genauer angeschaut. Die Veröffentlichung ist elf Seiten lang und auf Seite 3 befindet sich ein großes Bild, das eine Stammzellenkultur zeigt. Das sind so viele kleine Zellen und die sind in einer ganz bestimmten Art angeordnet. Diese Zellkultur ist damit typisch. Und die soll einfach nur zeigen, wie schön die Zellen aus humanen embryonalen Stammzellen, wie schön die gewachsen sind. Dann gibt es auf der Seite 7 mehrere kleine Bilder, und diese mehreren kleinen Bilder sollen zum Beispiel wie das erste Bild links zeigen, dass keine Eizellen-DNA sich in dieser Stammzellkultur befindet. Denn die Eizelle muss ja ohne Erbgut gewesen sein. Das heißt, Eizellen DNA muss ja hier fehlen. Da werden bestimmte Sonden drauf gegeben, die das nachweisen sollen. Und da sieht man tatsächlich: Hier leuchten keine Sonden, folglich keine Eizellen-DNA. Aber dann schaut man sich beide Bilder genau an, die sehen genau gleich aus. Die Zellen, die eine bestimmte Anordnung haben, sind genau gleich angeordnet. Es handelt sich um die gleichen Bilder. Und so ist es bei den anderen Sachen auch. Da sind bestimmte Sachen, wo ein und dasselbe Bild zwei Aussagen unterstützen soll.

    Krauter: Also dasselbe Bild an zwei Stellen. Da kann irgendetwas nicht richtig sein. Wie reagiert denn der beschuldigte Forscher es auf diese Vorwürfe?

    Lange: Ja, der war zuerst anscheinend abgetaucht. Er sagt, er war aber unterwegs und hat es gar nicht mitbekommen was da inzwischen im Internet tobt. Er hat jetzt in einem Gespräch mit Nature klargestellt: Die Ergebnisse sind echt, die Zellen sind echt, alles ist real. Dass es sozusagen seine Hauptaussage. Aber er geht dann eben auch auf die einzelnen Vorwürfe ein. Er sagt: Einer der Vorwürfe stimmt nicht. Drei, einen davon habe ich gerade erklärt, drei sind aber Flüchtigkeitsfehler. Dadurch würde die Arbeit nicht infrage gestellt. Das sei einfach in der Hektik der Arbeit entstanden. Man habe am Schluss sehr schnell sein müssen und habe dann nicht genau aufgepasst. Die Bildunterschriften seien teilweise vertauscht worden und so sei es passiert, dass hier tatsächlich die falschen Bilder entweder eingestellt wurden, oder wenn Bilder doppelt verwendet wurden, dann hätten sie eben klarer gekennzeichnet werden müssen. Es könne durchaus sein, dass ein Bild zwei Aussagen unterstützt.

    Krauter: Also vermutlich keine Fälschung, aber zumindest eine peinliche Panne. Da fragt man sich ja: Das Fachmagazin "Cell", das die Arbeit publiziert hat, das gilt eigentlich als sehr seriös. Man muss doch davon ausgehen, dass die diesen Artikel, wenn er so weit reichende Folgen hat, besonders gründlich geprüft haben. Aber offenbar nicht?

    Lange: Ich bin auch davon ausgegangen. "Cell" gilt eigentlich als sehr seriös. Ist aber in diesem Fall nicht passiert. Es wurde jetzt mehrfach behauptet, dass die Überprüfung, der peer review, innerhalb von vier Tagen stattgefunden hat. Das ist extrem schnell, gerade für "Cell", da nimmt man sich manchmal ein halbes Jahr Zeit. Und Shoukrat Mitalipov schiebt es auch auf diese Hektik, auf diese kurze Zeit die Ursache, sagt, das war die Ursache. Aber er nimmt auch die Schuld auf sich. Er sagt: Ich wollte unbedingt auf einem Stammzellkongress die Ergebnisse bekanntgeben, und deshalb habe ich hier Druck gemacht, und das war verkehrt, und ich entschuldige mich dafür, und ich liefere die richtigen Daten innerhalb der nächsten Wochen nach. Und was noch viel wichtiger ist: Er hat auch versprochen, Zellen anderen Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen. Und wenn die anderen Wissenschaftler die Zellen überprüft haben und sagen: OK, diese Zellen sind geklont, dann kann man sagen: OK, diese Arbeit stimmt. Aber solange ist alles offen.

    Krauter: Bis dahin werden aber sicher noch Monate ins Land gehen, bis man endgültig sicheres weiß, das ist diesmal wirklich ein Durchbruch.

    Lange: Zumindest Wochen.