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Personalmangel an NRWs Grundschulen
Warum kein Lehrer Schulleiter werden will

Der Lehrerverband VBE schlägt Alarm: Laut einer aktuellen Umfrage herrscht an vielen Grundschulen in NRW akuter Personalmangel. Fast die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen ist bisher nicht besetzt. Davon besonders betroffen: die Positionen mit Leitungsfunktion. Jetzt sollen sogar Pensionäre helfen, den Lehrermangel zu bekämpfen.

Von Kai Rüsberg | 12.12.2016
    Schüler der vierten Klasse der Grundschule "Wilhelm Busch" Altenburg sitzen in Altenburg (Thüringen) in einem interaktiven Klassenzimmer vor ihren Laptops.
    Inklusion, Flüchtlinge, wachsender Lernstoff: Immer mehr Lehrer und Lehrerinnen sehen sich hohen Belastungen ausgesetzt. (dpa / picture alliance / Marc Tirl)
    Aufregung an der Liboriusschule in Bochum. An der städtischen Gemeinschaftsgrundschule ist Feueralarm. Alle müssen sofort in Pantoffeln die Klassenräume verlassen und raus auf den vereisten Schulhof. Nach 15 Minuten ist die Übung der Feuerwehr für die Kinder und Lehrer vorbei. Nicht aber für Schulleiterin Babara Klefken, für sie steht die Nachbereitung an.
    "Muss man immer machen. Gucken, dass die Rettungswege frei sind."
    Sicherheitschecks im Gebäude gehören ebenso zu den Aufgaben wie Personalgespräche, Elternsprechstunden, Budgetabrechnungen und das Kostüm für den Nikolaus besorgen und wieder wegbringen.
    Klefken ist er seit 2 Jahren Rektorin. Sie hat die pensionierte Vorgängerin ersetzt. Die Stelle des Konrektors ist aber unbesetzt. Im Kollegium gibt es niemanden, der sich auf die Stelle bewerben will:
    "Es ist ne Frage, ob ich rein möchte in diese Stelle. Ob dass das ist, was ich mir von meinem Lehrerberuf gewünscht habe. Viele sagen, ich möchte primär mit den Kindern arbeiten und die Verwaltungstätigkeiten nicht haben, die man als Leiter hat."
    Kritik von Lehrerverbänden und Gewerkschaften
    Die Lehrerverbände und Gewerkschaften kritisieren seit Jahren, dass die Besoldung von Lehrern in Grundschulen geringer ist, als an Gymnasien, und dass insbesondere die Rektoren- und Konrektoren-Posten zu gering bezahlt werden. Für die 41-jährige Babara Klefken war das aber kein Grund, sich abschrecken zu lassen.
    "Dafür bin ich nicht Lehrerin geworden, nicht um Karriere zu machen. Sondern um mit Kindern zusammen zu arbeiten und was zu machen.
    Gabriele Matern gehört an der Liboriusschule zu den langjährig erfahrenen Lehrerinnen im Kollegium. Sie hätte alle Qualifikationen, aber eine Bewerbung als Konrektorin kam für sie trotzdem nicht in Frage.
    "Wir sehen ja, wie viel Arbeit das macht, von daher: ne. Das ist anstrengend, die Arbeit mit den Kindern, Eltern, es wird mehr mit Therapeutengesprächen. Flüchtlinge, man muss sich um Dolmetscher kümmern. Es ist ein Wust neben dem normalen Unterricht. Und dann noch mehr neben dem normalen Unterricht, das liegt nicht jedem. "
    Landesweit mangelt neben Leitungspersonal besonders an Fachkräften für die Inklusion, sagt der Lehrerverband VBE.
    An der Liboriusschule konnten die notwendigen Stellen für Lehrkräfte aber alle besetzt werden, auch eine Sonderpädagogin ist an Bord, die sich um hörbehinderte Kinder kümmert. Doch das ist in Bochum nicht überall so, sagt die Rektorin:
    "Es gibt Schulen, wo die Personaldecke sehr eng ist. Im Schulamt wird ausgeschrieben für Vertretungsstellen. Die Bewerberzahlen sind nicht besonders gut. Dass da keine sind, die sich bewerben. "
    Das Bildungsministerium in Nordrhein-Westfalen sagt, die Ausschreibungen für neue Stellen würden noch laufen, und viele offene Stellen bis Februar besetzt. Sprecherin Babara Löcherbach:
    "Es ist richtig, dass wir Probleme bei der Besetzung haben. Rechnerisch haben wir zwar eine ausgeglichene Situation in NRW zwischen Bewerbern und besetzenden Stellen, aber es gibt Regionen, in denen die Stellen schwerer zu besetzen sind, als in anderen."
    Vielfältige Ursachen für den Lehrermangel
    Die Ursachen seien vielfältig: Zum Beispiel habe die Zahl der Flüchtlinge für einen hohen Bedarf an Lehrkräften gesorgt, die nicht mehr für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. Sofortmaßnahmen sollen für eine Linderung des Problems sorgen. Das Ministerium hat zu zusätzlichem Engagement aufgefordert:
    "Da haben wir dafür gesorgt, das man seine Teilzeit aufstockt, vorzeitig aus Beurlaubung zurückkehrt, für späteren Eintritt in den Ruhestand geworben und Rückkehr von Pensionären."
    Aufgrund der Umstellungen im Bachelorstudium bei Grundschullehrern gebe es zur Zeit eine zusätzliche Lücke von Absolventen, die künftig aber geschlossen werde. Das bestätigt auch die Referendarin Leonie Wölki, die seit November an der Bochumer Grundschule ist.
    "Vielleicht auch deswegen, weil sich dieses auf 5-Jahre Studium sich erst entwickelt und abgewartet werden muss, bis Leute nach 5 Jahren fertig sind."
    Fehlende männliche Bewerber
    Auffällig ist aber auch, dass männliche Studienabsolventen fehlen, weil sie eher eine Laufbahn als Lehrer in Sekundarschulen anstreben. Hier im Kollegium gibt es schon seit mehr als zehn Jahren keinen männlichen Lehrer mehr. Auch eine Baustelle für die Bildungspolitik in NRW.