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Personalmangel in Kitas
Mainz holt Erzieher aus Partnerstädten

Weil in den Kitas dringend Erzieher gebraucht werden, nutzt die Stadt Mainz ihre Kontakte ins Ausland. Aus Partnerstädten in Spanien und bald auch aus den Niederlanden lockt die Stadtverwaltung Erzieher an. Die kommen gerne, da sie in der Heimat kaum Arbeit finden. Ein Problem gibt es allerdings.

Von Ludger Fittkau | 29.08.2014
    Valencia – die gibt es am Rheinufer nicht. Und die sanften Wellen an der Mainzer Uferpromenade ersetzen nicht das Mittelmeer. Frischen Fisch, gefangen vor der spanischen Küste, den vermisst Lucia Castello Munoz schon sehr. Doch nach einem Jahr Arbeit in einer Mainzer Kita verfliegt das Heimweh bei der 28-Jährigen mehr und mehr. Es hilft, dass ihr Mann und ihr zweijähriger Sohn mit nach Mainz gekommen sind. Und es hilft, dass es mit der deutschen Sprache immer besser klappt – auch in der Kommunikation mit den Kindern in der Kita:
    "Ich bekomme viel Hilfe von meinen Kollegen und es ist einfach, mit Kindern zu arbeiten. Weil sie auch Geduld haben und ich lerne jeden Tag mit ihnen."
    Die hohe Arbeitslosigkeit in der Mainzer Partnerstadt Valencia bewegte Lucia Castello Munoz und ihre Familie zum Umzug an den Rhein. Zumal auch ihr Mann, ein gelernten Ingenieur, in Spanien vor einem Jahr keinen Job bekam, der seiner Ausbildung entsprach: Er verlegte zuletzt 12 Stunden am Tag in brütender Hitze Gummileitungen in den Orangenplantagen - mies bezahlt. In Mainz arbeitet er jetzt als Straßenbahnfahrer- tariflich abgesichert. Und auch dabei muss es nicht bleiben, glaubt Christian Rausch, Leiter des Hauptamtes der Stadt Mainz:
    "Und die Perspektiven, wenn man einmal in einem so großen Laden drin ist wie den Stadtwerken, eine Tätigkeit zu bekommen, die der eigenen Ausbildung entspricht, die sind auf jeden Fall höher als zur Zeit auf dem Arbeitsmarkt in Valencia."
    Die Kita Sandflora in Mainz-Gonsenheim. Drei Gruppen mit je 22 Kindern, davon jeweils fünf Plätze für Zweijährige. Der Personalbedarf ist entsprechend groß, die Erzieherinnen aus Spanien kamen da gerade richtig, freut sich Kita-Leiterin Heike Lehnert:
    "Wir haben zwei spanische Mitarbeiterinnen und wir sind begeistert von beiden Mitarbeiterinnen. Sie bereichern unsere Arbeit und sie bringen eine solche Vielfalt in unser Team, wir hätten uns nichts Positiveres vorstellen können."
    Die Kita-Ferien verbringen viele Erzieherinnen bei ihren Familien in Valencia
    Von den 30 spanischen Erzieherinnen, die im vergangenen Jahr nach Mainz kamen, haben lediglich drei wieder aufgegeben. Jobangebote für die mitgereisten Partner und schnelle Kita-Versorgung für die eigenen Kinder der Fachkräfte aus Valencia – damit hat die Stadt Mainz die meisten – trotz Heimweh - zum Bleiben bewegt. Christian Rausch von der Stadt Mainz:
    "Das klappt wunderbar. Wir haben natürlich hohe Hürden geschaffen, indem wir gesagt haben, bevor sie nach Deutschland kommen, müssen sie Deutsch zumindest auf einem Grundniveau können. Und wir bieten allen, die da sind auch an, dass sie Deutschkurse berufsbegleitend machen. Einerseits die Fachsprache ein bisschen vertiefen, weil man die in einem normalen VHS-Kurs nicht gelernt hat. Und andererseits auch die Sprachpraxis und die Kinder in den Kitas sind natürlich auch gute Deutschlehrer."
    Trotz der Verstärkung aus Spanien herrsche jedoch weiterhin Personalmangel in den Mainzer Kitas, betont der Personalrat der Stadt Mainz. Im Schnitt könnten pro Kita 22 Arbeitsstunden pro Woche weiterhin nicht geleistet werden, kritisiert die Vertretung der kommunalen Beschäftigten. Rund 150 Erzieherinnen und Erzieher werden tatsächlich im kommenden Jahr noch zusätzlich gebraucht, schätzt der Mainzer Hauptamtschef Christian Rausch. Sein Blick geht wieder ins europäische Ausland – diesmal in die Niederlande:
    "Und es scheint so zu sein, dass es Holländerinnen und Holländer gibt, die gerne in Deutschland arbeiten würden, in unseren Kitas. Und nach denen strecken wir jetzt unsere Fühler aus."
    Nicht unwahrscheinlich also, dass Empa Peres Bondia in der Kita Sandflora künftig in einem gemischt niederländisch-spanischen Team arbeiten wird. Auch sie will bleiben – trotz aller kulturellen Unterschiede zwischen Mittelmeerraum und Mainzer Bucht:
    "Ich vermisse meine Familie und meine Freunde in Valencia – aber es ist okay."
    Die Kita-Ferien verbringen viele Erzieherinnen und ihre Familien zuhause in Valencia. Sie tanken während ihres Urlaubs die hellen Sommerfarben , die sie für den etwas dunkleren Herbst und Winter am Rhein brauchen.
    Und wer weiß: Vielleicht wird irgendwann der sanfte Wellenschlag an der Mainzer Uferpromenade fast so vertraut wie das Meeresrauschen vor ihrer Heimatstadt.