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Perus Goldabbau
Notstand im Regenwald

Peru ist der fünftgrößte Goldexporteur der Welt. Etwa 170 Tonnen Gold gehen jedes Jahr vor allem nach Europa. Produziert allerdings zum Teil unter haarsträubenden Bedingungen. Jetzt hat die peruanische Regierung wegen einer Quecksilberverschmutzung durch den Goldabbau den Notstand für ein 85.000 Quadratkilometer großes Gebiet im Regenwald ausgerufen.

Von Julio Segador | 26.05.2016
    Goldgräber am Madre de Dios Fluss in Peru
    Goldgräber am Madre de Dios Fluss in Peru (Imago / Mint Images)
    Wenn Luis Miguel Tayori seine Heimat, die Region Madre de Dios im peruanischen Amazonas-Regenwald, heute sieht, fällt ihm ein Vergleich ein:
    "Die Gebiete, in denen nach Gold geschürft wird, gleichen dem Wilden Westen in den USA im 19. Jahrhundert. Nur, dass sie statt Pferde jetzt Gelände-Motorräder haben, mit denen sie in den Regenwald fahren. Überall gibt es Kneipen, Menschenhandel und Prostitution. Das sind 35 Kilometer Verwüstung und alles in einem Naturschutzgebiet."
    Es ist ein regelrechter Goldrausch, der viele Schürfer und Glücksritter erfasst hat. Und Luis Miguel Tayori und seine Stammesmitglieder von der indigenen Gemeinschaft Puertoluz müssen tatenlos mitansehen, wie ihre Heimat zerstört wird. Die Urwaldflüsse in der Region führen aus den Anden den begehrten Goldstaub mit. Im Tiefland vermischt er sich mit Sand und wird dort abgeladen. Ein lukratives Geschäft für die Goldschürfer, die sich auch von Hitze, Moskitos und wilden Tieren nicht abschrecken lassen.
    Doch der Goldrausch hinterlässt in der Landschaft und bei den Menschen drastische Spuren. Und die Goldschürfer haben einen gefährlichen Helfer im Gepäck: das Quecksilber, mit dem der Goldstaub aus dem Sand herausgefiltert werden kann. Das Metall hat weite Teile der Amazonas-Region Madre de Dios verseucht.
    Ausruf des Umweltnotstandes
    Nun reagiert die peruanische Regierung: Sie hat dort in einem Gebiet etwas größer als das Bundesland Bayern den Umweltnotstand ausgerufen. Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal sorgt sich um die Einwohner der Region:
    "Die Menschen dort müssen jetzt schnell behandelt werden. Und wir müssen die Verseuchung rasch in den Griff bekommen. Das Quecksilber häuft sich im Körper an und führt zu langfristigen Erkrankungen. Vor allem zu neurologischen Erkrankungen, ebenso zu Beeinträchtigungen der Nieren. Der Staat hat die Pflicht, sich um die Menschen zu kümmern."
    Geplant ist, in der Region Lebensmittel zu verteilen. Zudem sollen mobile Krankenhäuser errichtet werden, um die Bevölkerung zu untersuchen. Nach jüngsten Messungen hat fast jeder zweite Bewohner in den betroffenen Gebieten, in denen die Goldsucher unterwegs sind, eine zu hohe Quecksilberkonzentration im Körper. Luis Fernandez vom Carnegie-Institut der Stanford-Universität in den USA hat im Rahmen eines Forschungsprojektes die Quecksilberkonzentration in Flora und Fauna in der Region Madre de Dios in den vergangenen Jahren immer wieder untersucht. Er ist auf alarmierende Ergebnisse gestoßen:
    "Die Bewohner in der Region ernähren sich hauptsächlich von Fisch. Und wir haben herausgefunden, dass sie im Durchschnitt Quecksilberwerte im Blut haben, die das Dreifache dessen übersteigen, was die Weltgesundheitsorganisation noch toleriert. Am stärksten sind die indigenen Gemeinschaften betroffen. Wir hatten Einzelfälle, bei denen die Werte das 35-fache überstiegen, was der Gesundheit zumutbar war."
    Goldindustrie ist wichtiger Wirtschaftsfaktor
    Die Goldindustrie ist für Peru ein wichtiger und lukrativer Wirtschaftsfaktor. Das Land ist der fünftgrößte Goldexporteur der Welt und in den vergangenen 15 Jahren ist der Goldpreis enorm gestiegen. Etwa 170 Tonnen Gold gehen jedes Jahr vor allem nach Europa, wo das Edelmetall hauptsächlich zur Schmuckherstellung verwendet wird.
    Doch die Landschaft im Regenwald wird unwiederbringlich zerstört, die Menschen werden krank. In Peru hat inzwischen eine heftige Diskussion eingesetzt, ob es hilft, die Goldschürfer – es dürften um die 30.000 sein - zu legalisieren, um so die negativen Begleiterscheinungen einigermaßen in den Griff zu bekommen.
    Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori hat sich während des Wahlkampfes dafür eingesetzt, die Klein-Schürfer zu legalisieren. Sie will bestimmte Umweltgesetze nach einer möglichen Wahl zur Präsidentin kippen.
    Unter anderem sollen dann auf den Flüssen wieder Schürfboote zugelassen werden, die im Wasser nach Mineralien suchen. Umweltminister Pulgar-Vidal sieht diese Ankündigung mit Sorge. Ebenso Luis Miguel Tayori von der indigenen Gemeinschaft Puertoluz aus Madre de Dios. Für ihn ist dies ein weiterer Schritt zur Vernichtung seiner Heimat.
    "Für mich macht das keinen Unterschied, ob die Goldschürfer dort legal oder illegal arbeiten. Die Flüsse werden genauso kontaminiert, die Landschaft wird genauso verwüstet. Übrig bleiben Sandhügel und Steine. Da wächst kein Baum mehr. Das ist alles nur noch eine große Wüste, wo wir nichts mehr anbauen können."
    Schon jetzt ist die Perspektive für die Region nach den Worten von Umweltminister Pulgar Vidal alles andere als positiv. Die Folgen des illegalen Bergbaus würden Mensch und Natur noch 80 Jahre begleiten.