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Vor 125 Jahren
Eröffnung der Weltausstellung in Chicago

Am 1. Mai 1893 wurde die Weltausstellung von Chicago eröffnet. Es sollte die größte werden, die es bis dahin gegeben hatte. 70.000 Aussteller aus 46 Nationen waren gekommen, um ihre technischen Errungenschaften vorzustellen. Und die markierten den Beginn einer neuen Ära.

Von Alfried Schmitz | 01.05.2018
    Historische Illustration: die Weltausstellung in Chicago, Illinois, USA, 1893
    Historische Illustration der Weltausstellung in Chicago, 1893 (imago/imagebroker)
    Das hatte es bei noch keiner Weltausstellung gegeben: Ein kurzer Knopfdruck genügte, um eine gigantische Maschinerie in Gang zu bringen und das Publikum bei der Eröffnungsfeier in Erstaunen zu versetzen.
    "Das gesamte Ausstellungsgelände war elektrifiziert, elektrisch beleuchtet." (Ursula Lehmkuhl, Professorin für Internationale Geschichte an der Universität Trier)
    Um diese Attraktion hatten sich im Vorfeld zwei Amerikaner einen harten Konkurrenzkampf geliefert. Unterlegen war dabei der Verfechter des Gleichstromprinzips Thomas Alva Edison. Den Zuschlag hatte der Unternehmer George Westinghouse erhalten. Er hatte auf Wechselstrom gesetzt, weil sich der ohne größere Spannungsverluste über weite Distanzen schicken lässt.
    Mit dieser und anderen Errungenschaften wollten die USA 400 Jahre nach der Ankunft von Kolumbus beweisen, dass sie sich vollends von der Alten Welt emanzipiert hatten.
    "Es ist unsere Hoffnung, dass diese große Ausstellung der Anfang einer neuen Ära eines stabilen, materiellen Fortschritts sein werde, und dass durch die Zusammenkunft der Nationen hier wärmere und stärkere Freundschaft hergestellt und der Weltfriede dauernd gesichert werden möge."
    In Chicago wollte man neue Maßstäbe setzen
    Mit diesen Worten hatte Generaldirektor George R. Davis die Weltausstellung von Chicago am späten Vormittag des 1. Mai 1893 eröffnet. Es sollte die größte EXPO werden, die es bis dahin gegeben hatte. Auf einem zweieinhalb Quadratkilometer großen Areal waren dafür am Ufer des Michigansees über zweihundert Gebäude im neoklassizistischen Stil errichtet worden. Die Fassaden in strahlendem Weiß.
    Ursula Lehmkuhl, Professorin für Internationale Geschichte an der Universität Trier:
    "Weiß als Farbe der Zivilisation. Das Land veränderte sich. Viele Einwanderer nicht mehr aus Nord- und Westeuropa, sondern aus Osteuropa, aus Südosteuropa, aus Südeuropa. Und es war die Frage, wer sind wir? Was ist ein Amerikaner? Und da kamen natürlich die eingesessenen White Anglo Saxon Protestants und kreierten ein Bild des Amerikaners, das basierte auf Protestantismus, auf Weiß-Sein und ... Und von daher symbolisiert das Weiß tatsächlich das weiße Mittelklasse-Amerika."
    In der "White City", wie das Ausstellungsgelände genannt wurde, präsentierten sich 70.000 Aussteller aus 46 Nationen. 25.000 kamen alleine aus den USA.
    Zwar hatte die junge Nation schon bei der ersten Weltausstellung 1851 in London beweisen können, dass sie im internationalen Industrie-Wettstreit durchaus mithalten konnte, doch in Chicago wollte man neue Maßstäbe setzen.
    "Die USA waren 1893 aufgestiegen zu einer imperialen Macht. Es ist die Zeit des amerikanischen Turbokapitalismus, wo sich die großen Unternehmen etablieren und damit zusammenhängend auch eine Zeit der Erfindungen. Es wird wirklich viel in Erfindungen investiert und das wird dort repräsentiert."
    Es gab viele Sensationen in Chicago
    Der Elektrotechnik-Pionier Edison stellte einen neuentwickelten Filmprojektor vor. Das US-Telefonunternehmen Bell überraschte mit Langstreckenverbindungen nach New York und Boston. Die erste Spülmaschine, eine voll-elektrische Küche, ein rollender Fußsteig und eine Hochbahn mit Elektro-Antrieb gehörten ebenfalls zu den Sensationen von Chicago.
    "All diese Ausstellungsgegenstände sind getestet worden in öffentlichen Wettbewerben. Und am Ende gab es Medaillen. Und da haben die USA sehr, sehr gut abgeschnitten."
    Doch nicht nur die technischen Erfindungen waren es, die innerhalb von sechs Monaten 26 Millionen Besucher zur Weltausstellung nach Chicago lockten. Auch der Vergnügungspark mit Erlebnisgastronomie, Zirkusvorführungen, Kirmesbuden und einer künstlichen Eisfläche für Schlittschuhläufer wurde zum Publikumsmagneten. Die größte Attraktion war aber ein 80 Meter hohes Riesenrad, bestückt mit 36 Gondeln so groß wie Pferdewagen.
    "Schon Vergnügung, aber auch mit dem Ziel einer visuellen Strategie, nämlich dass die Zuschauer von oben sehen können, was zivilisatorischer Fortschritt bedeutet."
    Die Ureinwohner Nordamerikas, deren Lebensraum diesem zivilisatorischen Fortschritt zum Opfer fiel, wurden auf der Weltausstellung von Chicago noch als exotische Wilde zur Schau gestellt. Erst 1924 erhielten sie die amerikanische Staatsbürgerschaft und 1934 das Recht zur Ausübung ihrer Kultur.