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Pestizid Glyphosat
Ein verwirrender Kampf um die Wahrheit

Mit Pflanzenschutzmitteln sparen Bauern viel Zeit und steigern die Erträge der Felder. Der weltweit bedeutendste Inhaltsstoff ist Glyphosat: 725.000 wurden allein 2012 davon versprüht. Es ist auch schon längst in der Nahrungskette, es wurde etwa in Brot, im Urin und in der Muttermilch nachgewiesen. Aber es gibt Zweifel an der Unbedenklichkeit von Glyphosat.

Von Jantje Hannover | 04.09.2015
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg).
    Ein Landwirt fährt in Brandenburg mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Die Brandenburger Uckermark im März. Ein Spritzwagen fährt langsam über einen Acker, mit seinen Seitenarmen hat er die Spannweite einer mehrspurigen Straße. Aus den Düsen sprüht ein feiner Nebel auf den Boden herab, dort unten sind noch die Erntereste aus dem Vorjahr zu sehen. Ob es sich bei dem ausgebrachten Mittel um ein Pestizid auf Glyphosat-Basis handelt, lässt sich schwer sagen. Landwirte geben nur ungerne Auskunft über ihre Spritzmittel.
    "Der Bauer fährt einmal mit Glyphosat drüber, das dauert eine Stunde, über die gleiche Fläche muss er mehrfach und vor allen Dingen auch langsamer mit der Egge drüber fahren, das kostet ihn einen halben Tag. Das ist eine reine Arbeitsproduktivitätsgeschichte, dass man dem Glyphosat hinterhertrauert", erklärt der Agraringenieur Peter Clausing. Der deutsche Bauernverband wollte sich zum Thema Glyphosat nicht äußern.
    Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Das Spritzmittel blockiert bestimmte essenzielle Aminosäuren im Pflanzen-Stoffwechsel. Alles, was grün ist, wird unter der Glyphosat-Dusche innerhalb weniger Tage mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Nur die Nutzpflanze überlebt: "Das ist eine Frage des Ausbringungszeitpunkts, wenn ich, bevor das ausgesäte Getreide den Boden durchbricht, das Glyphosat versprühe, da mach ich da erst mal die Erde rein von allen Unkräutern, die zu diesem Zeitpunkt schon draußen waren. Und dann dieses jetzt zum Glück eingeschränkte Sikkationsprinzip, dass man in geringeren Konzentration Glyphosat ausbringt, um die reifen Pflanzen vorzutrocknen."
    Der weltweit bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden
    Glyphosat ist schon längst in unsere Nahrungskette eingedrungen. Spuren des Ackergifts finden sich zum Beispiel in Brot, Haferflocken und Erbsen, im menschlichen Urin und auch in Muttermilch. Eine gesundheitliche Gefährdung gehe von dem Mittel aber keineswegs aus, versichert Mark Schäfer. Er ist Marketingchef der deutschen Filiale von Monsanto, einem der weltweiten Hauptproduzenten von Glyphosat: "Landwirte verwenden Pflanzenschutzmittel verantwortungsvoll und nur bei Bedarf. Glyphosat hat im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen ein sehr vorteilhaftes toxikologisches Profil. Insofern sind bei einer vorschriftsmäßigen Anwendung des Spritzmittels keine gesundheitlichen Probleme zu erwarten."
    Glyphosat gilt als weniger giftig als viele andere Pestizide. Seine radikale Wirkweise hat es zum weltweit bedeutendsten Inhaltsstoff von Herbiziden gemacht, das bekannteste davon ist das Mittel "Round-Up" von Monsanto. Zwischen 2002 und 2012 hat sich der Absatz von reinem Glyphosat mehr als verdoppelt, 725.000 Tonnen wurden im Jahr 2012 versprüht.
    Im März dieses Jahres hat die Internationale Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" beim Menschen eingestuft. Kurt Straif ist für die IARC-Monografie verantwortlich, ein Bewertungsbericht, der krebserregende Umweltfaktoren identifiziert: "Es handelt sich um eine Einstufung des Gefährdungspotenzials, quasi eine Antwort auf die Frage, ob Glyphosat beim Menschen Krebs verursachen kann. Im Fall von Glyphosat und dessen Einstufung nach Gruppe 2a lagen Erkenntnisse aus verschiedenen Wissensbereichen vor, die zu dieser Gesamtbewertung zusammengefasst wurden."
    Ein Schmetterling sitzt auf einer Blume vor einer Plastikflasche mit der Aufschrift "Roundup".
    Ein Schmetterling sitzt auf einer Blume vor einer Plastikflasche mit der Aufschrift "Roundup". (imago / Steinach)
    Alle zehn Jahre eine neue Zulassung
    Pestizide müssen in der Europäischen Union alle zehn Jahre neu zugelassen werden. Ende des Jahres läuft die Zulassung für Glyphosat aus, derzeit läuft deshalb wieder das Genehmigungsverfahren, Deutschland wurde als Berichterstatter ausgewählt. Monsanto ist zuversichtlich, dass es auch diesmal mit der Genehmigung klappt: "Zum einen existiert eine wohl einmalige wissenschaftliche Datengrundlage und eine über 40 Jahre lange Geschichte der sicheren Verwendung des Wirkstoffs Glyphosat in unseren Produkten. Zum anderen haben sich Zulassungsbehörden weltweit diese und neue Daten und Fakten angesehen und haben wiederholt die Sicherheit von Glyphosat bestätigt. Drittens: Erst kürzlich hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung bei der Überprüfung der bestehenden EU-Zulassung von Glyphosat die Verlängerung der EU-Genehmigung empfohlen. Dabei sind über 2.700 neue wissenschaftliche Veröffentlichungen berücksichtig worden."
    Bereits Anfang April haben die zuständigen deutschen Behörden ihren Bericht an die europäische Lebensmittelaufsichtsbehörde, die EFSA, abgeschickt. Darin empfehlen sie nicht nur die Verlängerung der Genehmigung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung, kurz BfR, hält sogar eine Erhöhung des Grenzwerts um zwei Drittel für unbedenklich. Roland Solecki ist als Abteilungsleiter für Pestizidsicherheit beim BfR für die gesundheitliche Bewertung zuständig: "Die Antragsteller haben dann alle neuen Informationen vorzulegen, und wir bewerten jede einzelne Studie, die vorgelegt wird, wir machen eine eigene Literaturrecherche dazu und schreiben dann einen Bericht. Beim Glyphosat waren das über 2.000 Seiten."
    Die Pestizid-Hersteller sind gesetzlich verpflichtet, ihren Wirkstoff selbst zu prüfen, erklärt Roland Solecki: "Wer etwas auf den Markt bringen will, muss dafür die finanzielle Bereitstellung haben. Aber die Vorschriften sind von der Kommission, vom Europaparlament erlassen worden, welche einzelnen Studien vorgelegt werden müssen und unter welchen Bedingungen, OECD-Prüfrichtlinien, GLP, sodass auch von unabhängiger Seite eine Überprüfung der Labors stattfinden kann."
    GLP steht für "Gute Labor Praxis". Damit sind internationale Standards gemeint, durch die vor allem Industriestudien transparent gemacht werden sollen. Hersteller haben ein Interesse daran, ihre Produkte in einem positiven Licht darzustellen und könnten die Ergebnisse verfälschen. Wie in der Tabakindustrie geschehen. Jetzt sollen die GLP-Standards das verhindern.
    Schon seit Jahren Hinweise beispielsweise aus Südamerika
    Universitäts- und andere unabhängige Studien werden üblicherweise nicht nach GLP Standards durchgeführt. Teilweise fehlen die Gelder für den Versuchsaufbau, und weil niemand finanziell vom Ergebnis profitiert, hielt man sie bisher für überflüssig. Sogenannte epidemologische Studien erforschen von Bevölkerungsgruppen oder Tierpopulationen ausgehend die Ursache einer Krankheit. Wissenschaftler sichern diese Arbeiten durch das Peer-Review-Verfahren ab – dabei überprüfen unabhängige Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet die Qualität der Studie. Für die Einschätzung der Krebsgefahr sind sie unverzichtbar, betont Kurt Straif vom IARC: "Unbedingt können epidemologische Studien ein hohes Gewicht bei der Gesamtbewertung haben, da letztendlich nur sie den Zusammenhang zwischen Exposition beim Menschen unter Alltagsbedingungen und Krebsrisiko direkt untersuchen können."
    "Es gibt schon seit Jahren Hinweise beispielsweise aus Südamerika, dass in den Sojaregionen, in denen viel Glyphosat angewendet wird, Missbildungsraten und Krebsraten sich enorm steigern. Das ist mittlerweile unterfüttert nicht nur durch subjektive Eindrücke, sondern durch epidemiologische Erhebungen", erklärt beispielsweise Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomiepolitik bei den Grünen. "Es gibt auch Untersuchungen von Embryologen, die Zusammenhänge von Glyphosat und Zellteilungsmechanismen im frühen Embryonalstadium und Missbildung belegen konnten."
    Solche Studien werden naturgemäß nicht im Labor ausgeführt, das Einhalten von GLP-Standards ist kaum möglich. Den Beweis, dass Glyphosat die Ursache einer Erkrankung ist, können sie nicht mit letzter Sicherheit führen. Trotzdem fordern die Grünen, genauso wie 30.000 argentinische Ärzte aus den Spritzregionen, Glyphosat endlich zu verbieten: "Das sind jetzt aus unserer Sicht genügend Hinweise darauf, dass wir im Sinne der Menschen Vorsorge treffen müssen, auch im Sinne der Ökologie. Auch hier haben wir ausreichend Hinweise darauf, dass Glyphosat hochtoxisch für Gewässerorganismen ist, dass Glyphosat zu einer Verarmung der Biodiversität in der Agrarlandschaft führt, diese ganze Verbindung führt dazu, dass wir sagen, Glyphosat muss vom Acker."
    Ein Landwirt versprüht auf einem Getreidefeld unweit des brandenburgischen Wriezen (Märkisch-Oderland) ein Pestizid
    Ein Landwirt versprüht auf einem Getreidefeld unweit des brandenburgischen Wriezen (Märkisch-Oderland) ein Pestizid (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Landwirt macht Futterwerk verantwortlich
    Und raus aus den Futtertrögen. Dafür setzt sich zumindest der Landwirt Hermann Bormann aus Hilgermissen in Niedersachsen ein. Von seinem Hof, auf dem er noch vor wenigen Jahren 130 Milchkühe mit Kälbern gehalten hat, ist es nur ein Katzensprung bis zum Futtermischwerk der örtlichen Raiffeisengenossenschaft. Fünf große Silos blitzen silbrig im Sonnenschein, zur Straßenseite hin ist ein hoher Schornstein zu sehen, im Hof wartet ein LKW, sein Anhänger ist sehr lang. Hermann Bormann hat seinen Wagen gerade vor dem Werk geparkt, auszusteigen traut er sich nicht, man ist zerstritten: "Hier ist der gewerbliche Nachbarbetrieb, das Kraftfutterwerk Raiffeisengenossenschaft Niedersachsen Mitte in Hilgermissen, hier sehen wir die Abkipphalle, die mit geöffneten Türen Betrieb hat, dann wird das Futter dort entladen und im angrenzenden Mischfutterwerk zu Schweinefutter verarbeitet."
    Hermann Bormann vermutet, dass das Werk glyphosathaltige Stäube ausstößt, die ein paar hundert Meter weiter zu Boden gehen. Nämlich genau auf der Weide, wo einst seine Kühe grasten und auf seinem Hof. Früher war Bormann selbst Mitglied der Raiffeisen-Genossenschaft Niedersachsen Mitte. Jetzt beschuldigt er den Betrieb, sein Lebenswerk und seine Gesundheit zerstört zu haben: "Massiv ging es los nach einer Kraftfutterlieferung 2001, wo einige Kühe verendeten, in den Folgejahren ging es immer weiter, und diese Probleme traten immer auf nach einer Windphase aus nördlicher Richtung - Tiere sind verendet, Wachstumsdepression, der Tierbestand war krank und die Todesfälle häuften sich immer weiter, sodass 2012 die Milchviehhaltung eingestellt wurde."
    Bis zum Jahr 2001 war Hermann Bormann ein erfolgreicher Milchviehhalter gewesen, seine Hochleistungs-Kühe hatten auf Tierschauen Preise gewonnen. Über zehn Jahre hat er gegen die schleichende Vergiftung seiner Herde angekämpft, dann hat er aufgegeben. Die Betreiber des Kraftfutterwerks haben es abgelehnt, sich in dieser Sendung zu äußern. In einer früheren Stellungnahme aus der Zeitschrift "Top Agrar" weisen sie jegliche Verantwortung für die Probleme auf dem Hof Bormann zurück. Eine Futterprobe der Lieferung aus dem Jahr 2001, die Licht ins Dunkel hätte bringen können, ging durch ungeklärte Umstände bei der zuständigen Tierärztin verloren. "Wir hatten zwei Jahre gesucht, geforscht nach allen möglichen Ursachen, und kamen dann zu der belegten Feststellung, dass die Herde unter Botulismus leidet, und es kam der Labornachweis, der auch 2004 im August bei mir positiv ausfiel."
    Verdacht in Glyphosat
    Botulismus wird durch das Bakterium Clostridium Botulinum ausgelöst, eine Spore, die überall in der Umwelt zu finden ist. Unter Luftabschluss bildet sie äußerst giftige Toxine aus, die das Nervensystem schädigen, Muskeln lähmen und häufig zum Tod führen. Clostridien befinden sich auch im Magen-Darmtrakt von Mensch und Tier, normalerweise werden sie durch ihre Gegenspieler, dazu zählen die Milchsäurebakterien, in Schach gehalten. Auch Hermann Bormann leidet an chronischem Botulismus: "Das fängt an mit Kopfschmerzen, Sehstörung, Schluckbeschwerden, Erschöpfung. Ich habe heute nur noch 10-15 Prozent der Körperkraft wie vor einigen Jahren, schwere Verdauungsstörung, ich kann kaum noch Brote essen, bei extremer physischer Überanstrengung wirkt sich das so aus: Ich habe dann das Gefühl, als wenn die Lunge brennt, mit einem wahnsinnigen Schmerz."
    Es ist nicht zu übersehen, dass der 59-jährige Landwirt schwer krank ist. Er hat Schwierigkeiten beim Sprechen, immer wieder gleitet ein unkontrolliertes Zucken über seine Gesichtszüge. Eines Tages kam die Mikrobiologin Monika Krüger auf den Hof in Hilgermissen. Die ausgebildete Tierärztin leitete bis zu ihrer Emeritierung das Institut für Bakteriologie und Mykologie der Universität Leipzig. Fünfzehn Jahre lang hat sie mit Kollegen nach der Ursache des chronischen Botulismus gesucht. Bis ihr der Verdacht kam, dass das seuchenhafte Geschehen in deutschen Kuhställen etwas mit Glyphosat zu tun haben könnte: "Ich wusste vorher davon noch gar nichts, und natürlich habe ich dann in die Literatur geschaut, hab auch die Patente gefunden, und festgestellt, dass es sich hier um einen Stoff handelt, der eine antimikrobielle Wirkung hat. Und da ich Mikrobiologin bin, interessiert mich das besonders, da geht es über einen bestimmten Stoffwechselweg, das ist der Schikimisäureweg, der in Pflanzen vorkommt. Aufgrund dieses Vorkommens, also nur in Pflanzen und nicht in Säugetiere, oder auch in Vögeln, hat man natürlich diese Zulassung erteilt. Aber man hat nicht berücksichtigt, dass auch Bakterien, Pilze und Algen den gleichen Stoffwechselweg haben, und dass der menschliche Körper im Magendarmtrakt 100 bis 200 Mal mehr Bakterien hat als er Körperzellen hat."
    Eine gesunde Magen-Darm-Flora ist für die menschliche und tierische Gesundheit enorm wichtig. Beispielsweise für die Immunabwehr. Monika Krüger führt weiter aus, dass die gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien empfindlich auf Glyphosat reagieren, also abgetötet oder geschwächt werden, während gesundheitsschädliche Keime, wie zum Beispiel die Clostridien, zum Teil sogar resistent sind: "Zum Beispiel Clostridium perfringis, auch ein Clostridium, ist resistent für Glyphosat, während die Gegenspieler, auch die Bakterien, haben ja immer Feinde, die gerne die anderen eliminieren, um letztendlich Platz im Ökosystem zu haben. Und auch die Salmonellen können sich ausbreiten wenn die Gegenspieler nicht vorhanden sind oder nur in zu geringer Anzahl."
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt.
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Der Grenzwert sollte bei Null sein
    Eine durch Glyphosat gestörte Darmflora könnte also der Grund sein, dass sich die Kühe von Hermann Bormann und auch er selbst nie wieder erholt haben. Die Stäube, die bei Nordwind aus dem Hilgermissener Futtermischwerk herüberwehten, könnten für einen konstanten Vergiftungslevel gesorgt haben. Monika Krüger ist nicht angetreten, um die Giftigkeit von Glyphosat zu belegen. Sie wollte schlichtweg Leiden lindern und hat dabei etwas über das Pflanzenschutzmittel herausgefunden: "Das ist doch die Aufgabe eines Tierarztes, sie können doch nicht das Elend mit angucken, die Leute müssen mal in die Bestände rausgehen und schauen, wie es den Tieren geht und wie die Landwirte darunter leiden. Für die Tiere ist das schlimm, der Leidensdruck ist groß. Dieses Neurotoxin führt zu einer Lähmung bei voller Sensorik, die Tiere kriegen das natürlich prima mit."
    Monika Krüger praktiziert eine angewandte Wissenschaft vor Ort, nämlich dort, wo die Probleme auftreten. In einem Stall voller schwer kranker Kühe GLP-Standards einzuhalten, damit die gefundenen Ergebnisse international anerkannt werden, ist schlicht unmöglich: "Ich denke, auch wenn man sagt, es sind nur Kleinstmengen, die im Körper vorkommen. Wenn mich jemand fragt, was letztendlich der Grenzwert ist, für mich ist der Grenzwert Null. Das gehört da einfach nicht rein. Punkt."
    Roland Solecki vom Bundesinstitut für Risikobewertung BfR kennt natürlich auch die Arbeiten von Monika Krüger. Sie haben aber für die endgültige Bewertung von Glyphosat nur wenig Gewicht. Denn die Arbeiten kommen nicht aus dem Labor und sind deshalb kaum überprüfbar. Außerdem haben die Tiere kein reines Glyphosat gefressen, sondern das Mittel Round-Up, beziehungsweise dessen Rückstände in Sojabohnen. Tatsächlich gelten aber nur Studien mit der reinen Substanz als hochwertig, erklärt der Agraringenieur und Toxikologe Peter Clausing. Er sitzt im Vorstand des Pestizid-Aktions-Netzwerks PAN: "Die sogenannten Klimisch-Kriterien sind ein System, mit dem das BfR und andere Behörden die akademischen Studien zu bewerten versucht im Sinne von Verlässlichkeit und Relevanz."
    Standards gehören auf den Prüfstand
    Diese Kriterien wurden 1997 von BASF entwickelt. Der Chemie-Konzern hat auch glyphosathaltige Produkte im Angebot: "Die Behörden nutzen dieses System, was letztlich dazu führt, dass, ich sag jetzt mal aus dem Bauch geschätzt, über 90 Prozent der akademischen Studien disqualifiziert werden."
    Eine Behauptung, die das Bundesamt für Risikobewertung in dieser Form zurückweist. Grundsätzlich würde jede Studie genau geprüft. "Das ist ein sehr verwirrender Kampf um die Wahrheit, da wird mit harten Bandagen gekämpft", erklärt dazu Harald Ebner von den Grünen. "Es geht um wahnsinnig viel Geld. Das heißt, wer da ein Interesse hat, der bemüht sich natürlich, die Unschädlichkeit seines Produktes zu belegen. Wer schlau ist, fädelt das etwas langfristiger ein, wer schlau ist, legt fest, wie die Verfahren für die Zulassung zu laufen haben, legt bestimmte Standards fest, was beispielsweise Betriebsgeheimnis ist und was nicht."
    In diesem Kampf um die Wahrheit kann man dem ausführenden Bundesinstitut für Risikobewertung nur bedingt einen Vorwurf machen: es macht schließlich nur das, was international gültige Gesetze und Regelungen ihm vorschreiben. Dass nach diesen Regeln Studien zu erhöhten Krebsraten bei Menschen, aussterbenden Amphibien und an Botulismus erkrankten Tieren nur am Rande berücksichtigt werden, ist besorgniserregend. Um die Gefahren von Pestiziden besser beurteilen zu können, müssen die derzeit gültigen Standards daher dringend auf den Prüfstand.