Freitag, 29. März 2024

Archiv

Pestizide
Gift für die Artenvielfalt

Beinahe die Hälfte aller Flüsse ist durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gefährdet. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden. Eine Folge ist ein starker Rückgang der Artenvielfalt. Trotzdem dürfte der Einsatz von Pestiziden weiter zunehmen.

Von Annegret Faber | 05.03.2015
    Einsatz von Pestiziden in Russland
    Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft bedroht die Artenvielfalt. (picture alliance / dpa / Foto: Rogulin Dmitry)
    Vier Millionen Tonnen Pflanzenschutzmittel werden jedes Jahr auf den Feldern weltweit verteilt: Insektizide, Herbizide, Fungizide, die entwickelt wurden, um Pflanzen, Tiere oder Pilze zu vernichten. Sie sind Garant für eine gute Ernte. Allerdings landet von diesen vier Millionen Tonnen ein beträchtlicher Anteil auch in angrenzenden Flüssen. Und das hat Folgen:
    "Es gibt eine Verarmung der Biodiversität. Vor allen Dingen Arten, die eher langlebig sind und empfindlich gegenüber Pestiziden, die kommen dann in solchen Gewässern nicht mehr vor. Das sind zum Beispiel Libellen, Eintagsfliegen, oder andere Insekten. Also größere Insekten, die auch für die Selbstreinigung der Gewässer mit verantwortlich sind."
    Grund für die hohen Pestizid-Mengen in Fließgewässern sind zu laxe Grenzwerte, die von den einzelnen Staaten festgelegt werden, sagt Professor Matthias Liess, der am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig die Abteilung Ökotoxikologie leitet.
    "Auch in Deutschland ist es so, dass die Zulassung nicht in der Lage ist, einen starken Eintrag von Pestiziden zu verhindern."
    Weniger Pestizide in afrikanischen Ländern
    Aus diesem Grund hat Matthias Liess gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam ein Modell erarbeitet. Es zeigt die weltweite Verteilung der Gifte in Flüssen, die an Ackerflächen grenzen. Um diese Karte zu erstellen, verarbeiteten die Forscher Landwirtschaftsdaten und Landnutzungsdaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD.
    Jahresdurchschnittstemperaturen und Maximalniederschläge bekamen die Forscher von rund 770.000 Messstationen. Daraus lesen sie die lokalen Bodenzustände ab und die Regenmengen, die Gift in die Flüsse spülen. Das Ergebnis zeigt deutlich: Alle Länder setzen Chemie auf dem Feld ein. Die Reichen mehr, die Armen weniger. Der Umweltwissenschaftler Dr. Ralf B. Schäfer von der Universität Koblenz-Landau:
    "In vielen afrikanischen Ländern ist ein geringer Anteil von Insektenvernichtungsmittel zu verzeichnen, einfach, weil dort das Geld dafür nicht vorhanden ist. Aber dass es Länder gibt, die insgesamt als Staat darauf verzichten, das gibt es nicht."
    Hotspots der Pestizidverschmutzung sind Gewässer im Mittelmeerraum, den USA, Mittelamerika und Südostasien. Andere Studien der Forscher zeigten, dass dort die Artenvielfalt über 40 Prozent zurückging. Hinzu kommt ein weiteres Problem.
    "Die Substanzen, die man verwendet, sind einfach wesentlich toxischer. Wenn man vor 50 Jahren noch 100 Gramm pro Hektar ausbringen musste, sind es heute nur noch zehn Gramm oder sogar weniger."
    Ökolandwirtschaft wäre der optimale Weg
    Trotzdem steigt die Menge der Chemikalien auf dem Acker weltweit leicht an, so die Forscher. Sie erwarten, dass sich das durch den Klimawandel noch verstärken wird. Auch in Entwicklungsländern werden Landwirte zunehmend auf eine intensive Landwirtschaft umsteigen und Pestizide einsetzen. Wir brauchen also dringend Strategien, sagt Matthias Liess. Ein bisschen Reduzierung werde da aber nicht reichen:
    "Das Problem ist, das die Wirkung von Insektiziden logarithmisch ist. Das bedeutet, wenn man ein Zehntel weniger der Insektizide im Gewässer hat, dann hat man nur die Hälfte der Wirkung. Das heißt, man muss eine sehr deutliche Reduzierung der Konzentration herbeiführen, um auch eine deutliche Reduzierung der Wirkung herbei zu führen."
    Das würde aber die Ernteerträge sinken lassen. Ökolandwirtschaft wäre der optimale Weg. In Deutschland macht sie aber gerade mal acht Prozent aus. Die Forscher setzen deshalb auf andere Maßnahmen: Randstreifen von 3 bis 10 Metern zwischen Feld und Fluss. Sie bringen eine deutliche Entlastung. Oder auch Fruchtfolgen, die weniger Pestizide brauchen. Die neue Weltkarte zeigt nur die Einträge, aber keine Risiken. Aber auch das Landleben und die Pflanzen im Wasser werden beeinträchtigt. Für die Wirkung von Herbiziden auf Wasserpflanzen gibt es derartige Daten noch nicht. Die aktuelle Analyse ist deshalb ein Anfang und eine gute Diskussionsgrundlage für neue Strategien.