Donnerstag, 28. März 2024

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Peter Gauweiler und die Religion
"Unschuldig sind wir nicht"

Der Westen trägt nach Ansicht von Peter Gauweiler Mitschuld an den Spannungen mit der islamischen Welt. Die aktuelle Auseinandersetzung habe mit "dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA und anderer Staaten im Irak" begonnen, sagte Gauweiler im Dlf. Es gebe eine "große Mitverantwortung, vor der wir uns nicht verstecken dürfen."

Peter Gauweiler im Gespräch mit Andreas Main | 13.12.2017
    Der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler
    Der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler hat ein Buch vorgelegt: Evangelisch in Bayern (imago stock&people)
    Peter Gauweiler war Politiker, bevor er vor gut zwei Jahren die Machtfrage in der CSU stellte und alle Ämter niederlegte. Er war lange Bundestagsabgeordneter, er hatte diverse politische Ämter inne. Jeder oder fast jeder kennt ihn - gerade weil er Ecken und Kanten hat und immer wieder angeeckt ist. Er stand Franz-Josef Strauß nahe. Wie dieser bayerische Ministerpräsident nimmt Gauweiler kein Blatt vor den Mund. Heute ist er Rechtsanwalt in München. Peter Gauweiler ist evangelisch. Das reflektiert er in einem Buch mit dem Titel "Evangelisch in Bayern".
    Darin bezeichnet Gauweiler den ehemaligen Papst Benedikt, als "den Reformator schlechthin". Im Gespräch über Benedikts Verhältnis zum Protestantismus sagte Gauweiler:
    "Er hat immer wieder klar gemacht - bei dem sogenannten interkonfessionellen Dialog -, dass die Theologen nicht diskutieren dürfen, als wären sie Politiker und würden sich wechselseitig irgendwelche Geschenke oder Vergünstigungen in Fragen des Glaubens mitbringen. Und er hat immer darauf Wert gelegt, dass dieser Dialog in Angelegenheiten der Religion nur auf festen Fundamenten geführt werden kann. Und er hat uns so ein Beispiel geliefert, dass wir keine falschen Pseudo-Mischformen brauchen, wenn es viel besser ist, dass wir uns wechselseitig im Gottesdienst besuchen können uns dass wir das Anderssein des Anderen nicht als trennend empfinden, sondern als zusätzlichen Wert."
    "Vor anderen Glaubensrichtungen keine Angst haben"
    Gauweilers Position zum Verhältnis mit anderen Glaubensrichtungen und zur Ökumene:
    "Wenn wir auf einem festen Glaubensfundament stehen, dann müssen wir auch vor anderen Glaubensrichtungen keine Angst haben. Und wir werden da nicht das Trennende betonen, sondern wir werden so auch den Respekt der anderen wieder bekommen."
    Auf die Frage, warum er das Wort "Ökumene" nicht öfter benutze, obwohl er mehr Gemeinsames als Trennendes bei den Kirchen sieht, sagte Gauweiler:
    "Ja gut. Das ist eine persönliche Geschmacksfrage. Also da bin ich vielleicht der falsche Mann, dazu befragt zu werden. Mir ist es ein bisschen zu abgenutzt, obwohl das Wort vom Kern her, dass wir alle in einem gemeinsamen Haus zuhause sind, natürlich ganz richtig ist. Heute sind die Zusammenarbeitsformen der Kirchen ganz wichtige Themen im Zusammenhang mit dem Gespräch auf der einen Seite mit anderen Religionen, auf der anderen Seite mit denen, die nicht glauben wollen oder glauben können. Natürlich ist einem gläubigen Menschen jeder, der glaubt, näher als der, der nicht glaubt. Und die Frage, wie er seinen eigenen Glauben verteidigt, hat etwas mit seiner Überzeugung und mit seiner Standhaftigkeit zu tun. Aber das muss ja nicht so in einer Form sein, dass man meint, gleichzeitig beten und hassen zu müssen."
    "Vor dem Bischof zu verstummen, ist nicht evangelisch"
    Über seine Beziehung zu den Volkskirchen sagt Gauweiler im Gespräch:
    "Der Begriff "Kirche", der konfessionelle Begriff "Kirche" ist das Eine. Das Andere ist, dass zu unserer evangelischen Freiheit auch dazugehört, dass zwischen dem einzelnen Gläubigen und dem Himmel keine Zwischeninstanzen existieren."
    Die EKD-Spitze ist für Gauweiler also kein Papst?
    "Wir haben es immer mal so ausgedrückt: Vor dem Bischof zu verstummen, ist nicht evangelisch."
    Auf die Frage nach den zukünftigen Herausforderungen für die Kirchen sagte Gauweiler:
    "Ich glaube, überall auf der Welt, bei aller selbstkritischen Erkenntnis, wie der Streit der Religionen auch den Streit von Völkern befeuert hat, werden die Lösungen nur kommen können - auch bei den Unterschiedlichsten -, wenn sich die Träger der Politik an ihren eigenen weltanschaulichen Violinschlüssel erinnern und sich an dem auch messen lassen. Und wenn sie die, die für die Pflege des Kultus zuständig sind, in ihr Verständigungsbemühen einbeziehen. Ich habe mich immer gefreut, wenn wir den Dialog mit den anderen Gruppierungen, religiösen Gruppen, Konfessionen erweitert haben, so weit sie auch immer von uns entfernt waren. Und ich denke, dass das eine immerwährende Anstrengung ist, dieses weltanschauliche Gespräch. Eigentlich mit allen."
    Auf die Frage, ob das auch den Islam einschließe, antwortete Gauweiler:
    "Natürlich. Ist doch ganz klar. Ich kann da nur den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt zitieren, der sagte: Wir können nicht überleben, wenn wir uns 1,5 Milliarden Moslems zum Feind machen. Ich bin bekanntermaßen kein Freund der übertriebenen Einwanderung und von bestimmten Ausformungen der Massenwanderung, aber auf der anderen Seite hat dies möglicherweise alles damit zu tun, dass der Westen für seine Werte fünf islamische Länder bombardiert, das dürfen wir auch nicht vergessen."
    "Unschuldig ist der Westen nicht"
    Zur Schuld des Westens an den religiösen Auseinandersetzungen unserer Tage meint Gauweiler:
    "Unschuldig ist er nicht. Also die aktuellen Auseinandersetzungen, die haben begonnen mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der Amerikaner, unterstützt von westlichen Ländern im Irak. Ich glaube schon, dass es da eine große Mitverantwortung gibt und dass wir uns vor der nicht verstecken können."
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    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Peter Gauweiler: "Evangelisch in Bayern"
    Claudius Verlag, gebunden, 160 Seiten, 15 Euro.