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Peter Paul Rubens
Malerfürst und Kunstsammler

Rundliche Frauen in erotischen Posen, intime Porträts oder Jagdszenen, die menschliche und tierische Leiber im Kampf-Getümmel zeigen. Dem flämischen Maler Peter Paul Rubens, der 1640 in Antwerpen starb, hängt der Ruf eines "Sinnenprotzes" an. Doch das war nicht immer so.

Von Rainer B. Schossig | 30.05.2015
    Zwei Restauratoren vor dem Gemälde "Caritas Romana" von Peter Paul Rubens.
    Zwei Restauratoren vor dem Gemälde "Caritas Romana" von Peter Paul Rubens. (picture alliance / dpa / DB LWL)
    "In Persönlichkeit und Lebenslauf des Rubens trifft man an so vielen Stellen auf Glück und Güte wie kaum bei einem anderen der großen Meister. Im Bewusstsein seines eigenen, edlen und mächtigen Wesens muss er einer der höchst bevorzugten Sterblichen gewesen sein."
    So charakterisierte der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt den viel bewunderten Maler Peter Paul Rubens, dessen Oeuvre zum Kern abendländischer Kunst zählt. Quer durch die Zeiten bis heute verkörpert der Flame - gemeinsam mit seinem Gegenpol Rembrandt - das "Goldene Zeitalter" der niederländischen Malerei:
    "Rubens hatte noch eine feste Einheit der Ideale und einen Horizont, den er im Grunde nicht durchbrechen musste, den er vielmehr mit seiner ungeheuren Empfindungskraft jedes Mal neu ausfüllen und ausgestalten konnte."
    Rationaler Blick auf die großen Themen seiner Zeit
    Selbstbewusst und selbstverständlich bemächtigte er sich aller Themen und Genres seiner Gegenwart, aller Vorbilder der Vergangenheit. Der Hamburger Rubensspezialist Martin Warnke:
    "Rubens stand politisch in einer bürgerlichen Position; das waren Humanisten, die den absoluten Staat abgelehnt haben, die eine städtisch-bürgerliche Position hatten. Aber Rubens als Politiker ist natürlich sekundär. Primär sind Rubens' Bilder, die Landschaften, die Akte. Er nimmt auf und respektiert Tradition, aber er macht eine ganz eigene Welt daraus."
    Rubens' Welt war geprägt durch Krieg und Kirchenspaltung: Geboren wurde er 1577 in Siegen, wohin seine Eltern während der Religionskriege fliehen mussten, im Kölner Exil wuchs er auf. Mit zwölf Jahren kam er nach Antwerpen, die Heimatstadt seiner Eltern. Früh beeindruckte er mit fein gearbeiteten Gemälden, Porträts und Historienbildern. Sein Blick auf die großen Themen ist hier bürgerlich, dort höfisch, immer elegant, aber rational. Etwa die "Tiger- und Löwenjagden", wo menschliche und tierische Leiber im Kampf-Getümmel durcheinander wogen - präzis komponiert aus farbenprächtigen Stoffen, lebendiger Haut, feinen Pelzen, blinkenden Rüstungen und fantastischen Kostümen.
    "Diese kompromisslose Unmittelbarkeit, die Gefühle, das Pathos, und es ist auch künstlerisch Caravaggio - eine ganz neue Weltsicht. Die hat Rubens übernommen, aber mit Tizian verknüpft."
    Rubens' dramatische Gemälde verschmelzen gleichsam Gewalt und Anmut. Zugleich malte er mit feinem Pinsel intime Bilder wie den "Liebesgarten", galante Idyllen, große, erotisch aufgeladene Szenen in arkadischen Welten.
    "So wie er in seiner Kunst erscheint, war Rubens unglaublich souverän und luzide. Rubens Ruf: Sinnlichkeit, ein Sinnenprotz und ein herrlicher Verehrer von Frauen und schönen Körpern – das ist relativ jung. Man kann es datieren, dieses Urteil "Rubens, der Sinnenprotz" – so um 1900 mit dem Jugendstil, als das Frauenideal sich verschlankt."
    Vom reisenden Künstler zum Hofmaler
    Nach ruhelosen Jahrzehnten als reisender Maler und Diplomat wurde er 1609 von den Regenten der spanischen Niederlande zum Hofmaler berufen. Mit seiner Frau Isabella Brant baute er sich in Antwerpen ein imponierendes Domizil mit opulentem Atelier und komfortabler Wohnung. In der fruchtbarsten Schaffensphase seines Lebens malte, lehrte und repräsentierte er als angesehener Malerfürst und Kunstsammler. Stahl- und Kupferstecher verbreiteten Reproduktionen seiner Gemälde in alle Welt.
    "Er hatte eine große Werkstatt und muss begabt gewesen, diese Werkstatt zu organisieren. Es muss eine sehr produktive Atmosphäre gewesen sein."
    Peter Paul Rubens erlebte das Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr. Als er am 30. Mai 1640 starb, wurde er verehrt wie ein gekröntes Haupt. Er hatte alles erreicht, was ein Sterblicher wünschen konnte: Reichtum und ein harmonisches Familienleben, weltweiten Künstlerruhm und höchstes Ansehen.