Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Petra Kelly und Gert Bastian
Tod eines vereinsamten Politikerpaares

Petra Kelly und Gert Bastian waren Galionsfiguren der bundesdeutschen Friedensbewegung der frühen 1980er-Jahre. Am 19. Oktober 1992, vor 25 Jahren, wurden sie in ihrem Bonner Reihenhaus tot aufgefunden - mehr als zwei Wochen, nachdem Bastian zunächst Kelly und dann sich selbst erschossen hatte.

Von Wolfgang Stenke | 19.10.2017
    Die Grünen-Politiker Gert Bastian und Petra Kelly anlässlich der Bundesversammlung der Grünen 1985.
    Die Grünen-Politiker Gert Bastian und Petra Kelly anlässlich der Bundesversammlung der Grünen 1985. (imago / Sven Simon)
    "Petra Kelly und Gert Bastian sind tot. Und plötzlich ist ganz Bonn – nein, ganz Deutschland - erschüttert."
    Ulrich Wickert in den "Tagesthemen":
    "Die beiden für Frieden und Umwelt kämpfenden Politiker waren so vereinsamt, dass sie zwei, vielleicht gar drei Wochen lang tot in ihrem Bonner Haus lagen, ohne dass sie jemand vermisste."
    Laut Obduktionsbefund erschoss der ehemalige Bundeswehrgeneral Gert Bastian seine Lebensgefährtin Petra Kelly, Friedensaktivistin und Mitbegründerin der Partei "Die Grünen", im Schlaf und richtete dann die Waffe gegen sich selbst. Nachbarn fanden die Leichen des Politikerpaares am Abend des 19. Oktober 1992. Der Tod war schon am 1. Oktober eingetreten.
    Er ließ die politischen Wegbegleiter des 69-jährigen Ex-Generals und seiner um zweieinhalb Jahrzehnte jüngeren Geliebten ratlos zurück. Antje Vollmer, Sprecherin der ersten Bundestagsfraktion der Grünen und Theologin von Beruf, schrieb damals:
    "Lässt sich akzeptieren, dass zwei Menschen, die für Gewaltfreiheit und Unversehrtheit standen und sich völlig für andere verzehrten, so blutig und gewalttätig zu Tode kommen?"
    Das Erschrecken über das Ende von Kelly und Bastian – keiner der beiden hinterließ einen Abschiedsbrief – beflügelte Verschwörungstheorien. Mal wurden alte Stasi-Seilschaften des Mordes bezichtigt, mal sollten Rechtsradikale die beiden getötet haben.
    Vom Berufssoldaten zum Pazifisten
    Dass ein vom Berufssoldaten zum Pazifisten gewandelter Mann in einer Beziehungskrise zur Waffe gegriffen haben könnte, erschien undenkbar. Schließlich hatte Gert Bastian 1980 - mitten in der Debatte um die Nachrüstung der NATO mit nuklear bestückten Mittelstreckenraketen – als Generalmajor seinen Abschied von der Bundeswehr genommen, da er die militärische Droh- und Abschreckungslogik für sinnlos hielt:
    "Sollte es zur Katastrophe eines Krieges kommen, ob mit konventionellen, aber erst recht natürlich mit nuklearen und Massenvernichtungswaffen, wird der Soldat ganz zwangsläufig, bei aller guten Absicht, die er haben mag, etwas zu verteidigen, zum Zerstörer und Vernichter von all dem, was er ja eigentlich behaupten und vor Schaden bewahren möchte."
    Gert Bastian war einer der Autoren des Krefelder Appells, der zur Initialzündung der bundesdeutschen Friedensbewegung wurde. Die gerade gegründete Partei der Grünen forderte darin gemeinsam mit der Deutschen Friedens Union, mit Jungsozialisten, Jungdemokraten und Vertretern von Basisinitiativen die Bundesregierung zur Beendigung des atomaren Wettrüstens auf. Im Rahmen dieser Friedensbewegung, die Hunderttausende auf die Beine brachte, begegneten sich Gert Bastian und Petra Kelly.
    "Wir wollen aus diesem waffenstarrenden, weltumspannenden Irrenhaus ausbrechen. Wir wollen kein Feindbild, wir wollen nicht das Fußvolk einer Raketenpartei sein."
    Stars der Friedensbewegung
    Die charismatische Friedens- und Umweltaktivistin und der Ex-General wurden zu Stars der Bewegung – und zu einem Paar. Gemeinsam zogen sie im März 1983 als Mitglieder der ersten grünen Fraktion in den Bonner Bundestag ein. Beide rieben sich an der Anti-Parteien-Partei der Grünen.
    Sie verlangten Sonderrechte, lehnten das Rotationsprinzip ab, brüskierten Parteifreunde und Mitarbeiter. In ihrer missionarischen und zugleich sprunghaften Art neigte Petra Kelly zur Selbstüberforderung, die immer häufiger zu Zusammenbrüchen führte. Bastian schied 1987 aus dem Bundestag aus, Kelly 1990.
    Das Traumpaar der bundesdeutschen Alternativen geriet in die Isolation. Die Partei der Grünen verweigerte Petra Kelly ein politisches Comeback. Der Fernsehsender SAT1 setzte ihre Umweltsendung "Fünf vor Zwölf" nach wenigen Monaten ab.
    In der Beziehung zu Gert Bastian verschoben sich die Gewichte. Vom Beschützer wurde der ehemalige Soldat, den Altersbeschwerden plagten, zum Lakaien seiner fordernden Geliebten.
    Im Gespräch mit Freunden äußerte er Gedanken an Selbsttötung.
    Am Ende stand das, was Kriminologen eine Beziehungstat nennen: Mord und Suizid mit einer Schusswaffe. In einer existentiellen Krise griff der alte Soldat zu einem Instrument, für dessen Gebrauch er ein Berufsleben lang trainiert worden war. Die letzte Lektion, die Bastian nicht nur der Friedensbewegung hinterließ, bestand nach Aussage der Friedensforscherin Corinna Hauswedell darin,
    "dass das Militärische wirklich eine Eigendynamik, Denkstrukturen und auch materielle Strukturen entwickelt, die, insbesondere für die, die damit so direkt zu tun haben, ja, solche Grenzsituationen, glaube ich, auch provozieren können."