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Pfändung per E-Mail

Vom Bericht der EU-Troika hängt ab, ob die nächsten zwei Geldtranchen von fast neun Milliarden Euro an Griechenland ausgezahlt werden. Eine neue Studie hat die griechische Steuerfahndung als ineffektiv kritisiert. Nun versucht die Regierung härter durchgreifen und droht mit Expresspfändungen, Kontosperrungen und Gefängnisstrafen.

Von Rodothea Seralidou | 05.03.2013
    Ein Beratungsgespräch in der Zentrale des griechischen Schuldnerschutzvereins, nur ein paar Schritte vom Athener Kaniggos-Platz entfernt. Die Rentnerin Maria Papadimitriou, eine kleine Frau in dunkler Kleidung, hat einen Stapel Unterlagen in der Hand: vor allem Steuerbescheide und Mahnbriefe. Sie zeigt die Papiere einer jungen Juristin und schildert ihr mit Tränen in den Augen ihre schwierige Lage.

    Eine Betroffene:
    "Wir wissen nicht mehr weiter. Wir können unsere Steuern und unsere Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Mein Sohn hat 20.000 Euro Schulden, aber wo soll er dieses Geld herbekommen? Er ist arbeitslos und lebt von meiner kleinen Rente. Und auch ich schulde dem Staat noch 600 Euro, versuche mal 50, mal 30 Euro einzuzahlen."

    Maria Papadimitriou und ihr Sohn gehören zu den rund 2,5 Millionen Privatpersonen und Unternehmen, die offene Rechnungen beim griechischen Fiskus haben. Um die ausbleibenden Einnahmen doch noch einzutreiben, will der griechische Staat nun bei Steuerschulden härter durchgreifen, droht mit Pfändungen und Gefängnisstrafen. Der jüngste entsprechende Gesetzentwurf des Finanzministeriums, beinhaltet jedoch nichts Neues, sagt der Professor für Steuerrecht an der Universität Athen, Theodoros Fortsakis.

    "Das Gesetz sieht schon lange vor, dass der Staat sowohl Immobilien, als auch Autos, Jachten und Bankkonten pfänden kann. Und er kann die Konten von mutmaßlichen Steuersündern schon vor ihrer Verurteilung sperren, zum Beispiel bei Personen, die keine Mehrwertsteuer abführen."

    Und auch die in letzter Zeit groß angekündigten Haftstrafen bei Steuerschulden seien schon längst im griechischen Steuerrecht verankert. Das Problem seien also nicht lückenhafte Gesetze - sondern deren Umsetzung:
    Theodoros Fortsakis:
    "Die Finanzämter hatten bis vor Kurzem einfach kein Interesse daran, die Steuerflucht zu bekämpfen. Die Regierungen wollten sich nicht mit Berufsgruppen anlegen, die bekannt dafür sind, dass sie ihre Steuern nicht konsequent zahlen, zum Beispiel mit den kleinen Unternehmen, den Bauern, den Selbstständigen. Und auch die Steuerhinterziehung auf hoher Ebene wurde nicht ausreichend geahndet. Jetzt aber ist die Regierung unter Druck. Die Politiker müssen ihre kurzsichtigen politischen Interessen über Bord werfen. Die wirkliche Umsetzung fängt also jetzt erst an."

    Die griechische Regierung zeigt sich nun fest entschlossen: Sie will nicht nur die schon geltenden Gesetze umsetzen. Sie will mit ihrem neuen Gesetzesentwurf vieles besser, einfacher und schneller machen: In Zukunft soll eine E-Mail an die Bank reichen, wenn Bankeinlagen gepfändet werden. Steuerschuldner können telefonisch oder schriftlich abgemahnt werden - bevor wenige Tage später das Pfändungsschreiben ins Haus flattert. Und die Steuerbeamten sollen Fällen, die kurz vor der Verjährung stehen, bevorzugt nachgehen.

    Die Mitglieder des griechischen Schuldnervereins beeindrucken die neuen Regelungen wenig. Auch Rentnerin Maria Papadimitriou nicht:

    Betroffene:
    "Sollen sie doch meine Rente pfänden! Ich habe sonst nicht einen Euro auf der Bank. Woher auch?"

    Tatsächlich gibt es bei den meisten, die sie an diesem Morgen beraten lassen, so gut wie nichts zu holen. Deshalb macht ihnen die geplante Pfändung von Bankguthaben und anderen Besitztümern nur wenig aus. Angst macht ihnen hingegen eine andere Ankündigung, sagt der Vereinsvorsitzende Theodoros Thanopoulos: die Gefängnisstrafen für Steuerschulden von mehr als 5.000 Euro:

    "Viele Menschen warten jetzt von Tag zu Tag darauf, festgenommen zu werden. Das ist ein großer Fehler der Regierung. Klar muss man seine Steuern zahlen, aber die Leute müssen auch in der Lage sein, dies zu tun. Der Staat muss deshalb den ehrlichen Steuerzahlern entgegenkommen: zB mit Zahlungs-Unterbrechungen, so dass sie erst wieder anfangen zu zahlen, wenn sie wieder zahlungsfähig sind. Denn wer nichts hat, der kann auch nichts geben!"

    Die griechische Regierung hinkt jetzt schon ihren finanziellen Zielen für 2013 hinterher: Allein im Januar waren die Einnahmen des Staates mit rund vier Milliarden Euro um sieben Prozent niedriger als geplant. Zwar soll eine Steuerreform, den Bürgern schon die Möglichkeit geben, ihre Steuern auf Raten zu zahlen; Zahlungspausen - wie sie Thanopoulos fordert- sind aber nicht vorgesehen.