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Pfarrer Kolb: Glaube ist nicht "out"

Der Jugendseelsorger der Diözese Köln, Pfarrer Mike Kolb, hat eine positive Bilanz des Weltjugendtages gezogen. Man spüre die Wirkung, "wenn junge Menschen zusammenkommen und wenn neue Initiativen und Gedanken entstehen", sagte Kolb in Sydney.

Moderation: Jürgen Liminski | 19.07.2008
    Jürgen Liminski: Es ist ein Großereignis. Zwar wird sehr unterschiedlich berichtet und variieren auch die Zahlenangaben vermutlich je nach Wohlwollen oder Missfallen zwischen 150.000 und 500.000 Jugendlichen, aber übergehen lässt sich das Ereignis des Weltjugendtages nicht. Was bleibt nach solch einem Ereignis, wenn die mediale Präsenz nicht mehr gegeben und Papst und Jugendliche wieder im Alltag sind. Wie weit trägt der Schwung des Erlebten? Zu diesen Fragen begrüße ich den Jugendseelsorger der Diözese Köln, Pfarrer Mike Kolb, der gerade auf dem Feld der großen Pferderennbahn in der Nähe von Sydney steht. Guten Morgen beziehungsweise guten Tag, Herr Kolb!

    Mike Kolb: Guten Tag, Herr Liminski, ich grüße Sie auch, hallo!

    Liminski: Herr Kolb, quo vadis, wohin gehst du, möchte man fragen. Was machen Sie denn da auf dem Feld und was wird aus diesem, überhaupt aus den Weltjugendtag?

    Kolb: Ich bin hier gerade angekommen mit Teilen unserer Kölner Gruppe. Wir sind mit 600 Jugendlichen hier. Und hier ist gerade das Vorprogramm für die Begegnung heute Abend um 7 Uhr, also hier Sydney-Zeit, hier ist jetzt später Nachmittag um 4 Uhr nachmittags, für die Begegnung mit Papst Benedikt XVI. und die morgige Abschlussmesse, also das Ende des 23. Weltjugendtages. Hier haben sich mittlerweile so gut 200.000 Jugendliche versammelt. Und das ist wohl auch so die Zahl der registrierten Pilger, die an diesem 23. Weltjugendtag teilnehmen. Und morgen kommen dann noch mal die Australier, also die Einwohner, die Katholiken von Sydney, den anderen Großstädten hier aufs Feld, sodass wirklich 500.000 Menschen erwartet werden. Das ist die größte Zusammenkunft in der Geschichte Australiens, wie es heißt, die mit Benedikt XVI. zusammen den Abschlussgottesdienst feiern.

    Liminski: Spüren Sie denn in Ihrer täglichen Arbeit die Wirkungen solcher Ereignisse?

    Kolb: Ich habe als Priester den Weltjugendtag 2005 erlebt und bin danach sozusagen Jugendseelsorger in unserem Bistum geworden und kann schon sagen, dass man diese Wirkung spürt. Man spürt sie, wenn junge Menschen zusammenkommen und wenn neue Initiativen und Gedanken entstehen. In unserer Diözese gibt es so etwas, wo junge Menschen Samstagabend in der Fußgängerzone vorbeikommende Passanten ansprechen, in die Kirche einladen, ins Gespräch verwickeln, sie einladen, in der Kirche eine Kerze anzuzünden. Das nennt man "Night Fever". Es gibt junge Menschen, die über den Glauben mehr wissen wollen, wie die Betgemeinschaft (…) und, und, und, geistliche Bewegungen, die vertieft werden. Aber es gibt auch die Einzelnen, die sich die Frage stellen, ich habe viele andere Menschen erlebt auf der ganzen Welt, Jugendliche, was mache ich noch aus meinem Leben. Zu glauben, scheint ja doch nicht out zu sein, sondern scheint etwas Vernünftiges, etwas Gutes, eine vernünftige Lebensentscheidung zu sein. Wie steht es also um mich, was kann ich Sinnvolles aus meinem Leben machen? Das erlebe ich als Jugendseelsorger in Gesprächen und Zusammenkünften mit Jugendlichen sehr, sehr oft. Und ich glaube daher, dass eben die Weltjugendtage und das, was wir wirklich erleben, was alles andere als Alltag ist, dass das etwas Besonderes ist, dass im Leben nicht weniger junger Menschen, die das hier mitmachen, etwas bringt und dass das nach vorne bringt.

    Liminski: Herr Kolb, wie setzen denn die Jugendlichen dieses Erlebte um, was nehmen die Jugendlichen mit in ihren persönlichen Alltag, wenn Mikrofone, Kameras, Papst und die Massen verschwunden sind? Haben Sie da Erfahrungswerte aus den früheren Jugendtagen?

    Kolb: Der Erzbischof von Sydney, Kardinal Pell, der hat genau diese Frage in der Eröffnungsmesse gestellt. Wir feiern jetzt hier eine Woche Weltjugendtag, und danach geht ihr zurück in eure Heimat, in euren Alltag, und was ist dann? Ich glaube, junge Menschen setzen das um. Sie wollen in der Pfarrgemeinde einfach ganz konkret was machen, mit gleichgesinnten Jugendgruppen. Sie kommen zu regionalen Treffen, sie kommen zu Treffen in ihren Bistümern, aber sie wollen eben auch gucken, wie kann ich in meinem Leben was Sinnvolles tun, wie kann ich als Christ leben. Dieser Tage habe ich mit einer Reporterin gesprochen, die hat mich ein bisschen enttäuscht angesprochen und sagt, ach, die jungen Leute heute sind überhaupt nicht mehr kritisch, die wollen von diesen ganzen kirchlichen kritischen Themen nichts mehr wissen. Und da habe ich ihr gesagt, ich glaube nicht, dass sie nicht mehr kritisch sind, sondern die sind sehr kritisch und fragen sich sehr genau, ob das, was sie hier auf dem Weltjugendtag erfahren, ihnen etwas für ihr Leben bringt, ob es ihnen hilft, ob es sich übersetzt in ganz konkretes Engagement. Und das kann ich schon erleben. Ich kenne jugendliche junge Männer, mit denen ich im Gespräch bin, die stellen sich die Frage, wäre es etwas für mich, als Priester oder als Lehrer für Religionsunterricht zu arbeiten, oder welche, die sagen, ich will etwas tun für andere, für Benachteiligte, weil ich glaube, aus meinem christlichen Glauben heraus muss ich so etwas tun, und das macht mich selber froh und ich kann etwas Sinnvolles tun in dieser Welt.

    Liminski: Die Massenveranstaltungen gehen morgen mit der Abschlussmesse zu Ende. Können Sie schon eine kurze Bilanz des Weltjugendtags von Sydney ziehen?

    Kolb: Ich würde sagen, der Weltjugendtag in Sydney, der ist ganz anders als der in Köln. Der ist hier in einem Land, wo die Geschichte knapp 200 Jahre alt ist und wo auch die Geschichte der Kirche und des christlichen Glaubens nicht viel älter ist. Dieser Weltjugendtag steht sehr unter dem Motto, Zeugnis geben. Junge Menschen kommen zusammen auf der ganzen Welt und lassen sich hier inspirieren, um in ihrem Alltag etwas weiterzugeben, von dem, was sie erlebt haben, um ein Zeugnis zu geben, um selber also Christen zu sein, das heißt als Christ, und ich glaube, das haben junge Menschen hier verstanden am Beispiel von Personen aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die ihnen als Vorbilder hier bei dem Weltjugendtag vor Augen gestellt werden.

    Als Christ kann ich mich nicht irgendwo in den Zuschauerraum dieser Welt setzen und zugucken, was da abläuft, sondern ich muss selbst hineintreten in das Leben, ich muss selber etwas tun. Und meine Bilanz ist, und dazu hat der Papst auch ermutigt in seiner Ankunftsfeier am Donnerstag: Seht die Welt an, die Gott gemacht hat, seht die Umwelt, und zwar die seelische Umwelt und auch die wirkliche Umwelt, die ihr mit den Augen wahrnehmt, und guckt, dass ihr in dieser Welt als Kinder Gottes lebt und etwas Vernünftiges tut. Und ich glaube, diese Botschaft ist bei den Jugendlichen angekommen. Und insofern hat auch der 23. Weltjugendtag in Sydney, das kann man sicherlich jetzt schon sagen, obwohl der Höhepunkt noch bevorsteht hier, sicher was bewirkt.

    Liminski: Den Schwung des Weltjugendtags in den Alltag tragen, das war direkt vom Feld auf der Pferderennbahn bei Sydney der Jugendseelsorger der Erzdiözese Köln, Michael Kolb. Wir bitten um Nachsicht für die schlechte Leitung, aber das war natürlich Handy und nicht anders möglich. Besten Dank für das Gespräch, Herr Kolb!

    Kolb: Bitte sehr, Herr Liminiski. Alles Gute nach Deutschland.