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Pflanzen und Dürrephasen
Ein Energieschub für die Wurzeln

Pflanzen können nach Phasen der Trockenheit die Bodenmikroben rund um ihre Wurzeln gezielt stimulieren, damit sie ihnen mehr Nährstoffe liefern. Dieser an sich positive Effekt hat aber auch eine Schattenseite - denn er könnte im schlimmsten Fall den Klimawandel noch verstärken.

Von Lucian Haas | 29.07.2019
14.08.2018, Brandenburg, Jacobsdorf: Am Rande eines Maisfeldes stehen verkümmerte Pflanzen, die keine Kolben gebildet haben. Unter der anhaltenden Trockenheit leiden besonders die Maispflanzen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Pflanzen können nach einer Dürre Bodenmikroben offenbar beeinflussen, dass sie ihnen mehr Nährstoffe liefern (dpa / Pleul)
Pflanzen haben Wurzeln, um damit im Boden festen Halt zu finden und zudem Wasser und Nährstoffe aufzunehmen. Allerdings geben die Wurzeln dem Boden auch etwas zurück. Die Ausscheidungen werden Wurzel-Exsudate genannt.
"Diese Wurzel-Exsudate sind komplexe Mischungen aus einfachen Zuckern, Aminosäuren, aber auch einer Art von Signalstoffen, wie Hormone, die mit den Mikroben im Boden kommunizieren."
Franciska de Vries ist Spezialistin für Bodenbiologie an der Universität von Amsterdam. Sie erforscht, wie Pflanzen mit Bakterien und Pilzen im Boden interagieren. Eine ihrer Fragen: Was passiert bei extremen Wetterbedingungen wie Trockenheit? Ändert sich dann die Wirkung des Wurzel-Exsudats auf das Bodenleben?
Um das herauszufinden, machte sie Laborexperimente mit Wolligem Honiggras und Sauerampfer.
"Diese beiden Pflanzenarten haben ganz unterschiedliche Wurzeltypen. Die Honiggräser haben lange, dünne, feine Wurzeln, und der Sauerampfer kurze und dicke."
Im Experiment setzte die Forscherin die Pflanzen erst einmal zwei Wochen der Trockenheit aus. Anschließend holte sie die Wurzeln aus der Erde, ließ die Pflanzen sich zwei Tage lang in einer Nährlösung etwas erholen, um sie dann über zwei Wochen hinweg unter sterilen Bedingungen zu halten und die gebildeten Wurzel-Exsudate zu sammeln. Diese mischte sie dann wiederum tröpfchenweise in kleine Bodenproben, um zu ermitteln, ob und wie sich dadurch die Aktivität der im Boden befindlichen Mikroben verändert.
"Eines der schönsten Experimente, die wir je gemacht haben"
Zum Vergleich machte sie auch Tests mit Exsudat von Pflanzen, die keine Trockenheit erlebt hatten. Dabei zeigte sich ein eindeutiges Ergebnis:
"Durch die Trockenheit verändert sich das Wurzel-Exsudat, und das stimuliert wiederum die Bodenmikroben. Sie sind dann aktiver und liefern den Pflanzen mehr Nährstoffe, so dass sie nach der Dürre wieder besser wachsen können. Dass hier ein so klarer Zusammenhang besteht, hat noch niemand zuvor gezeigt. Für mich ist das eines der schönsten Experimente, die wir je gemacht haben."
In welcher Weise sich die Zusammensetzung der Exsudate nach einer Trockenheit verändert, kann Franciska de Vries noch nicht sagen. Das will sie in weiteren Studien ermitteln. Nur die Wirkung ist klar. Die Bodenmikroben werden deutlich aktiver. Gemessen hat sie das anhand der Menge an CO2, die aus dem Boden entweicht – als Maß für die Atmung beziehungsweise Stoffwechselrate der Mikroben.
Ergebnis auch wichtig für Klimaforscher
Das Ergebnis könnte auch für Klimaforscher wichtig sein. Denn wenn der Klimawandel vielerorts auf der Welt für häufigere Dürren sorgt, wird es spannend, wie die Bodenlebewesen darauf reagieren.

"Die Stimulation der Mikroben-Gemeinschaft durch die veränderten Wurzel-Exsudate führt dazu, dass mehr Kohlenstoff aus dem Boden freigesetzt wird. Aber eigentlich wollen wir ja den Kohlenstoff im Boden halten. Denn sonst gelangt er in die Atmosphäre, und das könnte den Klimawandel sogar noch verstärken."
Franciska de Vries wird noch viele weitere Versuche mit anderen Pflanzen machen. Sie will überprüfen, ob diese stimulierende Wirkung der Wurzel-Exsudate nach Trockenheit bei allen Pflanzenarten auftritt. Wenn das so wäre, könnte das einen großen Einfluss auf die Reaktion ganzer Ökosysteme auf den Klimawandel haben.