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Pflanzenabbau
Doppelte Symbiose in Termitennestern

Termiten sorgen in den Tropen und Subtropen für die Zersetzung von abgestorbener pflanzlicher Biomasse. Einige Termitenarten schaffen das besonders effizient, indem sie in den feuchten Höhlen und Gängen ihrer Bauten Pilze als Abbauhelfer kultivieren. Es ist eine beispielhafte Symbiose.

Von Lucian Haas | 30.09.2014
    Es gibt Termiten, die in ihren Bauten Pilze züchten. Diese Pilze gehören zur Gattung Termitomyces. Sie können Holz, Gras, Blätter und andere schwer verdauliche pflanzliche Substanzen, welche die Termiten in ihre Bauten schleppen, zu einfachen Zuckermolekülen abbauen. Davon ernähren sich wiederum die Termiten. Dieses Zusammenspiel ist eine perfekte Symbiose, die der Wissenschaft schon länger bekannt ist. Ein wichtiges Detail haben Forscher aber bisher übersehen: Die Rolle bestimmter Bakterien im Darm der Termiten.
    "Den Pilzen fehlen einige der Enzyme, die nötig sind, um simplere Mehrfachzucker aufzubrechen. Wir hatten erwartet, dass die Pilze das Pflanzenmaterial komplett abbauen können, schließlich wachsen sie ja darauf. Der gängigen Vorstellung nach sollten die Darm-Bakterien der Termiten keine entscheidende Rolle mehr spielen."
    Michael Poulsen ist Ökologe an der Universität von Kopenhagen. Seit Jahren erforscht er die Symbiose von Termiten und Pilzen. Um zu verstehen, wie deren Zusammenspiel bei der Pflanzenverdauung im Detail funktioniert, machte er gemeinsam mit Forschungspartnern aus China umfangreiche Genanalysen.
    "Wir haben nach den Genen spezifischer Enzyme geschaut, die für den Abbau pflanzlicher Stoffe wie beispielsweise Zellulose wichtig sind. Es zeigte sich, dass die Termiten relativ wenige dieser Enzyme dafür besitzen. Die Pilze wiederum haben ein sehr breites Spektrum an Enzymen. Aber ihnen fehlen die Gene für Enzyme, die den abschließenden Abbau von einfachen Zuckern zu Glukose übernehmen. Genau diese Gene haben wir aber im Genom der Bakterien aus dem Termitendarm gefunden."
    Termiten selbst erbringen dabei vor allem eine logistische Leistung
    Der Abbau von Pflanzenmaterial in den Termitenbauten beruht demnach auf einer doppelten Symbiose. Die Termiten selbst erbringen dabei vor allem eine logistische Leistung. Als Erstes sammeln große Arbeiter kleinere Holzstücke und tragen sie in den Bau. Dort zerkleinern andere Termiten das Holz weiter, fressen es zusammen mit Pilzsporen und scheiden alles als gut vermischte Masse, aber noch weitgehend unverdaut wieder aus. Auf dem groben Kompost wachsen nun dichte Pilzrasen, die für den eigentlichen Abbau sorgen.
    Am Ende verzehren die Termiten die Pilzkulturen samt Substrat. Und erst bei dieser zweiten Darmpassage zerstückeln Darmbakterien die verbliebenen pflanzlichen Mehrfachzucker. Laut Michael Poulsen könnte diese Arbeitsteilung dem Menschen als Vorbild dienen, um effizientere Bioreaktoren zur energetischen Nutzung von Biomasse zu entwickeln.
    "Das ist auf jeden Fall etwas, das sich zu erforschen lohnt. Es gibt ein wachsendes Interesse daran, zu verstehen, wie Pilze und Bakterien beim Abbau von Biomasse zusammenarbeiten. In einem Bioreaktor müssen dann nicht zwangsläufig diese Arten zusammenkommen, die wir in der Termiten-Symbiose vorfinden, es geht mehr um ihre physiologischen Fähigkeiten."
    Anders gesagt: Welche Enzyme aus Pilzen und Bakterien ermöglichen den effizientesten Abbau von Biomasse? Diese Enzyme gilt es dann in einer technischen Anlage zu integrieren - nun mit den Menschen anstelle von Termiten als Logistikern.