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Pflanzenschutzmittel
EU-Kommission schlägt Glyphosat-Verlängerung vor

Die EU-Kommission hat sich bereits jetzt festgelegt und den EU-Mitgliedsländern empfohlen, dass Glyphosat weiterhin zugelassen bleibt. Seit Monaten wird über die Gefährlichkeit des Pflanzenschutzmittels erbitterter Streit geführt.

Von Jörg Münchenberg | 24.02.2016
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg).
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg). (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Bis Ende Juni war eigentlich noch Zeit, um sich in der Frage, ob die Zulassung für das umstrittene Pestizid Glyphosat verlängert werden soll oder nicht, zu positionieren. Doch die EU-Kommission hat sich schon jetzt festgelegt: Demnach wird sie den EU-Mitgliedsländern empfehlen, dass der weit verbreitete Unkrautvernichter in Europa weiterhin zugelassen bleibt. Und zwar bis zum Jahr 2031. Einschränkungen sind dabei nur bedingt vorgesehen.
    So steht es in einem Kommissionspapier, das diesem Programm vorliegt. Ein Sprecher der Kommission bestätigte die Position auf Nachfrage. Die Grünen im Europäischen Parlament reagierten heute dagegen mit Unverständnis auf die Empfehlung, wenngleich man, so deren Agrarexperte Martin Häusling, damit gerechnet habe:
    "Das hatte man befürchten müssen, nachdem sowohl die EFSA als auch das Bundesinstitut für Risikobewertung in Deutschland positive Stellungnamen abgegeben haben. Und die Kommission nicht gewillt, daran etwas zu ändern. Obwohl sie auch die Möglichkeiten hätte, auf diese Stellungnahmen nicht einzugehen. Überrascht hat es nicht, geärgert hat es schon, dass man trotz der Risiken um 15 Jahre verlängert".
    Streit auf vielen Ebenen
    Seit Monaten wird über die Gefährlichkeit von Glyphosat ein erbitterter Streit geführt. Nicht nur zwischen den unterschiedlichen Interessenverbänden, sondern auch innerhalb der Wissenschaft. So hatte die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO im letzten Jahr das meistverkaufte Pestizid der Welt als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" eingestuft.
    Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin BFR sowie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gaben dagegen Entwarnung. Ihren Untersuchungen zufolge, die sich jedoch methodisch von denen der WHO unterscheiden - ist Glyphosat "wahrscheinlich nicht krebserregend".
    Eine Einschätzung, die wiederum Ende November 2015 knapp 100 internationale Forscher auf den Plan gerufen hat. In einem offenen Brief hieß es damals, die Unbedenklichkeitsfeststellung von EFSA und BFR enthalte schwerwiegende Mängel. Die Ergebnisse seien durch die vorliegenden Daten nicht gedeckt. Die Uneinigkeit innerhalb Wissenschaft, so meint zumindest der Grüne Häusling, hätte die EU-Kommission jetzt bei ihrer Empfehlung zumindest berücksichtigen müssen:
    "Da steht jetzt Aussage gegen Aussage. Die WHO ist ja in ihrer Aussage unwidersprochen gut. Und wenn die ein Risiko sieht, dann müsste man ja annehmen, dass man dieses Risiko im europäischen Vorsorgerecht auch irgendwo berücksichtigt in der Bewertung. Gar keine Konsequenzen zu ziehen, dass nenne ich schon ein starkes Stück. Man hätte ja zumindest die Konsequenz daraus ziehen können, die Anwendung stark einzuschränken. Aber nicht einmal das passiert ja."
    Es muss noch im Ausschuss abgestimmt werden
    Über die Verlängerung der Zulassung für Glyphosat müssen jetzt die Mitgliedstaaten im ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel entscheiden. Die Sitzung dafür ist für den 7. März geplant. Nach Einschätzung von Häusling werden die Mitgliedsländer den Vorschlag der Kommission nicht blockieren. Auch aus der EU-Kommission hieß es, man gehe davon aus, dass die Empfehlung der Behörde von den Mitgliedsstaaten mehrheitlich angenommen werde.