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Pfluglose Landwirtschaft
Lohnend nur in trockenen Regionen

Agrarwissenschaft. - Um den Boden vor Erosion zu schützen, wird heute in vielen Regionen der Welt den Bauern empfohlen, auf das Pflügen ihrer Felder zu verzichten. Weltweit werden bereits neun Prozent der landwirtschaftlichen Flächen pfluglos im Direktsaatverfahren bestellt. Häufig empfehlen Experten diese Anbauweise auch, weil sie angeblich höhere Erträge liefern soll. Doch das ist offenbar eine Fehleinschätzung, wie jetzt im Wissenschaftsmagazin "Nature" zu lesen ist.

Von Lucian Haas | 23.10.2014
    Für Cameron Pittelkow war diese Meta-Analyse eine wahre Fleißarbeit: Der Agrarwissenschaftler von der Universität von Kalifornien in Davis nahm mit einem internationalen Forscherteam die Ergebnisse von insgesamt 610 landwirtschaftlichen Anbauversuchen aus 63 Ländern unter die Lupe und fasste sie zusammen. Er wollte eine Antwort auf die Frage finden: Wenn man auf das Pflügen der Felder verzichtet und die Pflanzen per Direktsaat in die Erde bringt, führt das am Ende zu größeren oder kleineren Erträgen?
    "Wir waren verblüfft, dass der Effekt insgesamt betrachtet ein negativer ist. Es ist schon so viel zu pfluglosen Anbausystemen in allen möglichen Klimazonen und für viele Pflanzenarten geforscht worden. Da der pfluglose Anbau von vielen Forschern empfohlen wird, dachten wir, dass die vielen Experimente keine Ertragsdifferenzen oder sogar einen Ertragsgewinn im Vergleich zum konventionellen Anbau zeigen würden. Darum waren wir schon überrascht, als wir erkannten, dass es tatsächlich einen signifikanten Ertragsrückgang gibt."
    Im globalen Durchschnitt waren es nach den Daten der Meta-Analyse knapp sechs Prozent, um die die Ernten auf den pfluglos bestellten Feldern geringer ausfielen. Das erscheint auf den ersten Blick nicht so dramatisch – zumal der pfluglose Anbau ja auch positive Seiten hat.
    "Das Ziel ist der Bodenerhalt. Ohne den Pflug kann der Boden wieder eine natürliche Struktur entwickeln. Das verbessert die Bodenqualität, verringert die Erosion und steigert das Wasserrückhaltevermögen. Es gibt also viele potenzielle Vorteile."
    Sinnvoll nur, wenn der Ertrag steigt
    In Zeiten einer stark wachsenden Weltbevölkerung, die mit Nahrung versorgt werden muss, sind Ertragseinbußen dennoch kritisch zu sehen. Cameron Pittelkow rät dazu, den pfluglosen Anbau vor allem dort zu propagieren, wo er neben den ökologischen tatsächlich auch Ertragsvorteile bringen kann. Seinen Erkenntnissen nach ist das nur in warmen, regenarmen Klimazonen der Tropen und Subtropen der Fall. Dort kann der Verzicht auf das Pflügen den Daten nach die Ernten im Schnitt um rund sieben Prozent steigern – allerdings nur dann, wenn die Bauern die Direktsaat mit weiteren Praktiken kombinieren.
    "Höhere Erträge gibt es nur dann, wenn alle drei Prinzipien der konservierenden Landwirtschaft befolgt werden. Das heißt: Neben dem Verzicht auf den Pflug müssen auch alle Ernterückstände auf den Feldern belassen und von Jahr zu Jahr ein Fruchtwechsel durchgeführt werden."
    Die Vegetationsreste sind im ariden Klima besonders wichtig, damit die Feuchtigkeit nicht verdunstet, sondern im Boden bleibt. Nur: In der Praxis, zum Beispiel bei Kleinbauern in Afrika, werde diese Regel häufig nicht eingehalten, erklärt der belgische Agrarökonom Johan Six von der ETH Zürich. Er war ebenfalls an der Studie beteiligt.
    "Die Kleinbauern, die auf das Pflügen verzichten, lassen zwar die Erntereste liegen –aber weil sie diese als Futter für ihre Tiere nutzen. Sie haben sonst wenige andere Futterquellen. Es gibt also eine Konkurrenz zwischen der Viehhaltung und der konservierenden Landwirtschaft. Und daran scheitert diese häufig."
    Für Johan Six liefert die Studie eine zentrale Botschaft.
    "Mit pflugloser Landwirtschaft kann man manches erreichen, aber man sollte das Prinzip nicht überstrapazieren."
    Vor allem gelte es genau hinzuschauen, für welches Klima und für welche bäuerlichen Systeme man die bodenschonenden Anbaumethoden empfiehlt, so Six. Es bleibe stets abzuwägen, ob die Vorteile beim Bodenschutz auf Dauer die vielerorts spürbaren Einbußen beim Ertrag aufwiegen könnten.